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Echtheit von Lebensmitteln Lebensmittel: Per Fingerprinting unbekannte Verfälschungen entlarven
Ob italienischer Hartkäse oder griechisches Olivenöl: Bei vielen Lebensmitteln besteht die Gefahr von Fälschungen. Sie aufzudecken und Warenströme sicherer und transparenter zu machen, verfolgt nun ein Forschungsprojekt. Im Fokus dabei: Nicht-zielgerichtete Fingerprinting-Analyseverfahren.
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Von Gammelfleisch bis Melamin in Säuglingsnahrung: Lebensmittelskandale erschüttern das Vertrauen der Verbraucher in Unternehmen und deren Produkte nachhaltig. Angaben zur geografischen Herkunft von Lebensmitteln, zu Herstellungsprozessen, Qualität oder Zusammensetzung werden für Konsumenten und die Akteure in der Branche immer relevanter. So wünschen sich Kunden laut der Studie „Zukunftstrends der Lebensmittellogistik“ der TU Berlin neben Qualität, Regionalität und Nachhaltigkeit vor allem Transparenz entlang der Lieferkette. Der Gesetzgeber fördert diese Entwicklung mit diversen EU-Richtlinien und Verordnungen, die zum Beispiel die Rückverfolgbarkeit und Sicherheit von Lebensmitteln betreffen. Doch woher Waren tatsächlich stammen und ob es sich um authentische Produkte handelt – also das Lebensmittel auch seiner Kennzeichnung entspricht – ist angesichts globalisierter Lieferketten immer schwieriger zu bestimmen.
Echtheit von Lebensmitteln: Unbekannte Verfälschungen aufdecken
Klassische Qualitätskontrollen reichen längst nicht mehr aus, um die Echtheit (Authentizität) von Lebensmitteln zu ermitteln. Nötig sind moderne und global einsetzbare Strategien, die es erlauben, einerseits bereits bekannte typische Verfälschungen von Lebensmitteln schnell nachzuweisen, und andererseits auch bisher nicht bekannte Manipulationen aufzudecken. Denn eine Schwierigkeit beim Nachweis von Verfälschungen von Lebensmitteln besteht darin, dass ein Produkt mithilfe von so genannten zielgerichteten Verfahren in der Regel nur auf einzelne, bereits bekannte Verfälschungen geprüft wird. Und nur diese fallen auch auf. Die Folge: Bislang unbekannte Zusätze und Verfälschungen bleiben oft unentdeckt. Ziel jüngerer Forschungsarbeiten ist es daher, so genannte nicht-zielgerichtete Verfahren zu entwickeln, mit denen sich auch nicht bekannte Verfälschungen, insbesondere unerwartete Zusätze, aufdecken lassen.
Diesem Teilaspekt dient u.a. das in 2016 gestartete Projekt „Foodauthent“, welches das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) im Rahmen des Forschungsprogramms „Herkunftsnachweis Lebensmittel“ fördert. Insgesamt sechs Partner aus den Bereichen Lebensmittelanalytik, Lebensmittelhandel, Softwareentwicklung, Datamining und Standardisierung sind an dem Projekt beteiligt: Neben dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und der Universität Konstanz gehören auch die Unternehmen Benelog, Eurofins Analytik und Lablicate zum Konsortium. Als Koordinator fungiert die Standardisierungsorganisation GS1 Germany. Die Projektlaufzeit beträgt drei Jahre und endet im September 2019.
Chemischer Fingerabdruck von Lebensmitteln
Ziel des Verbundprojekts ist es, erstmals Rahmenbedingungen und Anreize für den routinemäßigen Einsatz von so genannten Fingerprinting-Analyseverfahren in der Kontrolle, Sicherung und Überwachung von Lebensmitteln zu schaffen. Mithilfe dieser nicht-zielgerichteten Verfahren lassen sich durch die Kombination von Spektroskopie und multivariater Datenanalyse die spektroskopischen Charakteristika der Inhaltsstoffe einer Lebensmittelprobe, also ihr „chemischer Fingerabdruck“, beschreiben. Dieser Fingerabdruck kann im nächsten Schritt mit den natürlichen Variationen unverfälschter Lebensmittelproben verglichen werden, die in einer Referenzdatenbank hinterlegt sind.
So lassen sich auch bislang unbekannte Abweichungen wie Verfälschungen, etwa der Zusatz chemischer Substanzen, ermitteln. Darüber hinaus ist es prinzipiell möglich, durch den Abgleich mit dem authentischen Spektrum weitere Kriterien wie etwa die geografische Herkunft eines Produkts sowie Arten und Sorten zu überprüfen.
Voraussetzungen für routinemäßigen Einsatz
Fingerprinting-Verfahren werden bislang nur sehr eingeschränkt in der Praxis genutzt. Für einen routinemäßigen Einsatz in unterschiedlichen Bereichen, zum Beispiel auch dem Lebensmittelsektor, fehlen derzeit noch wichtige Voraussetzungen, wie etwa standardisierte Protokolle zur Probenanalyse und validierte statistische Datenanalyseverfahren. Auch einheitliche Datenaustauschformate, branchenübergreifende Datenbanken mit Referenzmesswerten und produktbegleitenden Metadaten sowie zielgruppenbezogene Auswerteportale und Dienste sind für eine flächendeckende und effiziente Anwendung notwendig, aber in dieser Form bis dato noch nicht verfügbar.
Verbundprojekt arbeitet an cloud-basiertem System
Die Foodauthent-Partner planen ein System zu entwickeln, das diese notwendigen Voraussetzungen schafft. Dazu gehören die Entwicklung kooperativ nutzbarer und cloud-basierter „Fingerprinting“-Datenplattformen, offene Datenstandards, Mustererkennungs- und Datenanalyseverfahren sowie Schnittstellen zu privatwirtschaftlich betriebenen Systemen mit Chargen-bezogenen Produktinformationen. Das im Verbundprojekt avisierte Systemkonzept schafft dabei erstmalig die Grundlagen, um produktbezogene Analyseergebnisse automatisch mit Chargen-bezogenen Daten des Lebensmittelhandels zu verknüpfen.
Erprobt wird der Lösungsansatz im Rahmen des Projektes am Beispiel der Produktgruppen Hartkäse, Speiseöl und Spirituosen.
Betrug vorbeugen, Verbrauchervertrauen festigen
Die Projektpartner planen die wissenschaftlichen und technischen Ergebnisse des Verbundvorhabens als frei zugängliche, offene Ressourcen, beispielsweise als Open Source-Software, für die Akteure der Lebensmittelbranche wie Unternehmen, Labore und Behörden zur Verfügung zu stellen. Übergeordnetes Ziel ist, die Transparenz entlang der Lieferkette bis hin zum Verbraucher zu erhöhen und damit u.a. auch Lebensmittelbetrug vorzubeugen. Für gepanschtes Olivenöl, Pferdefleisch-Lasagne und Co. ein möglicher Schlussstrich – und für Unternehmen eine Chance, das Vertrauen der Verbraucher zu festigen und die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.
* T. Bartram: GS1 Germany GmbH, 50825 Köln
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