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Kreislaufwirtschaft von Gummi Lösung gesucht: Abbau alter Autoreifen

Von Claudia Neumeier*

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Gummibestandteile aus Naturkautschuk lassen sich mit bestimmten Bakterien abbauen. Doch wenn das Gummi aus synthetischen Rohstoffen hergestellt ist, versagen die natürlichen Abbauhelfer. Forscher aus Halle arbeiten daran, auch künstlich produziertes Gummi abzubauen, und haben jetzt eine Lösung gefunden – oder eher eine Emulsion.

Autoreifen einfach auflösen funktioniert noch nicht. Aber Forscher aus Halle verbessern den enzymatischen Abbau von Gummi (Symbolbild).
Autoreifen einfach auflösen funktioniert noch nicht. Aber Forscher aus Halle verbessern den enzymatischen Abbau von Gummi (Symbolbild).
(Bild: gemeinfrei, Sarah Lee (unsplash), MasterTux (pixabay), BriMoPet (pixabay) / bearbeitet von VCG / Unsplash)

Halle an der Saale – Aus Naturkautschuk werden die Grundzutaten für viele Kunststoffsorten gewonnen. Eine wichtige Verbindungsklasse aus dem Rohstoff ist etwa das Polymer Polyisopren, woraus z. B. viele Gummisorten für Autoreifen bestehen. Polyisopren ist ein langkettiges Molekül, das durch Verknüpfung von Hunderten bis Tausenden kleinerer Isoprenmoleküle entsteht. Prinzipiell lässt sich diese Molekülkette auch wieder in ihre Einzelteile zerlegen. „Verschiedene Bakterien sind in der Lage, natürliches Polyisopren mithilfe von Enzymen abzubauen“, sagt der Chemiker Vico Adjedje von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU). Dies gilt jedenfalls für das natürlich gewonnene Polyisopren.

Da der weltweite Bedarf an Gummiprodukten aber größer ist, als durch Naturkautschuk gedeckt werden kann, wird der Ausgangsstoff auch künstlich hergestellt. Die natürliche und die synthetische Variante haben zwar ähnliche Eigenschaften, unterscheiden sich aber z. T. in der Struktur der Moleküle, aus denen sie aufgebaut sind. Das macht das Recycling des Gummis schwer – bislang konnte nur Polyisopren abgebaut werden, das dem natürlich vorkommenden sehr ähnlich ist.

Die Lösung ist eine Emulsion

Die Gruppen von Prof. Dr. Wolfgang Binder an der MLU und Jun.-Prof. Dr. Martin Weissenborn vom Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie (IPB) und der MLU haben nun einen Weg gefunden, künstlich hergestelltes Polyisopren mithilfe des Enzyms LCPK30 zu zersetzen. „Wir sind die ersten, denen es gelungen ist, das Polyisopren in eine Darreichungsform zu bringen, mit der das Enzym auch arbeiten kann“, sagt Binder. Dabei haben sich die Forscher von der Natur inspirieren lassen. „Unsere Vermutung war, dass synthetisches Polyisopren in einer Emulsion vorliegen sollte, damit das Enzym richtig arbeiten kann“, erklärt Adjedje, der als Doktorand in Binders Arbeitskreis tätig ist.

Eine Emulsion ist beispielsweise Milch, in der Fett als wenige Mikrometer große Tröpfchen in Wasser verteilt ist und so für die typische weiße Trübung sorgt. Genauso wie Fett ist Polyisopren quasi unlöslich in Wasser. Die Natur schafft es dennoch, es gleichmäßig im Wasser zu verteilen: als milchig-weißer Latexsaft, der auf Gummiplantagen geerntet und zu Naturkautschuk weiterverarbeitet wird. Mithilfe eines speziellen Lösemittels gelang es den Forschern, auch synthetisch hergestelltes Polyisopren gleichmäßig in Wasser zu verteilen, während das Enzym über die Reaktionszeit intakt blieb und die langen Molekülketten des Polyisoprens in deutlich kleinere Teile zerlegte.

Das Enzym verbessern

Das Ziel der Forscher ist es, künftig auch andere ähnliche Stoffe aus Autoreifen abbauen zu können. „Bis zum fertigen Reifen passiert einiges mit dem Ausgangsmaterial: die Molekülketten werden chemisch quervernetzt, um die mechanischen Eigenschaften zu verändern. Weichmacher und Antioxidationsmittel kommen hinzu. Vor allem Letztere sind ein Problem für das Enzym, weil sie seine Struktur angreifen“, sagt Adjedje.

Die Ergebnisse geben auch wichtige Anstöße in Richtung Kreislaufwirtschaft. „Wir könnten die Abbauprodukte weiterverarbeiten zu Feinchemikalien und Duftstoffen – oder wieder neue Kunststoffe herstellen“, erklärt Gruppenleiter Binder. Die Wissenschaftler haben das Polyisopren-abbauende Enzym so verwendet, wie es in der Natur vorkommt. Weissenborns Arbeitsgruppe will es nun so optimieren, dass es unempfindlicher gegen Lösemittel wird und weitere Reaktionen auslöst.

Originalpublikation: Adjedje V. et al.: Enzymatic degradation of synthetic polyisoprenes via surfactant-free polymer emulsification, Green Chemistry (2021). doi.org/10.1039/D1GC03515K

* C. Neumeier, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, 06108 Halle an der Saale

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