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Labor in Höchstform Luft-, Boden- und Wasseranalytik im weltweit größten Chemiekonzern

Autor / Redakteur: Guido Deußing* / Dr. Ilka Ottleben

Chemische Herstellungs- und Verarbeitungsprozesse besitzen immer ein gewisses Risikopotenzial. Der Eintrag potenzieller Schadstoffe ist möglich, jedoch zu minimieren. Um die Einhaltung geltender Normen zu überprüfen, braucht es die Instrumente der instrumentellen chemischen Analytik – auch bei Dow in Stade.

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Abb. 1: Die GC-Abteilung des Ecology-Labors von Dow in Stade spiegelt den hohen Automatisierungsgrad der Umweltanalytik des Konzerns am Standort wider.
Abb. 1: Die GC-Abteilung des Ecology-Labors von Dow in Stade spiegelt den hohen Automatisierungsgrad der Umweltanalytik des Konzerns am Standort wider.
(Bild: Guido Deußing)

Bützflether Sand – klingt wie die Adresse des örtlichen Freibads, ist aber seit 1972 die Adresse des am Umsatz gemessen international größten Chemiekonzerns Dow in Stade. Das Werkgelände wurde vor einigen Jahren zum Industriepark umgestaltet und für die Ansiedlung anderer Firmen geöffnet, die hier nun im synergetischen Miteinander zusammenwirken. Die nahen Elbhafenanlagen gleichen einem Tor zur Welt; die Anbindung an den Industriebahnhof und den Container-Terminal ermöglicht den Transport wichtiger Waren, Güter und Rohstoffe auf staufreien Schienenverbindungen in alle Himmelsrichtungen.

Die jahrzehntelang bestehende industrielle Infrastruktur, Speditionen, die auch in der Handhabung von Gefahrgütern bestens geschult sind – diese und viele weitere Gesichtspunkte lassen den Chemiepark Stade global gesehen extrem gut vernetzt dastehen. Gut da steht auch das Ecology-Labor von Dow. Das Umweltlabor erfährt über Konzerngrenzen hinweg viel Beachtung, setzt es doch nicht zuletzt beim Nachweis flüchtiger organischer Verbindungen (VOCs) mittels Thermodesorption (TD) Maßstäbe. Grund genug, Dow in Stade einen Besuch abzustatten.

Das Ecology-Labor ist die Arbeits- und Wirkstätte von Sandra Hirsch, Andreas Köhler, Niclas Seyen und Maren Nutbohm, meinen Gesprächspartnern. Das Ecology-Labor beschäftigt sich vorrangig mit der Umwelt- und Wasseranalytik im Chemiepark Stade; das umfasst auch die Bestimmung und Einhaltung der Arbeitsplatzgrenzwerte (AGW) gemäß Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) sowie der Grenzwerte der wasserrechtlichen Erlaubnis gemäß der Verordnung des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz.

Sicher dank Routineanalytik

Rund 6000 Proben hat das Team des Ecology-Labors im Jahr auf Chemikalieneinträge zu untersuchen und zu prüfen, ob die zulässigen Höchstwerte überschritten wurden. Bei 60 Prozent der Proben handelt es sich um wässrige Matrices, vorwiegend Abwasser. Luftproben, die unter Routinebedingungen sowie bei Verdacht einer Leckage oder der Überschreitung gesundheitsbedenklicher Arbeitsplatzgrenzwerte im Produktionsbereich und an Arbeitsplätzen gezogen wurden, machen 30 Prozent des Probenaufkommens aus. Bodenproben, die zu analysieren sind, wenn ein Neubau geplant ist und Zweifel über mögliche Altlasten aus dem Weg zu räumen sind, lassen sich mit zehn Prozent beziffern.

„Hinzu kommen monatlich etwa zehn Proben, die wir zu Vergleichsmessungen von der Umweltbehörde erhalten, die auf dem Gelände nach Belieben Proben ziehen kann und damit ihrer Funktion als Kontrollinstanz gerecht wird“, schildert Sandra Hirsch.

Abwechslung in der Laborroutine bieten Außeneinsätze, etwa wenn die Werkfeuerwehr die Folgen einer Leckage beheben soll und wissen will, womit sie es bei der austretenden Substanz zu tun hat. Oder wenn die örtliche Feuerwehr in Stade analytische Unterstützung benötigt: „Ob es sich um einen verunfallten und leckgeschlagenen Gefahrguttransport unbekannten Inhalts im Stader Verkehrsnetz handelt oder um die Havarie eines mit Chemikalien beladenen Schiffes auf der Elbe, dann sind wir zur Stelle“, sagt Andreas Köhler. Es kann auch schon mal sein, dass die Kriminalpolizei eine Einschätzung erbittet, um was für eine Substanz es sich handelt, die sie am Tatort eines vermeintlichen Selbstmords gefunden hat. Das Ecology-Labor übernimmt auch solche Aufgaben im Rahmen technischer Hilfeleistungen.

Es ist Zeit für einen Laborrundgang. Erste Station: das Thermodesorptionslabor. Die Ordnung hier ist bemerkenswert, wirkt ein bisschen wie für mich gemacht, ist aber im Ecology-Labor Programm, klärt mich Sandra Hirsch auf: „Suchen kostet Zeit, richtig?“ „Die haben wir aber nicht“, sagt Andreas Köhler. „Und die brauchen wir auch nicht“, ergänzt Sandra Hirsch, „weil wir nicht suchen müssen, sondern wissen, wo alles ist.“ Die Methode, nach der die Laboratorien durchstrukturiert worden sind, stammt aus Japan und wird als 5S- oder 5A-Methode bezeichnet. Sie gewährleistet, dass alles an seinem Platz, sauber und in Ordnung ist. Ein prägnantes Indiz für die Anwendung der 5A-Methode zeigt sich in der Art, wie man die Plätze markiert, an denen wichtige Werkzeuge deponiert werden, Instrumente aufzubewahren sind und Geräte zu stehen haben: Gelbe Markierungslinien, auf den Tischen, dem Boden, selbst auf Schubladen und Schranktüren, machen es leicht, das Richtige zu tun. Unwillkürlich muss ich an den Raucherbereich am Bahnsteig denken.

Auf den Labortischen entlang der Fensterreihe stehen drei GC-Komplettsysteme (Agilent Technologies), ausgestattet mit jeweils einem Kalt-Aufgabe-System (Gerstel-KAS) und darauf ein Thermal-Desorptions-System (Gerstel-TDS) mit Autosampler (TDS A). „Nicht nur Ordnung, auch Automatisierung erhöht die Effizienz“, bemerkt Sandra Hirsch, „ganz besonders wichtig bei dünner Personaldecke.“ Detektiert wird mittels MSD und FID, die über ein Splitventil mit dem GC verbunden sind. Auf dem Labortisch gegenüber finden sich zwei Tube Conditioner (Gerstel-TC) sowie zwei Tube-Standard-Preparation-Systeme (Gerstel-TSPS) für die Konditionierung von TDS-Sorbensröhrchen und die Beladung der Sorbentien mit ausgewählten Standards.

„Wir haben lange Zeit mit den unterschiedlichsten Materialien experimentiert, um heute sagen zu können, dass wir vor allem auch in der Lage sind, mehr als 50 verschiedene C1 bis C3-Verbindungen allesamt mit einer einzigen Methode und mit Bestimmungsgrenzen im ppb-Bereich nachzuweisen“, freut sich Andreas Köhler. „Und wir liegen weit unter den Bestimmungsgrenzen, die uns die Behörde vorgibt“, fügt Sandra Hirsch hinzu. Im analytischen Rennen mit den Behörden die Nase vorn zu haben, spornt die beiden zu Höchstleistungen an: „Wir wissen aus Erfahrung“, sagt Sandra Hirsch, „dass wir stets mit einer Veränderung der Gesetzeslage zu rechnen haben.“

Statt abzuwarten und zu reagieren, gehen die beiden Experten die Herausforderung potenziell sinkender Grenzwerte offensiv und proaktiv an. Wenn die Veränderung der Grenzwerte schließlich Tatsache wurde, seien sie längst am Ziel und bestens vorbereitet gewesen. Auch methodisch: „Leichtflüchtige Verbindungen mit Siedepunkten von -20 °C und sehr schwerflüchtige Verbindungen mit 230 °C erfassen wir mit nur einer Methode“, berichtet Andreas Köhler.

Die Resultate, die das Laborteam beim Nachweis sehr leicht- bis sehr schwerflüchtiger organischer Verbindungen erzielt, haben sich bei Dow herumgesprochen. Das Ecology-Labor in Stade gilt im Konzern als Zentrum für die Thermodesorptionsanalyse. Sandra Hirsch: „Kollegen anderer Standorte schicken uns ihre Proben, damit wir die Analysen für sie durchführen.“ Kann es eine größere Anerkennung geben? Aber nicht nur „Industrial Hygiene“-Proben werden von anderen Dow-Standorten nach Stade gesandt. Auch die aufwändig zu bearbeitenden, behördlich relevanten AOX-Analysen von Standorten aus anderen Ländern werden hier analysiert.

Schon vor der Jahrtausendwende hatte Andreas Köhler die Thermodesorption für sich entdeckt. Sandra Hirsch, die später zum Team stieß, teilt seine Begeisterung. Als das TD-System der Marke Eigenbau seine Kapazitätsgrenzen erreicht hatte, war die Anschaffung eines neuen Systems beschlossene Sache: „Wir brauchten ein System“, erinnert sich Köhler, „das den Nachweis der uns interessierenden Verbindungen sicher, sensitiv und verschleppungsfrei gewährleisten konnte, das sich außerdem automatisieren ließ und das die Möglichkeit bot, adäquat auf eine Verschärfung der gesetzlichen Auflagen zu reagieren.“

Andreas Köhler hatte das Thermal-Desorptions-System (TDS) in den Blick genommen und den Kontakt zu Gerstel gesucht. Der Anfang einer Partnerschaft, die sich nicht allein auf die Thermodesorption und die Analyse flüchtiger Verbindungen in Luft beschränkt. Das in Mülheim an der Ruhr ansässige Unternehmen wurde auch zum Lösungslieferanten für die Analyse wässriger Proben, die den Löwenanteil des Probenaufkommens im Ecology-Labor ausmachen; im GC-Labor zähle ich wenigstens sechs vollautomatisierte GC-Systeme.

Verschärfte Grenzwerte

Das Ecology-Labor habe auch in der Wasseranalytik mit laufend sich verschärfenden Grenzwerten zu kämpfen, berichtet Andreas Köhler. Das Abwasser mit seiner hohen Salzfracht und die darin nachzuweisenden unterschiedlich polaren Verbindungen hätten die Analytik vor eine große Herausforderung gestellt. Während in vielen Fällen die klassische Headspace-Technik für den sicheren und sensitiven Nachweis der beobachteten Analyten völlig genüge, blieben andere Verbindungen auf der Strecke, insbesondere Hochsieder.

„Die Lösung kam in Form der HIT-Technologie daher“, berichtet Köhler. Das Akronym HIT (Gerstel) steht für Hot Injection and Trapping. Diese Methode gewährleistet, dass vor allem schwerflüchtige Verbindungen während der Probenaufgabe gasförmig bleiben, sprich: nicht an der Spritzennadel kondensieren und mit Entfernen der Spritze aus dem Injektor verloren gehen. Auf diese Weise habe man im Ecology-Labor einen Weg gefunden, wieder einmal die Vorgaben der Grenzwertkommissionen auf lange Zeit erfüllen zu können. Das Team des Ecology-Labors findet eben Gefallen daran, den Behörden immer wieder einen Schritt, genauer gesagt: mehrere Schritte, voraus zu sein. Sandra Hirsch: „Eines unserer Ziele war es etwa, die Nachweisgrenze auf 1 μg/L zu senken, gefordert sind 1 μg/L. Wir haben 0,2 μg/L erreicht.“

Und während man sich aufseiten der Behörden mit herkömmlichen Headspace-Techniken und Flüssigflüssigextraktionen abmühe, absolviere das Ecology-Labor die Analytik überaus effizient automatisiert. Damit bleibe mehr Zeit für die Auswertung und Interpretation der Analysenresultate oder auch für die Methodenentwicklung. „Oder dafür, sich Gedanken zu machen, was eine MPS-Workstation hier im Labor zu leisten vermag“, meint Sandra Hirsch. Ein freundlich gemeinter Hinweis, dass die Führung durchs Labor nun beendet ist und dringend zu erledigende Arbeit wartet – ich habe verstanden.

* G. Deußing: Redaktionsbüro Guido Deußing, 41464 Neuss

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