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Rekordübernahmen im ersten Halbjahr M&A in Chemie- und Pharmabranche auf Rekordkurs

Redakteur: Wolfgang Ernhofer

Übernahmeschlachten: Chemie- und Pharmaunternehmen haben weltweit in den ersten sechs Monaten des Jahres 2015 schon mehr Geld in Fusionen und Übernahmen investiert als im gesamten Vorjahr.

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„Im Zuge einer strategischen Neuausrichtung nehmen Firmen hohe Transaktionspreise in Kauf, um sich den Zugang zu neuer und potenziell lukrativer Medizin zu sichern,“ so Vir Lakshman, Leiter des Bereichs Chemie und Pharma bei KPMG Deutschland.
„Im Zuge einer strategischen Neuausrichtung nehmen Firmen hohe Transaktionspreise in Kauf, um sich den Zugang zu neuer und potenziell lukrativer Medizin zu sichern,“ so Vir Lakshman, Leiter des Bereichs Chemie und Pharma bei KPMG Deutschland.
(Bild: KPMG)

Berlin – In der Chemie- und Pharmabranche geht es heiß her: Der Wert aller abgeschlossenen M&A-Transaktionen im ersten Halbjahr 2015 beträgt umgerechnet mehr als 230 Milliarden Dollar. Der Gesamtjahreswert 2014 hatte bei 214 Milliarden Dollar gelegen. Das zeigt eine KPMG-Analyse, basierend auf Zahlen von Thomson Reuters. Wesentliche Ursache für den starken Anstieg sind einige Deals der Pharmabranche im zweistelligen Milliardenbereich. Sie sorgten dafür, dass sich der Gesamtwert der im Pharmabereich abgeschlossenen M&A-Deals im ersten Halbjahr gegenüber dem ersten Halbjahr 2014 fast verdreifachte, von 69 Milliarden Dollar auf 210 Milliarden Dollar.

Wie schon 2014, waren auch in den ersten sechs Monaten 2015 wieder besonders US-Unternehmen aktiv, gefolgt von chinesischen und französischen Firmen. So kaufte im ersten Quartal der Pharmakonzern Actavis den Botox-Hersteller Allergan für rund 70,5 Milliarden Dollar, während Abbvie im zweiten Quartal Pharmacyclics für 20,8 Milliarden Dollar übernahm.

„Im Zuge einer strategischen Neuausrichtung nehmen Firmen hohe Transaktionspreise in Kauf, um sich den Zugang zu neuer und potenziell lukrativer Medizin zu sichern. Die Pharmacyclics-Übernahme durch Abbvie ist ein gutes Beispiel dafür, wie die Pharmabranche Transaktionen gezielt nutzt, um einem aufgrund von Patentausläufen drohenden Verlust der Marktexklusivität entgegenzuwirken,“ so Vir Lakshman, Leiter des Bereichs Chemie und Pharma bei KPMG Deutschland

Ende des Übernahmefiebers nicht in Sicht

Ein Ende des Übernahmefiebers scheint nicht in Sicht. So haben die zehn größten, bereits für die zweite Jahreshälfte 2015 angekündigten Transaktionen einen Wert von über einer Milliarde Dollar. Das „Übernahmedreieck“ zwischen Teva Pharmaceutical Industries, Mylan und Perrigo ist ein Beispiel dafür. Teva strebt eine Übernahme von Mylan an, bot zuletzt 43 Milliarden Dollar. Mylan wappnet sich gegen die Übernahme mit einer anvisierten 34,1 Milliarden Dollar Übernahme von Perrigo.

Pharmaunternehmen interessierten sich vor allem für Unternehmen in den Bereichen Onkologie und kardiovaskulärer Erkrankungen. Dies verdeutlicht die angekündigte Übernahme von Cellectis durch Pfizer für 1,6 Milliarden Dollar sowie Cardinal Healths 1,9 Milliarden Dollar-Akquisition von Cordis. „Die globalen Ausgaben für Krebsmedikamente sind 2014 erstmals über die 100 Milliarden Dollar-Grenze gestiegen. Vielversprechende Forschungsansätze wie Immuntherapien könnten die Attraktivität des Marktes weiter steigern,“ äußert sich Vir Lakshman zu diesen Erkenntnissen.

Die Chemieindustrie verzeichnete im ersten Halbjahr 2015 Deals im Wert von 16 Milliarden Dollar, ein ähnlich hohes Niveau wie im ersten Halbjahr 2014 mit 17 Milliarden Dollar. Die größte Transaktion konnte der US-Konzern FMC Corporation mit 1,8 Milliarden Dollar für sich verbuchen: die Akquisition der dänischen Cheminova. Besonders gesucht waren außerdem Unternehmen aus den USA, China, Japan und Deutschland. „Wie bereits Anfang des Jahres erwartet, befindet sich die Chemiebranche weiterhin in einer Konsolidierungsphase. Unternehmen verfolgen unterschiedliche Strategien, um ihr Portfolio zu schärfen,“ so Vir Lakshman.

BASF forciert ihr Kerngeschäft beispielsweise durch die im zweiten Quartal angekündigte Veräußerung des globalen Paper Hydrous Kaolin Geschäfts. Dow verfolgt die gleiche Strategie, wie das angekündigte Spin-Off des Chlor-Alkali-Geschäfts für 5 Milliarden Dollar an die Olin Corporation zeigt. Dow und Henkel lösen bestehende Joint Ventures durch den Erwerb ausstehender Anteile auf. Auch Private Equity-Unternehmen haben die Marktdynamik beeinflusst. So kündigte New Mountain Capital den Erwerb von Zep für 700 Millionen Dollar an. Für den gleichen Betrag verkaufte CVC 4,7 % seiner Evonik-Anteile, wodurch der Anteil frei handelbarer Aktien im Markt steigt.

Übernahmekampf im Agrarchemiesektor?

Auch im Agrarchemiesektor könnte sich ein Übernahmekampf ankündigen. Der amerikanische Saatguthersteller Monsanto bot zuletzt 45 Milliarden Dollar für das Schweizer Agrarchemieunternehmen Syngeta. Syngeta lehnte ab, Monsanto will vorerst seine Offerte nicht erhöhen, prüft jedoch weitere Optionen. Vir Lakshman dazu: „Konsolidierungsaktivitäten werden auch weiterhin die Branche bestimmen, wobei die Grenzen der Branche immer fließender werden, wie angekündigte Vor- und Rückwärts-Integrationen der Automobilbranche zeigen.“

Audi beispielsweise beabsichtigt, eine Option zur Übernahme von Anteilen des französischen Biotechnologieunternehmens Global Bioenergies auszuüben, das bereits ein erdölunabhängig hergestelltes „E-Benzin“ für den Ingolstädter Konzern entwickelt hat. Das staatliche Unternehmen Chemchina strebt zudem die Übernahme des Italienischen Reifenherstellers Pirelli an und bot Pirellis größtem Anteilseigner zuletzt 7,7 Milliarden Dollar für 26,2 % der Unternehmensanteile. Pirelli scheint dieser Absicht aufgrund strategischer Wachstumsmöglichkeiten in asiatischen Märkten nicht abgeneigt, es zeichnet sich der potenziell größte grenzübergreifende Abschluss eines chinesischen Unternehmens seit 2012 ab.

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