Hochdruck-Experimente im Terapascal-Bereich Materialforschung wie im Inneren des Uranus
Der Druck im Erdkern ist gewaltig, der Druck in anderen Planeten wie dem Uranus noch größer. Unter solchen Bedingungen entstehen völlig neue Verbindungen, wie sie hier auf der Erde gar nicht bekannt sind. Ein Team von Forschern aus Bayreuth hat nun eine Technik entwickelt, um derartig hohe Drücke für die Materialforschung zu realisieren.
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Unter hohem Druck entstehen Diamanten – unter höherem Druck völlig neue Verbindungen, die noch gar nicht bekannt sind. Üblicherweise beschreiben lediglich theoretische Modelle die ungewöhnlichen Strukturen und Eigenschaften von Materialien, die sich unter extremen Druck-Temperatur-Bedingungen bilden können. Bis zu Drücken von 200 Gigapascal– wie sie im Bereich des äußeren Erdkerns ab rund 3.500 Kilometern Tiefe auftreten – ließen sich solche Modelle bereits in Experimenten verifizieren. Doch bei höheren Drücken gab es bislang keine Möglichkeit für Experimente. Zum einen sind komplexe technische Voraussetzungen nötig, um Materialproben derart extremen Drücken auszusetzen, zum anderen fehlten ausgereifte Methoden für zeitgleiche störungsfreie Strukturanalysen.
Für ein tieferes Verständnis von Materie
Ein Forscherteam der Universität Bayreuth hat nun gemeinsam mit internationalen Partnern die Grenzen der Hochdruck- und Hochtemperaturforschung ausgeweitet. Ihre veröffentlichten Experimente eröffnen neue Dimensionen für die Hochdruckkristallographie: Im Labor können jetzt Materialien erzeugt und erforscht werden, die – wenn überhaupt – in den Weiten des Universums nur unter extrem hohen Drücken existieren, beispielsweise im Mittelpunkt des Planeten Uranus.
„Das von uns entwickelte Verfahren versetzt uns erstmals in die Lage, neue Materialstrukturen im Terapascal-Bereich zu synthetisieren und in situ – das heißt: noch während des laufenden Experiments – zu analysieren“, erklärt Prof. Dr. Dr. Leonid Dubrovinsky vom Bayerischen Geoinstitut (BGI) der Universität Bayreuth, der Erstautor der Veröffentlichung. „Auf diese Weise lernen wir bisher unbekannte Zustände, Eigenschaften und Strukturen von Kristallen kennen und können generell unser Verständnis von Materie bedeutend vertiefen. Für die Erforschung terrestrischer Planeten und die Synthese von Funktionsmaterialien, die in innovativen Technologien zur Anwendung kommen, lassen sich dadurch wertvolle Einsichten gewinnen.“
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Entstehungsmechanismus von Diamanten
Was Diamanten zum Wachsen brauchen
Verbindungen, wie sie noch nie erzeugt wurden
In ihrer neuen Studie zeigen die Forscher, wie sie mithilfe des jetzt entdeckten Verfahrens neue Rheniumverbindungen erzeugt und in situ sichtbar gemacht haben. Es handelt sich dabei um ein neuartiges Rhenium-Nitrid (Re7N3) und eine Rhenium-Stickstoff-Legierung. Die Wissenschaftler haben diese Materialien in einer mit Laserstrahlen beheizten zweistufigen Diamantstempelzelle unter extremen Drücken synthetisiert. Die Synchrotron-Einkristall-Röntgenbeugung ermöglichte eine vollständige chemische und strukturelle Charakterisierung.
„Vor zweieinhalb Jahren waren wir in Bayreuth sehr überrascht, als wir auf der Basis von Rhenium und Stickstoff einen superharten metallischen Leiter herstellen konnten, der selbst extrem hohen Drücken standhält“, sagt die Hauptautorin der Studie, Prof. Dr. Dr. Natalia Dubrovinskaia vom Labor für Kristallographie der Universität Bayreuth. „Wenn wir künftig die Hochdruckkristallographie sogar im Terapascal-Bereich anwenden, werden wir in dieser Richtung möglicherweise weitere überraschende Entdeckungen machen. Die Türen für eine kreative Materialforschung, die unter extremen Drücken unerwartete Strukturen erzeugt und sichtbar macht, stehen jetzt weit offen.“
Originalpublikation: Leonid Dubrovinsky et al.: Materials synthesis at terapascal static pressures. Nature (2022), DOI: 10.1038/s41586-022-04550-2 //
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