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Redoxpotenzial Messungen des Redoxpotenzials an der exotischen Lulo-Frucht

Autor / Redakteur: Jana Messinger, Elisa Zilling, Manfred Hoffmann, Marianne Lauerer* / Dr. Ilka Ottleben

Die Nachfrage der Verbraucher nach gesunden Nahrungsmitteln steigt zunehmend. Insbesondere die Sekundären Pflanzenstoffe haben hier aufgrund ihrer Eigenschaft als Radikalfänger großes Interesse erlangt. Ihre Wirkung kann relativ einfach über das Redoxpotenzial gemessen werden – so auch in der Lulo-Frucht.

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Abb. 1: Vollreife, gerade heruntergefallene und quer aufgeschnittene Lulo-Frucht
Abb. 1: Vollreife, gerade heruntergefallene und quer aufgeschnittene Lulo-Frucht
(Bild: Uni Bayreuth)

Die Nachfrage der Verbraucher nach einer gesunden Ernährung steigt zunehmend und gerade Obst wird mit „Gesundheit und Frische“ assoziiert [1, 2]. Die Lulo (Solanum quitoense) ist eine in Deutschland noch weitgehend unbekannte Frucht aus den Anden Südamerikas, der aber aufgrund ihres exotischen Geschmacks und ihrer Inhaltsstoffe (z.B. Beta-Carotin) ein großes Potenzial für den internationalen Markt zugetraut wird [z.B. 4, 5, 6, 8]. Im Hinblick auf die gesundheitliche Bedeutung gewannen die Sekundären Pflanzenstoffe, wie die Carotinoide, in den letzten Jahren großes wissenschaftliches Interesse [9, 10]. Sie sind vor allem in ihrer Eigenschaft als Radikalfänger (antioxidative Wirkung) für die menschliche Gesundheit von Bedeutung [3, 9, 10].

Ergänzendes zum Thema
LP-Info: die Lulo-Frucht

Lulo, Naranjilla (Solanum quitoense, Solanaceae)

  • Heimat: Bergregionen Ecuadors und Kolumbiens [4]
  • Früchte essbar, tomatengroß mit rotoranger Schale und grünem, saftigen Fruchtfleisch, welches geschmacklich an Kiwi, Erdbeere und Stachelbeere erinnert
  • Frischverzehr (Fruchtfleisch inkl. der Samen wird ausgelöffelt) und Herstellung von Saft, Desserts und Soßen [7]
  • Früchte sind reich an Vitamin C und Beta-Carotin [5, 8]

Als einfache Alternative zur chemoanalytischen Quantifizierung der Sekundären Pflanzenstoffe kann die antioxidative Kapazität eines Lebensmittels über das so genannte Redoxpotenzial gemessen werden [9]. Die Sekundären Pflanzenstoffe fungieren als Elektronenspender und je elektronenreicher das Nahrungsmittel ist (d.h. je niedriger das Redoxpotenzial), umso mehr Elektronen können an unseren Körper abgegeben werden, wo sie als Radikalfänger wirken [3, 9, 10]. Die Fähigkeit, Elektronen abzugeben ist u.a. abhängig von den Anbaubedingungen, der Reife und der Lagerung [3, 9]. In der vorliegenden Studie wurde mittels des Redoxpotenzials der gesundheitliche Wert der Lulo-Frucht als Radikalfänger in Abhängigkeit vom Reifegrad und der Lagerung ermittelt.

Material und Methoden der Experimente

Lulo-Pflanzen wurden am 15.02.2013 ausgesät und in einem Gewächshaus des Ökologisch-Botanischen Gartens der Universität Bayreuth kultiviert. Vom 17.04 bis 21.05.2014 wurden unbeschädigte Lulo-Früchte (s. Abb. 1) mit einem Durchmesser von 4 bis 5 cm und zu 6 verschiedenen Reifestadien (jeweils 6 bis 8 Früchte) zufällig von 20 Individuen ausgewählt und vermessen (s. Tab. 1, beim Redoxpotenzial zusätzlich zwei 6 Tage gelagerte Früchte).

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Das Redoxpotenzial wurde am apikalen Pol der ganzen enthaarten Frucht mit einer Platin-Einstich-Elektrode gemessen (SI-Analytics, Mainz, s. Abb. 2). Der jeweilige Messwert wurde nach 20 min, wenn das Fließgleichgewicht für eine reproduzierbare Messung erreicht war (Vorversuch), genommen. Das Redoxpotenzial wurde als EH-Wert angegeben und ist das auf die Normalwasserstoffelektrode bezogene gemessene Potenzial. Anschließend wurde das Fruchtfleisch inkl. der Samen der zuvor beprobten Früchte homogenisiert, zentrifugiert und im Überstand Leitfähigkeit, Säuregehalt und pH-Wert mittels eines Titrators (Mettler Toledo, Gießen) sowie Zuckergehalt mit einem digitalen Refraktometer (Mettler Toledo, Gießen) gemessen. Das Zucker/Säure-Verhältnis [11] und die elektrische Leistungsgröße P (P-Wert als integrierte Praxis-Qualitätsgröße aus pH, Leitfähigkeit, Redox) [3] wurden berechnet.

Zur Feststellung des Einflusses (Signifikanzniveau < 0,05) der Fruchtreife und Lagerung auf die Messparameter wurde ein lineares gemischtes Modell [12] mit anschließendem post-hoc-Test mittels „glht“-Funktion [13] berechnet. Für das Redoxpotenzial und Zucker/Säure-Verhältnis wurde anhand der jeweiligen Einzelwerte eine Trendkurve über alle Reifestadien mit Sigmaplot (Version 10.0, Systat Software Inc.) gefittet. Der statistische Zusammenhang zwischen dem Redoxwert und dem Zucker/Säure-Verhältnis wurde mit einer Pearson-Korrelation berechnet. Für die statistische Auswertung wurde das Statistikprogramm R (Version 3.1.1, R Development Core Team), sowie R Studio (R Studio, Inc.) verwendet.

Elektrochemische Ergebnisse und Zucker/Säure-Verhältnis

Das Redoxpotenzial lag bei den untersuchten Lulo-Früchten zwischen 271 und 333 mV und war höchst signifikant von Reife und Lagerung abhängig (s. Tab. 2, s. Abb. 3). Mit der Reife, von gelbgrünen Früchten bis zum natürlichen Fruchtfall, nahm das Redoxpotenzial kontinuierlich ab, war bei den 2 Tage gelagerten Früchten am niedrigsten und stieg mit dem 4. Lagerungstag wieder leicht an (s. Abb. 3). Werden die zwei Lulo-Früchte, die nach 6-tägiger Lagerung gemessen wurden, in diesem Verlauf berücksichtigt, wird der Trend der Zunahme des Redoxpotenzials mit der Lagerungsdauer noch deutlicher (s. Abb. 3). Statistische Unterschiede (ohne 6-tägig gelagerte Früchte) konnten zwischen dem rotorangen Stadium und der 4-tägigen Lagerung jedoch nicht festgestellt werden (s. Tab. 2). Das Zucker/Säure-Verhältnis korrelierte negativ mit dem Redoxpotenzial (Signifikanzwert = 0,017, cor = -0,38) und stieg an, wenn das Redoxpotenzial sank (s. Abb. 3). Für den P-Wert zeigte sich ein ähnlicher Trend wie beim Redoxpotenzial (s. Tab. 2). Die Leitfähigkeit und der pH-Wert waren nicht signifikant vom Reifegrad abhängig (s. Tab. 2). Die niedrigsten Redox-Werte in Lulo-Früchten lagen zwischen 239 und 289 mV. Ihre antioxidative Wirkung ist damit ähnlich wie bei Saft von Tomaten (232–252 mV), Orangen (285–349 mV), Möhren (266–323 mV) oder Birnen (195–331 mV) [9, allerdings unterschiedliche Probenform und Messperiode]. Auch in anderen Studien wurde eine hohe antioxidative Wirkung der Lulo-Frucht (z.B. höher als bei Bananen, Kiwis, Nektarinen, Ananas und ähnlich hoch wie bei Grapefruit, Orange, Pfirsich, Birne) über die Messung des H-ORAC bzw. ORAC-Wertes nachgewiesen [5, 8 und darin zitierte Literatur]. Zusammen mit den hervorragenden geschmacklichen Eigenschaften ist der Lulo damit ein hohes Potenzial auf dem europäischen Markt zuzutrauen, sowohl als Frischobst als auch für mögliche Zubereitungen, z.B. als Getränk [vgl. 5, 6]. Zudem wäre eine Nutzung von Lulo-Früchten oder deren Verarbeitungsrückstände als natürliche Quelle für Antioxidantien in der Nahrungsmittel- und Kosmetikindustrie oder in der Pharmazie denkbar [14].

Höchster gesundheitlicher Wert zur Vollreife

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Lulo erst ab dem Zeitpunkt des Fruchtfalles die so genannte Genussreife mit dem höchsten Gesundheitswert (d.h. höchste antioxidative Kapazität) erreicht [vgl. 3, 9]. Dies wurde auch durch das ansteigende Zucker/Säure-Verhältnis, welches im Obstbau häufig als Reifeindex herangezogen wird, bestätigt [11, 15]. Damit zeigte sich in dieser Studie, wie auch in der an Äpfeln [3], dass niedrige Redox-Werte mit der Genussreife korrelieren und damit als Reifeindikator herangezogen werden können. Tendenziell (aber nicht signifikant) stieg das antioxidative Potenzial während einer 2-tägigen Lagerung sogar weiter an. Eine längere Lagerungsdauer lässt allerdings einen voranschreitenden Abbau der Sekundären Pflanzenstoffe und damit sinkenden Gesundheitswert vermuten, was sich bereits nach 4 und insbesondere nach 6 Tagen Lagerung durch ansteigende Redox-Werte andeutete [vgl. 3, 9]. In der Tat ist bekannt, dass reife Lulo-Früchte nicht lange lagerfähig sind und daher angestrebt werden sollte, die Ernte bzw. die Lagerungsbedingungen für diese Frucht zu optimieren [6, 7]. Eine weitere Möglichkeit wäre es, die vollreifen Früchte sofort nach der Ernte zu verarbeiten. Neue schonende Aufbereitungs- und Konservierungsmaßnahmen (z.B. Frostung, Trocknung) könnten dabei helfen, einen optimalen Gesundheitswert zu garantieren. n

Danksagung

Die Autoren möchten sich bei SI Analytics für die gebührenfreie Benutzung des Redoxpotenzialmessgerätes bedanken, wodurch diese Studie erst ermöglicht wurde. Danken möchten sie auch dem gesamten Team des Forschungszentrums Bio-Makromoleküle (Universität Bayreuth), besonders PD Dr. Stephan Schwarzinger und Felix Brauer, sowie den Gärtnern des ÖBG. Vielen Dank an die Europäische Union (Europäischer Fonds für regionale Entwicklung, Ziel 3 Freistaat Bayern – Tschechische Republik"), dem Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit, der Oberfrankenstiftung, Carl-August Heinz Stiftung und Simon-Nüssel-Stiftung für finanzielle Unterstützung.

Literatur

[1] Bartels J, Groot M, Kyriakidi A, van der Lans I, 2008. A qualitative analysis on trends in fruit consumption in four European countries. In Scripta Horticulturae, Vol. 8, International Society for Horticultural Science (ISHS), Leuven, Belgium, 19–25

[2] Briz T, Sijtsema SJ, Jasiulewicz A, Kyriakidi A, Guàrdia MD, van den Berg I, van der Lans IA, 2008. Barriers to fruit consumption: Driving forces behind consumer behaviour. In Scripta Horticulturae, Vol. 8, International Society for Horticultural Science (ISHS), Leuven, Belgium, 7–18

[3] Hoffmann M, Wolf G, Staller B, 2007. Lebensmittelqualität und Gesundheit. Bio-Testmethoden und Produkte auf dem Prüfstand. Baerens & Fuss, Schwerin

[4] Ad Hoc Panel of the Advisory Committee on Technology Innovation, Board on Science and Technology for International Development, National Research Council, 1989. Lost crops of the Incas: Little-known plants of the Andes with promise for worldwide cultivation. National Academy Press, Washington, D.C.

[5] Gancel AL, Alter P, Dhuique-Mayer C, Ruales J, Vaillant F, 2008. Identifying carotenoids and phenolic compounds in naranjilla (Solanum quitoense Lam. var. Puyo hybrid), an Andean fruit. J. Agric. Food Chem. 56, 11890–11899

[6] Sabbe S, Van Damme P, Verbeke W, 2013. European market environment for selected Latin American tropical fruit species. Acta Hortic. 975, 615–623

[7] Morton JF, 1987. Naranjilla. In: Fruits of warm climates. Ed. by Morton JF, Creative Resource Systems, Winterville, N.C., 425–428

[8] Acosta O, Pérez AM, Vaillant F, 2009. Chemical characterization, antioxidant properties, and volatile constituents of naranjilla (Solanum quitoense Lam.) cultivated in Costa Rica. Arch Latinoam Nutr 59, 88–94

[9] Hoffmann M, 2005. Lebensmittel und Ernährung aus elektrochemischer Sicht. Die bioelektronischen Zusammenhänge zwischen Produktion, Qualität und Gesundheit von Lebensmitteln. Ernährung/Nahrungsergänzung 05, 22–25

[10] Hoffmann M, Staller B, 2004. Lebensmittelqualität – elektrochemisch betrachtet. Ernährung im Fokus 4, 1–4

[11] OECD, 2005. Leitfaden zu objektiven Testmethoden zur Bestimmung der Qualität von Obst und Gemüse sowie Trocken- und getrockneten Erzeugnissen. Internationale Normung von Obst und Gemüse, www.ble.de/SharedDocs/Downloads/02_Kontrolle/01_Qualitaetskontrolle/02_VermarktungsnormenObstGemuese/LeitfadenQBestObstGemuese.pdf?__blob=publicationFile

[12] Pinheiro J, Bates D, 2009. R-Paket „nlme“, Version 3.1-117

[13] Hothorn T, Bretz F, Westfall P, 2008. Simultaneous inference in general parametric models. Biom. J. 50, 346–363

[14] Cerón IS, Higuita JCV, Cardona CA, 2010. Capacidad antioxidante y contenido fenólico total de tres frutas cultivadas en la región andina. Vector 5, 17–26

[15] Kader AA, 1999. Fruit maturity, ripening, and quality relationships. Acta Hortic. 485, 203–208

* J. Messinger, E. Zilling, M. Hoffmann, M. Lauerer: Ökologisch-Botanischer Garten, Universität Bayreuth, 95440 Bayreuth, E-Mail: jana.messinger@uni-bayreuth.de

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