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Mikroplastik automatisiert analysieren Mit Raman-Spektroskopie analysieren, was wirklich zählt

Ein Gastbeitrag von Dr. Ingo Reese, 
Horiba Jobin Yvon Lesedauer: 7 min |

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Neue EU-Richtlinien fordern künftig die Überwachung von Trinkwasser auf Mikroplastikpartikel; weitere Getränke oder Lebensmittel könnten folgen. Mittels Raman-Spektroskopie lassen sich Partikel mit einer Größe von unter einem Mikrometer automatisiert analysieren – und zwar gezielt ausgewählte Teilchen.

Abb.1: Gezielt – Mit der geeigneten Software lassen sich einzelne Partikel per Ramanspektroskopie analysieren.
Abb.1: Gezielt – Mit der geeigneten Software lassen sich einzelne Partikel per Ramanspektroskopie analysieren.
(Bild: © SIV Stock Studio - stock.adobe.com)

Obwohl Mikroplastik bereits überall auf dem Planeten zu finden ist, gibt es keine einheitliche, wissenschaftliche Definition dieses Begriffes. Klar ist aber: Die winzigen Kunststoffpartikel sind längst bis in die entlegensten Winkel des Planeten vorgedrungen. Mikroplastik (MP) befindet sich im Wasser, in der Luft, in den Böden – das Alfred-Wegener-Institut hat 2021 sogar in der Arktis Partikel nachgewiesen. Damit hat Mikroplastik das Potenzial, Schäden in der Umwelt anzurichten und auch die Gesundheit des Menschen negativ zu beeinflussen.

Neue EU-Richtlinien zur Analyse erwartet

Die EU ist sich des Problems bewusst, daher erlässt die EU-Kommission so genannte Durchführungsrechtsakte zur Festlegung und Aktualisierung einer Beobachtungsliste für Stoffe oder Verbindungen, die aus Sicht der Wissenschaftsgemeinschaft gesundheitlich bedenklich sind. Bis Januar 2024 wird Mikroplastik in diese Beobachtungsliste aufgenommen. Die Kommission legt zudem technische Leitlinien hinsichtlich der Analyseverfahren zur Überwachung fest, einschließlich Nachweisgrenzen, Parameterwerten und Häufigkeit der Probennahmen; gegebenenfalls wird ein mögliches Analyseverfahren angegeben.

Für Auftrags- und Qualitätssicherungslabore kommen damit zukünftig neue Pflichten. Zunächst gilt die Richtlinie (2020/2184) zwar nur für Trinkwasser, denkbar ist jedoch, dass künftig weitere Lebensmittel und Getränke beobachtet werden müssen. Wasserversorger (und später ggf. Lebensmittelhersteller) müssen also bald ihre Produkte auf Mikroplastik untersuchen bzw. untersuchen lassen.

Das Problem Mikroplastik

Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) definiert Mikroplastik als feste und unlösliche synthetische Polymere, die kleiner als fünf Millimeter sind. Zusätzlich wird unterschieden zwischen sekundärem Mikroplastik, das durch die Zersetzung größerer Kunststoffteile entsteht, sowie primärem Mikroplastik, das bereits als solches freigesetzt wird. Laut Schätzungen des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik, gelangen in Deutschland jährlich 330.000 Tonnen primäres Mikroplastik in die Umwelt, also rund vier Kilogramm pro Kopf. Unter den angenommenen Quellen steht Reifenabrieb mit 28 Prozent an erster Stelle. [1] In einer Studie hat der NABU festgestellt, dass in Deutschland 977 Tonnen Mikroplastik und nahezu 47.000 Tonnen gelöste Polymere allein aus Kosmetikprodukten sowie Wasch-, Putz- und Reinigungsmitteln ins Abwasser gelangen. [2] In der Textilindustrie ist die Atemluft oft mit Mikroplastikpartikeln belastet, die tief in die Lunge eindringen können.

[1] Pressemeldung: www.umsicht.fraunhofer.de/de/presse-medien/pressemitteilungen/2018/konsortialstudie-mikroplastik.html, Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT, 10. Juli 2018

[2] Meldung: Mikroplastik in Kosmetik und Putzmitteln – NABU fordert EU-Verbot, Naturschutzbund Deutschland

Analysemethoden

Mit Inkrafttreten der neuen EU-Regularien werden die betroffenen Unternehmen die Analyse vermutlich zunächst an Analytikdienstleister auslagern. Wegen der auf Dauer hohen Kosten kann sich jedoch der Aufbau eines eigenen Labors mit den entsprechenden Raman-Spektroskopen lohnen. Mit den Geräten lassen sich sowohl Feststoffe als auch filtrierte Flüssigkeiten untersuchen, dazu gehören Trinkwasser, in Flaschen abgefüllte Getränke jeglicher Art, Meer- oder Flusswasser.

Bislang werden zur chemischen Analyse von Partikeln meist FTIR(Fourier-Transformations-Infrarot)-Spektrometer eingesetzt. Nachteil der häufig verwendeten Infrarot-Spektroskopie ist die relativ geringe Auflösung: Partikel mit einer Größe unter 10 µm lassen sich mit der Technik nur sehr schwer analysieren. Das Problem: Gerade jene Partikel, die der Körper aufnehmen kann und die dem Menschen gesundheitlich gefährlich werden können, sind kleiner als 10 µm. Analysen mit der Gaschromatografie haben dafür den Nachteil, dass zwar die Bestandteile der Probe gemessen werden können, nicht aber die Anzahl und Größe der MP-Partikel. Die Größe ist jedoch das wichtige Kriterium.

Um den steigenden Anforderungen für die Analyse immer kleiner werdender Partikel begegnen zu können, benötigen Labore hochauflösende, automatisierte Analysegeräte. Schon heute analysieren Lebensmittelhersteller auf freiwilliger Basis Getränke mit Raman-Spektrometern von Horiba auf Mikroplastik. In Meeresforschungsinstituten und in der Kosmetikindustrie werden die Geräte eingesetzt; in der Medizintechnik lassen sich damit MP-Partikel im Blut oder im Gewebe nachweisen.

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Die Raman-Spektroskopie ermöglicht Messungen bis in den Bereich von 500 nm. Horiba hat mehrere Geräte im Portfolio, die diese hohe Auflösung bieten, zwei davon eignen sich besonders für die MP-Analyse.

Das Xplora Plus wurde für Routinemessungen entwickelt. Hier können Anwender je nach Einsatzgebiet zwischen Wellenlängen von 532, 638 oder 785 nm wählen. Eine kürzere Wellenlänge liefert ein stärkeres Signal, jedoch nimmt die Häufigkeit von Fluoreszenz zu.

Das LabRAM Soleil bietet zusätzlich noch drei weitere Wellenlängen (325, 405, 473 nm), das gewährleistet optimale Ergebnisse und minimiert Fluoreszenzinterferenzen bei einer Vielzahl von Probentypen. Es eignet sich damit besonders für anspruchsvollere Forschungsaufgaben und variable Anwendungen, bei denen eine größere Flexibilität benötigt wird.

Anwendung und Probenpräparation

Für die Analyse müssen die Proben zunächst präpariert werden. Dafür hat Horiba ein Filterkit entwickelt, mit dem sich Proben in wenigen Minuten vorbereiten lassen. Auf einen Erlenmeyerkolben wird ein Aufsatz gesteckt, auf dem zwischen zwei Dichtungen der etwa fingernagelgroße Silikonfilter liegt. Mittels einer Klemme wird ein Glastrichter darüber fixiert, in den die zu analysierende Flüssigkeit gegossen wird. Eine Vakuumpumpe erzeugt im Glaskolben einen Unterdruck und zieht die Flüssigkeit durch den Silikonfilter, Fremdstoffe bleiben auf dem Filter hängen. Das können Sand, Quarz, Staub, Salz oder eben MP-Partikel sein.

Abb.2: MP-Filter: Gemessene und chemisch identifizierte Partikel
Abb.2: MP-Filter: Gemessene und chemisch identifizierte Partikel
(Bild: Horiba)

Mit einem eigens entwickelten Filterhalter lassen sich bis zu drei Filter gleichzeitig aufnehmen. Diese werden jeweils mit zwei Schrauben im Halter fixiert, bevor er in das Spektroskop eingesetzt wird. Bei mehreren hunderten oder tausenden Partikeln (s. Abb. 2) ist es aber praktisch unmöglich, alle einzeln zu analysieren – es braucht eine Automatisierung.

Mikroplastik automatisch analysieren

Die vollautomatische Analyse kann je nach Beladung mehrere Stunden dauern; nach Abschluss der Analyse eines Filters startet die Software automatisch die Analyse des nächsten Filters. Diese Stapelverarbeitung spart viel Zeit, da über Nacht drei Filter vollständig untersucht werden können. Das LabRAM Soleil ermöglicht so einen 24-Stunden-Betrieb mit lediglich minimalen Eingriffen des Bedienpersonals.

Speziell für die Analyse von Mikroplastik hat Horiba die Software „Particle Finder“ weiterentwickelt. Sie vergleicht vollautomatisiert die gemessenen Spektren mit umfangreichen Bibliotheken und liefert präzise Informationen darüber, um welchen Stoff es sich handelt und in welcher Größe und Anzahl die Partikel vorliegen.

Die Partikelanalyse erfolgt in fünf Schritten

Abb.3: MP-Videoimage. l.: Auflicht-Mikroskopbild des beladenen Filters; r.: Dunkelfeld-Beleuchtung
Abb.3: MP-Videoimage. l.: Auflicht-Mikroskopbild des beladenen Filters; r.: Dunkelfeld-Beleuchtung
(Bild: Horiba)

  • 1. Bildgenerierung: Nach Einlegen der Filter in das Spektroskop wird zunächst ein Videobild erzeugt, auf dem die Partikelpositionen hervorgehoben sind (s.  Abb. 3).
  • 2. Schwelleneinstellung: Um eine aussagekräftige Lokalisierung zu gewährleisten, lassen sich morphologische Filterwerkzeuge aktivieren; so lassen sich beispielsweise nur Partikel unterhalb einer bestimmten Größe anzeigen.
  • 3. Charakterisierung: Sobald die Partikel erkannt sind, berechnet die Software Form und Größe jedes Partikels; in einem Histogramm werden anschließend Fläche, Umfang, Position auf dem Filter, Helligkeit und weitere Parameter dargestellt.
  • 4. Auswahl: „Particle Finder“ bietet ein breites Spektrum an Einstell- und Analysemöglichkeiten. Anwender können wählen, ob der ganze Filter gescannt werden soll oder nur ein bestimmter Ausschnitt. Auch eine zufällige Auswahl mit Einstellung einer Anzahl ist möglich: Dann werden beispielsweise 1.000 Partikel analysiert, das Ergebnis ist eine gute Zusammenfassung über die Zusammensetzung der untersuchten Probe. Jede Einstellung lässt sich speichern und für neue Analysen immer wieder aufrufen. Der messbare Partikelgrößenbereich reicht von etwa 500 nm bis zu 30 mm, bei Konzentrationen von 1 ppm bis 50 Vol.-%, wobei die Formbestimmung ab 1 µm möglich ist.
  • 5. Raman-Analyse: Erst wenn die Partikel lokalisiert und die Filter entsprechend ausgewählt sind, folgt die Raman-Analyse, (s. Abb. 4). Grundsätzlich werden alle detektierten Partikel für die Analyse ausgewählt. Es ist jedoch möglich, nach Parametern zu filtern und nur solche Partikel zu analysieren, die beispielsweise einer bestimmten Form oder Größe entsprechen.

Abb.4: MP-Spektren: Zugehörige Raman-Spektren der Polymere
Abb.4: MP-Spektren: Zugehörige Raman-Spektren der Polymere
(Bild: Horiba)

Nach der Raman-Analyse werden die Daten automatisch mit den einzelnen Partikeln im Binärbild verknüpft. Die Spektren können per Mausklick in die „Know It All“-Bibliothek von Wiley der Horiba-Edition exportiert werden, um einen erweiterten Abgleich mit bekannten Materialien durchzuführen. Die Software zeigt alle enthaltenen Stoffe im Spektrum an, das können beispielsweise Polyethylen (PE), gefärbtes PE, Polypropylen oder Silikon sein; jedes Material lässt sich einzeln ab- oder anwählen, sodass ausschließlich das jeweilige Material dargestellt wird (s. Abb. 5).

Abb.5: MP-Auswertung: Statistik der unterschiedlichen Mikroplastik-Partikel
Abb.5: MP-Auswertung: Statistik der unterschiedlichen Mikroplastik-Partikel
(Bild: Horiba)

Im Histogramm ist die Anzahl der jeweiligen Partikel je Material sichtbar, auch die Anzahl der Partikel in einem bestimmten Größenbereich lässt sich darstellen. So können beispielsweise nur PE-Partikel in der Größe zwischen 80 und 150 µm angezeigt werden. Nach der Analyse lassen sich die Ergebnisse in einem Report übersichtlich darstellen.

Zusammenfassung und Ausblick

Es ist davon auszugehen, dass in der EU künftig neben Trinkwasser auch weitere Lebensmittel (Getränke) auf Mikroplastik untersucht werden müssen. Dank der hohen Auflösung von bis zu 250 nm respektive 500 nm sind Qualitätskontrolllabore mit dem LabRAM Soleil und dem Xplora Plus optimal für die MP-Analyse ausgestattet; auch in der Medizin- oder Kosmetikindustrie kommen die Geräte zum Einsatz. Dank der Filterfunktion in der Software werden nur tatsächlich relevante Partikel analysiert, die umfangreiche Spektrenbibliothek liefert präzise Aussagen über die detektierten Materialien. Die Automatisierung und die Möglichkeit der Stapelverarbeitung von bis zu drei Filtern nacheinander spart Arbeitszeit, da die Filter ohne Bedienereingriff über Nacht analysiert werden können. Mit beiden Geräten sind Anwender optimal gerüstet für kommende Gesetzgebungen und verpflichtende Analysen.

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