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FTIR-Analytik Mikroplastik in Tieren und Umwelt nachweisen – aber korrekt

Ein Gastbeitrag von Mats Bohnsack*

Mikroplastik findet sich heute in den entlegensten Winkeln unserer Erde. Doch die kleinen Partikel korrekt nachzuweisen, stellt die instrumentelle Analytik vor Herausforderungen. Zwei Anwendungsbeispiele zeigen, wie sich kleine und große Mikroplastikteilchen mittels FTIR-Analytik detektieren lassen.

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Abb. 1: Mikroplastik findet sich nahezu ubiquitär, der korrekte Nachweis ist trotzdem eine analytische Herausforderung.
Abb. 1: Mikroplastik findet sich nahezu ubiquitär, der korrekte Nachweis ist trotzdem eine analytische Herausforderung.
(Bild: ©SIV Stock Studio - stock.adobe.com)

Plastik und dessen Erzeugnisse kommen in vielfältiger Form im Alltag vor: als Verpackungen, Gebrauchswaren, Textilien, in Elektronik, Industriemaschinen oder im Bausektor, um nur einige zu nennen. Die globale Plastikproduktion nimmt dabei von Jahr zu Jahr zu; 2020 waren es weltweit 367 Mio. Tonnen. Die Nutzungsdauer von Kunststoffprodukten reicht durchschnittlich von einem halben Jahr bis zu 35 Jahren, während die Abbauzeiten von Plastik in der Umwelt auf bis zu mehrere tausend Jahre geschätzt werden – v. a. im Meer ist das ein Problem. Mikroplastik ist demnach ein globales Thema, das auch zukünftige Generationen weiter beschäftigen wird.

Mikroplastik – was ist das eigentlich?

Aktuell definiert man Kunststoffteilchen mit einem Format von 1 μm bis 5 mm als Mikroplastik. Diese festen Partikel sind in Wasser unlöslich und haben eine regelmäßige oder unregelmäßige Form. Weiter wird in zwei Kategorien unterschieden: die Large Microplastics haben Maße von 1 bis 5 mm, und die Small Microplastics bewegen sich im Bereich zwischen 1 μm und 1 mm. Die kleinen Mikroplastikteilchen sind sehr mobil und finden sich inzwischen fast überall auf dem Globus: in der Antarktis und in der Tiefsee, in den entlegensten Winkeln der Erde. Mikroplastik verteilt sich über die Luft, Meeresströmungen und durch Regen in Flüsse und Seen.

Die kleinen Partikel korrekt nachzuweisen, stellt die instrumentelle Analytik vor verschiedenste Herausforderungen. Dieser Artikel zeigt zwei praxisnahe Beispiele der FTIR-Analytik von Umwelt-Mikroplastikproben in Millimeter- und Mikrometer-Größenordnungen. Im ersten Fall wurden die Plastikproben an der Küste gesammelt, im zweiten Fall wurden Polardorsch und Tiefseeflohkrebse untersucht.

Fall 1: Umweltverwitterte Mikroplastikproben

Für die Identifikation eines Polymertyps in einer Plastikprobe hat sich die Fourier-Transformation-Infrarot-Spektroskopie (FTIR) bereits als weitverbreitete Routinemethode etabliert. Insbesondere mit der abgeschwächten Totalreflexions-Methode (ATR) lassen sich Plastikproben schnell und einfach analysieren. Dabei wird die Probe mit einem ATR-Kristall in Kontakt gebracht, das Infrarotlicht an der Probenoberfläche reflektiert und anschließend zum Detektor weitergeleitet. Auf diese Weise sind FTIR-Spektren von Feststoff-Oberflächen und Flüssigkeiten innerhalb von wenigen
Sekunden mit minimaler Probenvorbereitung möglich. Einzelne Substanzen in der Probe lassen
sich anschließend mit Spektren-Datenbanken automatisch identifizieren.

Werden jedoch Plastikproben aus der Umwelt analysiert, kann es insbesondere durch UV-Bestrahlung zuvor zur Verwitterung der Probe gekommen sein. UV- und thermisch induzierte Degradation von Plastik beginnt mit der Bildung von kohlenstoffzentrierten Radikalen aufgrund der Dissoziation von Kohlenstoff-Wasserstoff-Bindungen. Wenn diese Radikale mit Luftsauerstoff reagieren, entstehen neben inerten Verbindungen aus Radikalpaaren auch weitere reaktive Radikal-Verbindungen. Diese Kettenreaktion von Aufbrechen und Vernetzen chemischer Verbindungen hat das Altern des Plastiks zur Folge [1].

Diese oxidative Alterung des Plastiks geht mit teils drastischen Änderungen im FTIR-Spektrum einher. Werden die erhaltenen Spektren von degradierten Plastikproben mit herkömmlichen Spektren-Datenbanken verglichen, kann es deshalb leicht zu einer falschen oder unklaren Zuordnung kommen.

Aus diesem Grund bietet Shimadzu Spektren-Datenbanken von UV- und thermisch beschädigtem Plastik an. Die UV-Damaged Plastics Library enthält über 200 Spektren von 14 verschiedenen Plastikarten, die mit einem Äquivalent von bis zu zehn Jahren Sonneneinstrahlung belastet wurden. Die Thermal-Damaged Plastics Library enthält über 100 Spektren von 13 verschiedenen Arten von Plastik, die bei Temperaturen zwischen 200 und 400 °C erhitzt wurden.

Abb. 2: Infrarotspektren von ABS-Harz, das A mit UV-Bestrahlung und B mit Hitze degradiert wurde.
Abb. 2: Infrarotspektren von ABS-Harz, das A mit UV-Bestrahlung und B mit Hitze degradiert wurde.
(Bild: Shimadzu Deutschland)

Abbildung 2 A und B zeigt die Veränderung des FTIR-Spektrums von ABS-Harz als Folge von jeweils UV-Bestrahlung und Hitze. In beiden Fällen kam es zur Ausbildung von O-H- und C=O-Banden aufgrund von oxidativer Alterung. Da die Faktoren, die beiden Arten von Degradation zugrunde liegen, äußerst ähnlich sind [2], zeigen auch die spek­tralen Änderungen große Ähnlichkeiten. Entsprechend kann die Thermal-Damaged Plastics Library zumeist auch für die qualitative Untersuchung von UV-beschädigtem Mikroplastik verwendet werden, wie zwei Mikroplastikproben aus der Umwelt zeigen.

Probenmessung und Zusammenfassung

An einer Küste wurden Plastikproben mit Durchmessern von weniger als 5 mm gesammelt. Zwei Beispielproben wurden mit dem kompakten IR Spirit-T FTIR-Spektrometer von Shimadzu gemessen, mit einem QATR-S (Diamant-Kristall) als Zubehör. Es wurden über 40 Einzelmessungen mit einer spektralen Auf­lösung von 4 cm-1 gemittelt. Zum Einsatz kam die Happ-Genzel-Apodisationsfunktion. Die erhaltenen Spektren sind in Abbildungen 3 A und B gezeigt.

Abb. 3: FTIR-Spektren von an einer Küste eingesammelten Mikroplastikteilchen sowie dazugehörige Suchergebnisse aus der Thermal-Damaged Plastics Library.
Abb. 3: FTIR-Spektren von an einer Küste eingesammelten Mikroplastikteilchen sowie dazugehörige Suchergebnisse aus der Thermal-Damaged Plastics Library.
(Bild: Shimadzu Deutschland)

Im Falle der weißen Mikroplastikprobe in Abbildung 3 A wurde eine gute Übereinstimmung mit Polypropylen (PP) gefunden, das für vier Stunden auf 200 °C erhitzt wurde. Das Spektrum der roten Mikro­plastikprobe in Abbildung 3 B deckt sich mit dem Datenbankspektrum von Polyethylen (PE), für zwei Stunden auf 200 °C erhitzt. Es handelt sich also in beiden Fällen um Mikroplastikproben, die in der Umwelt höchstwahrscheinlich aufgrund von UV-Belastung oxidativ gealtert sind.

Mithilfe der Shimadzu Thermal-Damaged Plastics Library konnten zwei in der Umwelt degradierte Mikroplastikproben eindeutig identifiziert werden. Die erhaltenen Mess-Spektren zeigten deutliche Abweichungen von Polymer-Spek­tren, die in üblichen Libraries hinterlegt sind, und konnten einer oxidativen Alterung der Proben zugeordnet werden. In Fällen, die eine sicherere qualitative Analyse erfordern, empfiehlt es sich, Kunststoff zu messen, der durch UV-Bestrahlung gezielt gealtert wurde, und ihn mit der zu analysierenden Probe zu vergleichen.

2. Fall: Mikroplastik aus Meerestieren

Mikroplastik wird aber nicht nur an die Küsten gespült oder findet sich im Polareis, es breitet sich auch in der tierischen und menschlichen Nahrungskette aus. Beispiele dafür sind der Polardorsch im Arktischen Ozean und der Tiefseeflohkrebs (Ordnung Amphipoda). Um diese Sachlage zu untersuchen, erheben Wissenschaftler weltweit Daten zur Akkumulation von Mikroplastik in Meereslebewesen. Eine Gruppe von Wissenschaftlern der britischen Universität Newcastle und des Forschungsinstituts Wageningen Marine Research in den Niederlanden sammelte dazu den Mageninhalt verschiedener Meerestiere; sie ex­trahierten Mikroplastik mit einer Größenordnung von 100 μm, um die Auswirkungen von Abfall im Meer zu untersuchen [3]. Im folgenden wird eine Beispielanalyse von Mikroplastik mit der Infrarotmikroskopie anhand von Proben gezeigt, die Polardorschen und Tiefseeflohkrebsen entnommen wurden.

Messparameter und Probenvorbereitung

Für die Analytik von Mikroplastik­partikeln in einer Größenordnung von einigen zehn bis hunderten von Mikrometern eignet sich insbesondere die Infrarotmikroskopie. In diesem Experiment wurde das Shimadzu IRTracer-100 FTIR-Spektrometer in Kombination mit dem AIM-9000 Infrarotmikroskop für die Analyse verwendet.

Abb. 4: Aus den Mägen von A einem Polardorsch und B einem Tiefseeflohkrebs entnommene Mikroplastikproben.
Abb. 4: Aus den Mägen von A einem Polardorsch und B einem Tiefseeflohkrebs entnommene Mikroplastikproben.
(Bild: Shimadzu Deutschland)

Die Polardorsch-Probe wurde mithilfe der ATR-Methode analysiert. Dabei wurde über 100 Einzelmessungen gemittelt, wobei die Happ-Genzel-Apodisationsfunktion und eine 25 x 25 µm Apertur verwendet wurde. Im Falle des Tiefseeflohkrebs wurde die Mikroplastikprobe in einer Diamantkompressionszelle eingefasst und in Transmission gemessen. Es wurde mit der Sqr-Triangle-Apodisationsfunktion über 50 Einzelmessungen gemittelt bei einer 15 x 15 µm Apertur. Beide Analysen wurden mit einer spektralen Auflösung von 8 cm-1 durchgeführt. Zur Bereinigung von organischen Rückständen wurden beide Proben im Vorfeld mit einer Kaliumhydroxidlösung gewaschen. Mikroskopische Probenaufnahmen sind in Abbildung 4 gezeigt.

Messergebnisse und Zusammenfassung

Die Messergebnisse sind in Abbildung 5 dargestellt. Im Falle des Polardorschs zeigte sich, dass der Hauptbestandteil des Mikroplastikstücks PMMA (Polymethylmethacrylat) war, und dass Kaolin (Aluminiumsilikat) als Additiv vorkam. PMMA ist ein leichtes Kunstharz mit hoher Belastbarkeit und ausgezeichneter Widerstandsfähigkeit gegen Wetter, Wasser und Stöße. Es wird daher für Alltagsgegenstände und verschiedenste Güter verwendet.

Abb. 5: Infrarotmikroskop-Spektren und dazugehörige Datenbanktreffer der Mikroplastikproben aus A dem Polardorsch und B dem Tiefseeflohkrebs.
Abb. 5: Infrarotmikroskop-Spektren und dazugehörige Datenbanktreffer der Mikroplastikproben aus A dem Polardorsch und B dem Tiefseeflohkrebs.
(Bild: Shimadzu Deutschland)

Die Mikroplastikprobe aus dem Tiefseeflohkrebs bestand hauptsächlich aus einer Mischung aus PE (Polyethylen), CaCO3 (Calciumcarbonat) und Kaolin (Aluminiumsilikat). PE ist ein gängiger Allzweckkunststoff für Verpackungsmaterial und Behälter. Hierbei handelt es sich um eine Kombination von Verbindungen, wie sie häufig in Mikroplastik zu finden ist.

Im Polardorsch sowie dem Tiefseeflohkrebs ließen sich demnach Mikroplastikproben nachweisen. Beide Tierarten leben in schwer erreichbaren Gewässern, die somit auch kaum zugänglich für menschengemachte Meeresverschmutzung sein sollten. Die Untersuchung zeigte, dass selbst diese Lebewesen durch Mikroplastik belastet sind. Die Messungen ergaben auch, dass bei der Analyse von Mikroplastik­partikeln in Größenordnungen von einigen zehn bis zu hunderten von Mikrometern Plastik- und Additivbestandteile schnell mithilfe der Infrarot-Mikroskopie bestimmt werden können. Diese ermöglicht die qualitative Bestimmung von organischen und teils auch anorganischen Stoffen, wie sie zumeist in Mikroplastikproben vorkommen.

Literatur:

[1] Hiroshi Yamanoi (2007), The Mechanisms of Polymer Degradation Discoloration and Stabilization, Journal of the Materials Life Society, Japan, 19(3), 103-108.

[2] Yoshio Oki (1973), Degradation of Plastic Materials, Journal of the Metal Finishing Society of Japan, 24(4), 229-238.

[3] In every ocean, at every depth – microfibers and microplastics Micro FTIR analysis of smallest particles from deep sea to polar ice, Susanne Kühn, Wageningen Marine Research, The Netherlands Alan Jamieson, Newcastle University, Great Britain Robert Keighley, SUK, Great Britain; Marion Egelkraut-Holtus, Shimadzu Europa GmbH, Germany, SHIMADZU NEWS, 2. 2018

* M. Bohnsack, Shimadzu Deutschland GmbH 47269 Duisburg

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