Fixierung durch Agglomeration Mikroplastik mit Hybridkieselgelen aus Wasser entfernen
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Aus Mikro wird Makro: Ein neues Verfahren entfernt Mikroplastik nachhaltig, einfach und kostengünstig aus Wasser – durch Agglomeration. Dazu verwendet es speziell entwickelte, umweltfreundliche Hybridkieselgele, welche im Verlauf des Entfernungsprozesses mit Mikroplastik zu Feststoffen reagieren. Das Verfahren ist modular aufgebaut, skalierbar sowie adaptiv anpassbar an verschiedenste Belastungssituationen, Umgebungen und Voraussetzungen.

Mikroplastik ist ein globales Umweltproblem. Insbesondere die aquatische Umwelt ist davon betroffen. Besonders problematisch: Einmal in der Umwelt angelangt, ist Plastik nur noch mühsam und Mikroplastik fast unmöglich zu entfernen. Was also tun? Das komplette Meer, alle Seen und Flüsse einmal „durchfiltern“? Das ist nicht möglich. Daher ist es extrem wichtig, den Eintrag von Plastik so gut es geht zu vermeiden bzw. zu verringern.
Um Einträge zu verhindern und die Funktion von mikroplastiksensitiven Wassernutzungsprozessen sicherzustellen, ist es nötig, Mikroplastik aus dem Wasser zu entfernen. Herkömmliche Techniken sind hier jedoch ineffizient oder haben zu hohe Energiekosten. Wasser 3.0 PE-X ist eine neu entwickelte Methode, um Mikroplastik mittels Hybridkieselgelen aus dem Wasser zu entfernen. Die speziell entwickelten Hybridkieselgele sammeln das Mikroplastik in großen Agglomeraten und fixieren es chemisch durch einen wasserinduzierten Reaktionsprozess, wodurch es aufschwimmt und einfach von der Wasseroberfläche abgeschöpft werden kann. Die Vielzahl an existierenden Plastiksorten und die verschiedensten Wässer, aus denen Mikroplastik entfernt werden muss, stellen eine große Herausforderung dar, der die vielseitige Stoffgruppe der Hybridkieselgele jedoch durch ihre Anpassbarkeit bestens gewachsen ist.
Das Problem (Mikro) Plastik in der Umwelt
Plastik ist in unserem Alltag kaum noch wegzudenken. Seine vielseitigen Eigenschaften und günstige Herstellung machen es im modernen Leben unersetzlich. Seit dem Beginn der Massenproduktion in den 1950er Jahren steigt der weltweite Plastikverbrauch Jahr für Jahr an (s. Abb. 2). Ein Teil des genutzten Plastiks gelangt immer in die Umwelt. Sei es durch nicht sachgerecht entsorgten Plastikmüll, auf dem Meer verlorene Plastikpellets, Kunstfasern, die sich beim Waschen aus Kleidung lösen, Reifenabrieb oder auf zahlreichen anderen Wegen [1].
Plastik ist extrem langlebig und resistent gegenüber Umwelteinflüssen [3]. Der Abbau kann hunderte bis tausende Jahre in Anspruch nehmen, wodurch sich über die Zeit mehr und mehr Plastik in der Umwelt ansammelt. Dort wird es durch Wind, über Flüsse und Seen sowie Meeresströmungen verteilt und ist dadurch heutzutage überall zu finden. Plastik in der Umwelt wird mit der Zeit spröde und zerfällt in immer kleinere Plastikpartikel. Ab einer Größe unter 5 mm spricht man von Mikroplastik, das ein immer größer werdendes Umweltproblem darstellt (s. Abb. 3).
Da Plastik überall in der Umwelt zu finden ist, ist es unumgänglich, dass Organismen mit diesem interagieren. Sie verwechseln es beispielsweise mit Nahrung [4]. Unzählige Studien konnten bereits nachweisen, dass Mikroplastik verschiedenste schädliche Effekte auf Organismen und Ökosysteme hat. Aus der Umwelt gelangt Mikroplastik natürlich auch in die menschliche Nahrung und das Trinkwasser. Bekannte Beispiele sind Meeresfrüchte, besonders Muscheln, Fisch oder auch Meersalz [5]. Welche Auswirkungen dies auf den Menschen hat, ist derzeit noch unzureichend erforscht [6]. Da Mikroplastik jedoch schädlich für zahlreiche Tierarten ist, kann davon ausgegangen werden, dass es sich auch auf Menschen negativ auswirkt.
Plastikeinträge in die Umwelt verringern
Doch wie lässt sich der Eintrag von Plastik in die Umwelt vermeiden bzw. verringern? Dies kann beispielsweise durch eine bessere Aufklärung der Bevölkerung über die Problematiken von Plastik als Umweltschadstoff oder ein verbessertes Müllmanagement geschehen.
Schätzungen zufolge beträgt der Plastikeintrag in die Umwelt in Deutschland im Mittel 5,4 Kilogramm pro Person und Jahr, wovon 1,4 Kilogramm, also 26 Prozent, Makroplastik ist, welches über unsachgerechte Entsorgung in die Umwelt gelangt. Vier Kilogramm, also 74 Prozent, werden als Mikroplastik in die Umwelt eingetragen [7]. Um dies zu vermeiden oder mindestens zu reduzieren, ist es wichtig, Punktquellen zu erkennen und gegen diese vorzugehen.
Wo macht es Sinn, Mikroplastik zu entfernen?
Wichtige Punktquellen, über die Mikroplastik in die Umwelt gelangt, sind Straßenentwässerungssysteme, insbesondere Retentionsfilterbecken, welche bei Regenabfluss große Mengen Reifenabrieb von den Straßen spülen [8]. Auch industrielle Abwässer, besonders in der Plastikindustrie, können stark mit Mikroplastik kontaminiert sein. Aber auch kommunale Kläranalgen sind wichtige Punktquellen für einen Mikroplastik-Eintrag in die Umwelt. Häusliche Abwässer sind durch Plastikabrieb und durch kunststoffbasierte Kleidungsfasern, welche sich beim Waschen aus der Kleidung lösen, extrem hoch mit Mikroplastik belastet. Auch wenn Kläranlagen bestimmte Anteile des Mikroplastiks entfernen können, ist die Restbelastung dennoch so hoch, dass sie in Kombination mit den abgeführten hohen Abwassermengen zu einem erheblichen Eintrag von Mikroplastik in die Umwelt führen.
Wieso werden Einträge derzeit nicht verhindert?
Das Problem ist einfach: Es gibt derzeit weder gesetzliche Regularien, Mikroplastikeinträge zu verhindern, noch effiziente und kostengünstige bzw. energieeffiziente Möglichkeiten, Mikroplastik gänzlich aus dem Wasser zu entfernen. Entsprechende Gesetze und Grenzwerte würden Betreiber daher vor unlösbare Aufgaben stellen.
Eine Mikroplastikentfernung ist auch in verschiedenen Wassernutzungsprozessen sinnvoll [8]. Ein Beispiel sind Prozesse der Nahrungsmittelgewinnung, beispielsweise Meersalz. Dabei wird zunächst salzhaltiges Meerwasser in große Becken geleitet. Mit der Zeit verdampft das Wasser und das Salz bleibt zurück, inklusive dem im Meerwasser enthaltenen Mikroplastik. Wird dies als Speisesalz verwendet, gelangt es auf direktem Weg in die menschliche Nahrung.
Aber auch in technischen Wassernutzungsprozessen, bei welchen Mikroplastik stören kann, ist eine Entfernung sinnvoll. Ein Beispiel ist hier die membranbasierte Meerwasserentsalzung, welche besonders in wasserarmen Gebieten immer mehr an Bedeutung gewinnt. Hier wird Wasser mit viel Druck durch Membranen gepresst, welche nur für Wassermoleküle durchlässig sind, nicht aber für das enthaltene Salz. Mikroplastik führt dazu, dass diese Membranen verstopfen. Dies zieht hohe Betriebs- und Wartungskosten und den Einsatz von weiteren Chemikalien mit sich, die wiederum einen Einfluss auf die Wasserqualität und die Umweltwirkung haben.
Warum braucht es neue Methoden?
Das erste woran man beim Entfernen von Mikroplastik aus Wasser denkt, ist wohl Filtration [8]. Doch die ist nicht so einfach. Umso kleiner die Partikel werden, die aus dem Wasser gefiltert werden sollen, umso höher ist der technische Aufwand. Es wird mehr Druck benötigt, um das Wasser durch die kleinen Poren zu pressen und ein Verstopfen zu verhindern. Somit steigen die Energiekosten. Um Plastik im Mikro- und Nanometerbereich effizient abtrennen zu können, braucht es eine Membranfiltrationsanlage. Hier gibt es zusätzlich das Problem, dass die Poren durch verschiedenste Ablagerungen auf der Membran mit der Zeit verstopfen. Auch ein Bakterienbewuchs, die Ausbildung eines so genannten Biofilms, wird bei lang anhaltendem Betrieb zum Problem.
Eine Möglichkeit, um die Effizienz bei der Filtration von Feststoffen zu erhöhen, ist die Zugabe von Flockungsmitteln [8]. Diese interagieren mit der Oberfläche der abzutrennenden Partikel, führen dazu, dass sich diese zusammenlagern, so ihre Größe erhöhen und dadurch einfacher abzutrennen sind. Jedoch hat Plastik hier das Problem, dass es unzählige Plastiksorten mit unzähligen Stoffeigenschaften und somit auch stark variierende Oberflächenchemie gibt (s. Abb. 4). Hier ein geeignetes Flockungsmittel zu finden, welches für alle Plastikarten funktioniert, ist schwierig und bis dato nicht gelungen. Die meisten Flockungsmittel sind eisen- oder aluminiumbasiert und daher in ihrer Anpassbarkeit begrenzt. Polyelektrolytbasierte Flockungsmittel sind variabler, haben aber das Problem, dass sie durch ihre Wasserlöslichkeit in die Umwelt eingetragen werden und dort schädliche Effekte zeigen können.
Neue Methode mit hohem Potenzial
Erkennend, dass herkömmliche Technologien den aktuellen Problemstellungen der Wasser- und Abwasseraufbereitung, wie der Entfernung von Mikroplastik, nicht gewachsen sind, beschäftigt sich das Projekt Wasser 3.0 seit 2012 mit neuen Ansätzen zur Entfernung von Schadstoffen und Mikroschadstoffen aus Wasser [9]. Wasser 3.0 PE-X ist eine dabei entstandene neuartige Methode, um Mikroplastik effizient und nachhaltig aus dem Wasser zu entfernen [10–13].
Dabei werden mikroplastikkontaminiertem Wasser Hybridkieselgele zugegeben, welche sich an die kleinen Plastikpartikel anhaften und es in großen Agglomeraten sammeln. Die Hybridkieselgele verfügen über eine hohe Reaktivität, welche nach der Zugabe in Wasser zum Tragen kommt. In einem wasserinduzierten Reaktionsprozess verknüpfen sich die Hybridkieselgele miteinander und bilden somit einen Feststoff aus, welcher das zuvor gesammelte Mikroplastik in den Agglomeraten einschließt und somit fixiert. Diese großen Agglomerate schwimmen auf und lassen sich einfach aus dem Wasser abschöpfen. Im Technikumsmaßstab konnte dies das erste mal bereits 2017 erfolgreich erprobt werden [11].
Seitdem wird die Methode kontinuierlich weiterentwickelt und unter wissenschaftlicher Begleitung pilotiert. Herausforderungen gibt es viele, Hybridkieselgele müssen beispielsweise fähig sein, die bereits zuvor beschriebene Vielzahl an unterschiedlichsten Plastiksorten (<200) agglomerieren zu können. Eine weitere Herausforderung sind die verschiedenen Wasserzusammensetzungen, in denen der Prozess stattfinden soll. Ob in kommunalem Abwasser, industriellem Prozesswasser oder Meerwasser – die jeweiligen Eigenschaften des Wassers beeinflussen die Reaktivität der Hybridkieselgele.
Hybridkieselgele – modular und anpassungsfähig
Hybridkieselgele sind eine umfassende chemische Substanzklasse, welche eine hohe Variabilität und einfache chemische Modifizierbarkeit aufzeigt. Diese Diversität bedeutet für Wasser 3.0 PE- X – als neues Verfahren – ein enormes Potenzial, die genannten Herausforderungen zu bewältigen.
Hybridkieselgele besitzen ein zentrales Siliziumatom, an welches reaktive und organische Gruppen gebunden sind. Die organische Gruppe führt zu der Interaktion mit der Oberfläche von Mikroplastik und ermöglicht die Anhaftung an dieses. Somit kann über die Wahl der organischen Gruppe eine Anpassung an verschiedenste Plastiksorten erfolgen, um diese möglichst effizient zu entfernen [13]. Für den praktischen Einsatz können so anwendungsspezifische Mischungen, angepasst an die jeweilige Mikroplastikbelastung, hergestellt werden.
Um eine optimale Agglomerations-Fixierung bzw. Mikroplastikentfernung zu erhalten, ist es zusätzlich essenziell, eine optimale Balance zwischen Agglomeration und Fixierungsgeschwindigkeit zu erhalten. Über die Wahl der reaktiven Gruppen wird die Geschwindigkeit der Fixierung der Mikroplastikagglomerate beeinflusst. Die
Fixierungsgeschwindigkeit hängt zusätzlich von der Wasserzusammensetzung ab. Eine Anpassung an verschiedenste Einzugsgebiete, beispielsweise Industrieabwässer, kann somit über die reaktiven Gruppen erfolgen. Die Vielzahl der vorhandenen Hybridkieselgele in Kombination mit ihrer einfachen chemischen Modifizierbarkeit eröffnet unendliche Möglichkeiten.
Hybridkieselgele – ist ihr Einsatz unbedenklich?
Der große Vorteil bei der Anwendung von Hybridkieselgelen zur Mikroplastikfixierung liegt darin, dass sie durch den zuvor beschriebenen wasserinduzierten Reaktionsprozess abreagieren und zu einen Feststoff werden. Somit kann sichergestellt werden, dass keinerlei Hybridkieselgele mehr in Lösung vorliegen, was ein Gefährdungspotenzial ausschließt.
Nachgewiesen und kontrolliert wird dies mittels DOC (Dissolved Organic Carobon) Messung. Diese Messmethode kann schnell und einfach gelösten organischen Kohlenstoff im Wasser quantifizieren. Da die Hybridkieselgele teilweise aus organischem Kohlenstoff bestehen, würden diese, falls sie gelöst im Wasser vorliegen, direkt detektiert werden. Über DOC-Messungen kann im Labor, aber auch im laufenden Prozess, sichergestellt werden, dass die Hybridkieselgele vollständig abreagieren und nicht mehr im Wasser sind. Des Weiteren werden die Hybridkieselgele vor ihrem tatsächlichen Einsatz zusätzlich ökotoxikologisch geprüft. Die Gele werden in Mengen, welche die Anwendung bei Weitem übersteigen, in Wasser gegeben und anschließend wird in unterschiedlichen Tests analysiert, ob sich dieses auf verschiedene Wasserorganismen schädlich auswirkt. Dies stellt eine zusätzliche Absicherung dar und hat gezeigt, dass die Anwendung der Hybridkieselgele komplett unbedenklich ist.
Referenzen:
[1] J. Boucher, D. Friot, Primary microplastics in the oceans: A global evaluation of sources, IUCN, Gland, Switzerland, 2017.
[2] PlasticsEurope, Plastics – the Facts 2020, An analysis of European latest plastics production, demand and waste data, Brussels, Belgium: Association of Plastics Manufacturers, 2020, https://www.plasticseurope.org/de/resources/publications/196-plastics-facts-2013, accessed 30 March 2021.
[3] K. Zhang, A.H. Hamidian, A. Tubić, Y. Zhang, J.K.H. Fang, C. Wu, P.K.S. Lam, Understanding plastic degradation and microplastic formation in the environment: A review, Environmental pollution (Barking, Essex 1987) 274 (2021) 116554.
[4] T.S. Galloway, M. Cole, C. Lewis, Interactions of microplastic debris throughout the marine ecosystem, Nature ecology & evolution 1 (2017) 116.
[5] K.D. Cox, G.A. Covernton, H.L. Davies, J.F. Dower, F. Juanes, S.E. Dudas, Human Consumption of Microplastics, Environmental science & technology 53 (2019) 7068–7074.
[6] S.L. Wright, F.J. Kelly, Plastic and Human Health: A Micro Issue?, Environmental science & technology 51 (2017) 6634–6647.
[7] R. Bertling, J. Bertling, L. Haman, Kunststoffe in der Umwelt: Mikro- und Nanoplastik, https://www.umsicht.fraunhofer.de/content/dam/umsicht/de/dokumente/publikationen/2018/kunststoffe-id-umwelt-konsortialstudie-mikroplastik.pdf, accessed 14 June 2019.
[8] K. Schuhen, M.T. Sturm, Microplastic Pollution and Reduction Strategies, in: T. Rocha-Santos, M. Costa, C. Mouneyrac (Eds.), Handbook of Microplastics in the Environment, Springer International Publishing, Cham, 2020, pp. 1–33.
[9] M. Sturm, M. Rudloff, P. Bimmler, A. Herbort, B. Ney, N. Poppelreiter, K. Schuhen, Neue Ansätze zur Reduktion anthropogener Stressoren aus dem aquatischen Umfeld, WWT (2018).
[10] M.T. Sturm, A.F. Herbort, H. Horn, K. Schuhen, Comparative study of the influence of linear and branched alkyltrichlorosilanes on the removal efficiency of polyethylene and polypropylene-based microplastic particles from water, Environmental Science and Pollution Research 27 (2020) 10888–10898.
[11] A.F. Herbort, M.T. Sturm, K. Schuhen, A new approach for the agglomeration and subsequent removal of polyethylene, polypropylene, and mixtures of both from freshwater systems - a case study, Environmental science and pollution research international (2018) 15226–15234.
[12] M. Sturm, K. Schuhen, Nachhaltige Entfernung von Mikroplastik aus Abwasser- die "flüssigen Partikelsammler" PE-X®, Analytik-News – Das Online-Labormagazin (2019) 1–5.
[13] M.T. Sturm, H. Horn, K. Schuhen, Removal of Microplastics from Waters through Agglomeration-Fixation Using Hybridkieselgeles—Effects of Polymer Types, Water Composition and Temperature, Water 13 (2021) 675.
* M. Sturm, Dr. K. Schuhen, Wasser 3.0 gGmbH, 76187 Karlsruhe
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