Schülerwettbewerb Jugend forscht MINT-Nachwuchsförderung durch Jugend forscht – ein Beispiel
Fachkräfte in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik sind in Deutschland schon heute Mangelware. Gut beraten ist daher, wer bei der Förderung des MINT-Nachwuchses früh und gezielt ansetzt. Der Schülerwettbewerb Jugend forscht macht es vor.
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Naturwissenschaft und Technik seien nicht nur ein prägender Bestandteil unserer Kultur, sondern auch Rückgrat unserer Volkswirtschaft, betonte jüngst Thomas Sattelberger, Sprecher des Nationalen MINT-Forums, anlässlich des 2. Nationalen MINT-Gipfels, der Anfang Mai in Berlin stattfand. Das Gremium formuliert Forderungen und Grundsätze zur MINT-Bildung in Deutschland – einem Land, dem trotz hohem Bildungsniveau nach Aussage des Forums aktuell mehr als 50 000 Fachkräfte in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik, den so genannten MINT-Fächern, fehlen. Ein Umstand, der sich in den kommenden Jahren, auch demografisch bedingt, vermutlich noch verstärken wird. Zahlreiche Initiativen versuchen daher, Attraktivität und Qualität der akademischen bzw. gewerblich-technischen MINT-Bildung zu verbessern, Absolventenzahlen zu erhöhen oder ausländische MINT-Studierende bzw. -Fachkräfte anzuwerben.
Ein Instrument, das gezielt schon vorher ansetzt und in Deutschland seit nunmehr fast 50 Jahren erfolgreich Nachwuchsförderung im MINT-Bereich durchführt, ist der Schülerwettbewerb „Jugend forscht“ (s. LP-Info-Kasten). Wie funktio-niert ein solches System, das auf die engagierte Mitarbeit vieler tausend Ehrenamtlicher angewiesen ist, welche Herausforderungen stellen sich und welche Stellschrauben gibt es für eine nachhaltige Nachwuchsförderung in den MINT-Fächern per Schülerwettbewerb? Im „hohen Norden“ unserer Republik hat sich dazu ein äußerst erfolgreich agierendes Netzwerk formiert, das den Wettbewerb im Bundesland Bremen in den letzten Jahrzehnten mit viel Gespür für den Bedarf von Schülern, Land und Branchen zu einem funktionierenden und wichtigen Bestandteil der Förderung junger Talente durch forschendes Lernen gemacht hat.
Die Jugend forscht-Familie
Ein wesentlicher Erfolgsfaktor scheint dabei der in Bremen besonders gut funktio-nierende Schulterschluss zwischen Wettbewerb, Politik, Wirtschaft, Schulen, Universitäten und Forschungseinrichtungen zu sein. „Das meiste hier in Bremen ist personifiziert und durch kurze, direkte Kommunikationswege unter Personen gekennzeichnet, die sich überdurchschnittlich einbringen und Jugend forscht ein Stück weit leben", sagt als Kern dieses Netzwerkes, das in Bremen auch „Jugend forscht-Familie“ genannt wird, Landeswettbewerbsleiter StD Hans-Helmut Dettmer. Gewissermaßen als „Familienoberhaupt“ bekleidet er dieses Amt seit 29 Jahren und wird es nun Ende Juni an seinen Nachfolger Carsten Pieper übergeben. Zu den wichtigen „Familienmitgliedern“ gehört auch die Stiftung Jugend forscht e.V., vertreten durch ihren geschäftsführenden Vorstand Dr. Sven Baszio, die mit Sitz der Geschäftsstelle in Hamburg in räumliche Nähe rückt und bundesweit die Aktivitäten koordiniert. Die Senatorin für Bildung und Wissenschaft der Freien Hansestadt Bremen und hier insbesondere die Wettbewerbsreferentin Renate Raschen schaffen u.a. wichtige (bildungs-)politische Rahmenbedingungen und die Patenunternehmen des Bremer Wettbewerbs, eines auf Landesebene und mehrere in den drei Regionalwettbewerben, engagieren sich weit über ein klassisches Sponsoring hinaus, indem sie die Ausrichtung der Wettbewerbe übernehmen.
Dies sind vier wichtige Eckpfeiler eines großen, gut funktionierenden und von großer Kontinuität geprägten Jugend forscht-Netzwerkes, das insbesondere Dettmer in den letzten knapp drei Dekaden aufgebaut hat. Es sorgt dafür, dass die vielen hundert ehrenamtlichen „Familienmitglieder“ wie Betreuungslehrer, Juroren und Berater, auf deren Engagement auch der Bremer Wettbewerb fußt, sich möglichst optimal im Sinne des Wettbewerbs einbringen können.
„Im bundesweiten Vergleich mobilisiert Bremen die meisten Schüler für Jugend forscht. Eine Analyse der Zahlen aus der Wettbewerbsrunde 2011/2012 ergab, auf 100 000 Schüler gerechnet, knapp 1800 Anmeldungen. Thüringen, mit Hamburg ein weiterer Stadtstaat sowie Rheinland-Pfalz erreichten auf den nächsten Plätzen nur knapp ein Drittel davon", erläutert Jugend forscht-Vorstand Baszio. Der Mädchenanteil liege in Bremen zudem erfreulich hoch bei etwa 44 Prozent. „Die dezentrale Organisation von Jugend forscht hat es Herrn Dettmer ermöglicht, ein genau auf Bremen passendes Konzept zu realisieren“, so Baszio. Dieses kann z.B. auf einen gut gefüllten Sponsoren- und Gerätepool zurückgreifen. Ebenso nutzt dieses Konzept intensiv den regionalen Bezug, um Praktika z.B. im Rahmen von Sonderpreisen gezielt und projektbezogen zu vergeben und so einen frühen und fruchtbaren Kontakt zwischen Schule und Wirtschaft zu ermöglichen. Es werden intensiv Experten aus Wirtschaft, Forschungseinrichtungen oder in Form pensionierter Professionals rekrutiert, die Schüler wie Betreuungslehrer beratend unterstützen. Auch auf die Intensivierung des Netzwerkes durch die Organisation von Events, Freizeit-Aktionen oder Studienreisen wird in Bremen viel Aufmerksamkeit verwendet.
Wertvolle Zeit für den MINT-Nachwuchs
Seit der Gründung finanziert sich der Wettbewerb überwiegend aus Sponsoring: Bundesweit rund 250 Partner aus Wirtschaft und Wissenschaft richten die Wettbewerbe aus, stiften Preise und fördern weitere Aktivitäten. „Die Gesamt-Wirtschaftskraft, die hinter einem Wettbewerb steht, beträgt 10 bis 12 Millionen Euro“, erläutert Baszio. Als eines von drei Patenunternehmen für die Region Bremen-Nord ist auch der Laborausrüster Omnilab-Laborzentrum Teil des Netzwerks „Jugend forscht“. Das Bremer Unternehmen hat sich vor drei Jahren bewusst für diese Form der aktiven Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses entschieden. „Das Engagement, das wir uns mit den anderen Patenunternehmen und vielen weiteren Sponsoren und Förderern teilen, liegt für einen Regionalwettbewerb bei etwa 20 000 Euro reine Sachmittel“, sagt Joachim Jürgens, Geschäftsführer bei Omnilab.
Viel wichtiger sei darüber hinaus aber vor allem das Engagement der Mitarbeiter, also die Zeit, die das Unternehmen in den Wettbewerb hineingebe. „Während des Wettbewerbs sind insgesamt etwa zehn Personen mit dessen Ausrichtung beschäftigt. Ganzjährig sind dies die jeweiligen Patenbeauftragten der drei Patenunternehmen. Pro Regionalwettbewerb sind etwa 150 Teilnehmer mit 50 bis 70 Arbeiten, dazu 20 bis 35 Betreuungslehrer und 20 bis 25 Juroren rundum zu betreuen“, erläutert Eva-Maria Rieger, zuständig für PR und Kommunikation/Marketing bei Omnilab. „Letztlich geht es darum, einen würdigen Rahmen für die Schüler zu schaffen, die sich mit ihren Projekten enorm eingebracht haben“, betont Jürgens. „Es ist viel Arbeit, macht sehr viel Freude und durch die Vernetzung und die interessanten Kontakte, die sich aus unserer Mitarbeit bei Jugend forscht ergeben, können wir natürlich auch als Unternehmen in unterschiedlichster Weise profitieren“, ergänzt Rieger.
Kontakte und Freiräume nutzen
Auch für das „Herz" von Jugend forscht, die Schülerinnen und Schüler selbst, scheint dieser Auf- und Ausbau ihres eigenen, persönlichen Netzwerkes ganz wesentlicher Benefit des Wettbewerbs zu sein. „Je näher es in Richtung Schulabschluss geht, desto attraktiver wird es für die Schülerinnen und Schüler, z.B. im Rahmen eines Sonderpreises, einen Praktikumsplatz zu gewinnen“, sagt Carsten Pieper, der selbst viele Jahre als Betreuungslehrer für Jugend forscht tätig war und nun designierter Landeswettbewerbsleiter für Bremen ist. „Auf diese Weise wirkt Jugend forscht nachhaltig – die Schülerinnen und Schüler gewinnen Kontakte, gewinnen Praktika, gewinnen Einblicke in Arbeitsfelder und gerade die Tatsache, dass so viele Professionals als Juroren und Gesprächspartner vor Ort sind, ist für die Schülerinnen und Schüler ein enormer Gewinn“, ergänzt Renate Raschen, Wettbewerbsreferentin bei der Senatorin für Bildung und Wissenschaft in Bremen. „Die Freie Hansestadt Bremen fördert Wettbewerbe im Rahmen der Begabungs- und Begabtenförderung – z.B. auch durch die Unterstützung derjenigen, die das Potenzial der Schülerinnen und Schüler am besten erkennen können, sie betreuen und motivieren: unsere engagierten Lehrkräfte.“ Zur viel diskutierten Frage, ob die auch im Zuge von G8 stark verdichteten Lehrpläne überhaupt genügend Raum für forschendes Lernen und Kompetenzentwicklung lassen, ist Raschen der Ansicht, dass die Rahmensetzungen in den Bildungsplänen und die Kontingentstundentafeln bereits viele Freiräume bieten, diese aber nicht immer vollständig ausgeschöpft werden.
Die Lehrer dabei zu unterstützen, Gestaltungsmöglichkeiten zu erkennen und neue Ideen für forschendes Lernen und außerschulische Lernorte zu entwickeln, ist Ziel spezieller Fortbildungsprogramme von Jugend forscht, die in Zukunft noch weiter ausgebaut werden sollen. Gleichzeitig will die Stiftung auch die breite außerschulische Verankerung des MINT-Bereichs in der Gesellschaft – analog zum Ansatz öffentlicher Sportvereine oder staatlicher Musikschulen – durch den weiteren Aufbau so genannter Schülerforschungszentren stärker fördern.
„MINT-Früchte ernten“
Dass eine frühe Förderung im MINT-Bereich, die niedrigschwellig und breit angelegt einsteigt, Begeisterung weckt und die Kinder motiviert, die aber später auch gezielt besondere Talente fördert, ein wichtiger Baustein sein kann, dem Fachkräftemangel entgegen zu wirken, stellt Jugend forscht im Stadtstaat Bremen wiederum eindrucksvoll unter Beweis. „Wir haben hier in Bremen einen breiten Wettbewerb, aber letztlich ist es ein Leistungswettbewerb“, erklärt Hans-Helmut Dettmer. „Letztes Jahr haben wir sieben Arbeiten zum Bundesfinale geschickt, davon konnten drei Teams Platzierungen und fünf Sonderpreise erzielen.“
Den Preis für eine besondere technische Leistung erhielt in 2013 ein Bremer Team, welches in einer Teufelstonne das Sortieren der Kugeln nach Farben mithilfe eines Roboters löste. Zunächst ermittelten die drei Jungforscher auf Grundlage der mathematischen Gruppentheorie sowie computergenerierter Zugfolgen den effizientesten Lösungsweg. Im Anschluss konzipierten sie ihren Roboter mit einem so genannten 3D-CAD-Programm. Das Team erhielt in diesem Jahr die Möglichkeit, ihr Projekt auf der Hannover Messe vorzustellen. Nicht selten entstehen im Rahmen von Jugend forscht vermarktungsfähige Ideen. Auch gefragte „soft skills“ künftiger Forscher brächten viele Jugend forscht-Teilnehmer, die sich um Ausbildungs- und Studienplätze bewerben, bereits mit, so Carsten Pieper: Ausdauer und Frustrationstoleranz. „Die wenigsten Experimente funktionieren auf Anhieb!“
„Jugend forscht ist ein wichtiger Baustein in der MINT-Bildung und -Nachwuchsförderung und hier greift alles ineinander“, so Omnilab-Geschaftsführer Jürgens, „die Ziele der Politik, das Interesse von Wirtschaft und Wissenschaft, das Engagement der Ehrenamtlichen. Das gemeinsame Bemühen und der Spaß an der Sache verbindet alles miteinander.“
* Dr. I. Ottleben: Redaktion LABORPRAXIS, E-Mail: ilka.ottleben@vogel.de
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