Neues Material spart Gewicht Mit Hochleistungskunststoff Richtung Weltall
Beim Raketenbau zählt jedes Gramm, um Treibstoff beim Start zu sparen. Forscher der Technischen Universität München haben nun ein Nutzlastmodul aus Kunststoff entwickelt, das deutlich leichter ist als herkömmliche Aluminiummodule. Ein erster Testflug im März 2019 soll zeigen, ob sich das Material in der Praxis bewährt.
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München – Wenn die Höhenforschungsrakete des Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) bei der 23. Rexus-Raketenmission Anfang März startet, trägt sie ein besonderes Nutzlastmodul: Ein Team des Lehrstuhls für Carbon Composites der Technischen Universität München (TUM) hat ein Modul aus carbonfaserverstärktem, thermoplastischem Kunststoff entwickelt.
Im Vergleich zu den bisher genutzten Modulen aus Aluminium spart das neu entwickelte Nutzlastmodul nicht nur 40 Prozent Gewicht ein, es bietet auch fertigungstechnisch besondere Vorteile: Anders als faserverstärkte Duroplaste, die bereits in der Luftfahrt eingesetzt werden, muss es nach der Herstellung nicht erst in einem Autoklaven bei hohen Temperaturen aushärten. Es handelt sich um das erste Modul dieser Art, das in einer Rakete gestartet wird.
Nahtlose Hülle
Im Wesentlichen ist das Nutzlastmodul ein zylindrisches Rohr. An den Enden sind Lasteinleitungsringe integriert. Über sie werden die einzelnen Module miteinander verschraubt. Weil Ring und Zylinder aus demselben thermoplastischen Kunststoff bestehen, können die Verstärkungsfasern beim Aufbau des Zylinders direkt mit den Ringen verschweißt werden.
„Das Zauberwort der Branche heißt ‚in situ Konsolidierung’. Durch das Verschmelzen erhalten wir ein Bauteil wie aus einem Guss, ohne Klebestellen oder Verschraubungen“, erläutert Ralf Engelhardt, Mitarbeiter am Lehrstuhl für Carbon Composites. „Das spart Zeit, Gewicht und Geld.“
Sensoren im Material integriert
Die Fasern zum Aufbau des Zylinders sind in Polyetheretherketon (PEEK) eingebettet. Wickeln und Aufschmelzen erfolgen automatisiert. Sensoren und ihre Anschlüsse können dabei direkt in das Material eingebaut werden.
In Kooperation mit dem Lehrstuhl für Messsystem- und Sensortechnik der TUM integrierte das Team faseroptische Temperatursensoren, die ein Messgerät der TUM-Ausgründung fos4X ausliest. Während des Fluges können sie damit die thermische Belastung des Nutzlastmoduls in verschiedenen Tiefen des Materials direkt messen.
„Da die optischen Fasern sehr klein sind, ist ihr Einfluss auf die mechanischen Eigenschaften des Moduls sehr gering“, sagt Engelhardt. „Die direkte Integration in das Laminat während der Fertigung eröffnet aber noch mehr Möglichkeiten: Neben der Temperaturüberwachung wären auch Dehnungsmessungen denkbar. Damit wäre ein Echtzeit-Monitoring der Belastung des Moduls möglich.“
Originalpublikationen:
Karen Mason: A giant leap in rocket weight savings. Composites World, Vol. 5, No. 1, 01/2019
Ralf Engelhardt, Jonathan Oelhafen, Stefan Ehard, Andreas Kollmannsberger, Klaus Drechsler: Manufacturing of a Thermoplastic CFRP Rocket Module with Integrated Fiber Optical Temperature Sensors (pdf). The 29th Annual International SICOMP Conference on Manufacturing and Design of Composites, Lulea, Sweden, 2018
Ralf Engelhard: Space Travel (pdf). Carbon Composites Magazin, 1/2018, 88-89
* Dr. A. Battenberg, Technische Universität München, 80333 München
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