Trifluoressigsäure in Regenwasser Mit „klimafreundlichen“ Kältemitteln vom Regen in die Traufe
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Vollständig fluorierte Kältemittel sind klimaschädlich, weshalb sie z. B. durch kurzlebige (teil)fluorierte Stoffe mit niedrigerem Treibhauspotential ersetzt werden. Doch auch die sind nicht die ideale Lösung. Wie eine Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes (UBA) zeigt, tragen sie zum Anstieg von Trifluoressigsäure in Regenwasser bei. Das UBA fordert deshalb den Wechsel zu natürlichen Kältemitteln wie Kohlenwasserstoffe.

Dessau-Roßlau – Fluorierte Kältemittel und Treibmittel gelangen u. a. aus Klimaanlagen, Kunststoffschäumen und Sprays in die Atmosphäre. Dort wirken sie als Treibhausgase oft tausend- bis zehntausendfach so stark wie Kohlendioxid. Bereits heute sind die kurzlebigeren fluorierten Kälte- und Treibmittel wie R1234yf, R1234ze(E) und R1233zd(E) immer öfter und in steigenden Mengen in der Atmosphäre nachweisbar.
Als Teil des Klimaschutzes begann in Europa bereits 2006 der Ausstieg aus den fluorierten Treibhausgasen mit der so genannten F-Gas-Verordnung. Die internationale Staatengemeinschaft hat sich im Jahr 2016 mit dem Abkommen von Kigali im Montrealer Protokoll zur Reduktion bestimmter fluorierter Treibhausgase verpflichtet. Den neuen Richtlinien nachkommend, die Kältemittel mit einem geringeren Global Warming Potential (GWP) fordern, haben viele Hersteller das F-Gas R134a (GWP 1430) durch das Kältemittel R1234yf ersetzt, welches lediglich ein GWP von 4 hat und damit die Auflagen der F-Gas-Verordnung erfüllt.
Abbauprodukte trüben die Umweltbilanz
Der Umstieg von R134a auf R1234yf birgt allerdings ein Problem. Beim atmosphärischen Abbau fluorierter Gase entsteht nämlich u. a. Trifluoressigsäure (TFA), die als wassergefährdend eingestuft ist. Und R1234yf bildet etwa fünf Mal mehr TFA als R134a. Über Niederschläge gelangt die Trifluoressigsäure in den natürlichen Wasserkreislauf, bis hin ins Grund- und Trinkwasser.
Welche Rolle die TFA-Belastung in den kommenden Jahrzehnten spielt, zeigt eine aktuelle Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes UBA. Darin wurde die mengenmäßige Entwicklung der fluorierten Kälte- und Treibmittel und deren atmosphärischer Abbauprodukte bis zum Jahr 2050 modelliert. Für Europa wird für das Jahr 2050 ein drei- bis vierfacher Anstieg der TFA-Fracht aus Kältemittelemissionen auf bis zu 50.000 Tonnen prognostiziert, wobei das Kältemittel R1234yf als Haupttreiber identifiziert wurde.
Mehr als dreimal so viel TFA wie in den 1990er Jahren
Zur Einschätzung des TFA-Eintrages durch den Niederschlag wurden in der UBA-Studie erstmals über zwei Jahre Proben von acht Messstellen des Deutschen Wetterdienstes analysiert. Die mittleren monatlichen TFA-Niederschlagkonzentrationen erreichten bis zu 4,87 µg/l. Zum Vergleich: Der gesundheitliche Leitwert für TFA beträgt laut einer UBA-Veröffentlichung 60 µg/l, wobei mit Blick auf das Minimierungsgebot und die Trinkwasserhygiene eine Konzentration von höchstens 10 µg/l angestrebt werden sollte.
Die TFA-Einträge über ein Jahr betrugen für den Messzeitraum 2018/19 rund 190 g/km2 und 2019/20 rund 276 g/km2. Im Vergleich zum Zeitraum 1995/96 mit 54 bis 69 g/km2 ist das ein mindestens drei- bis vierfacher Anstieg.
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Alternativen sind dringend nötig
Im Jahr 2050 sind nach der Modellrechnung allein durch das Kältemittel R1234yf TFA-Einträge über die Niederschläge von 2,5 kg/km2 für Europa und bis zu 4 kg/km2 jährlich für Deutschland zu erwarten, was einer Verzehnfachung der heutigen TFA-Einträge entspräche.
Derzeit ist keine Methode bekannt, mit der TFA mit verhältnismäßigen Mitteln aus dem Wasserkreislauf entfernt werden könnte – auch nicht bei der Trinkwasseraufbereitung. Das UBA empfiehlt daher, natürliche Kältemittel wie Kohlendioxid oder Kohlenwasserstoffe zu verwenden. „Wenn Hersteller und Betreiber jetzt auf Systeme mit natürlichen Stoffen mit niedrigem Treibhauspotential, wie Kohlenwasserstoffe, Kohlendioxid oder Ammoniak umstellen, können sowohl die Einträge von TFA deutlich verringert als auch das Klima geschützt werden“, sagt UBA-Präsident Dirk Messner. Doch nicht für alle Anwendungen ist ein solcher Umstieg möglich, etwa, wenn besonders tiefe Temperaturen erreicht werden sollen und/oder die Kältemittel unbrennbar sein müssen.
Originalpublikation: Dr. David Behringer, Dr. Felix Heydel, Barbara Gschrey, Steffi Osterheld, Winfried Schwarz, Kristina Warncke; Finnian Freeling, Dr. Karsten Nödler; Markus Blepp, Wolfram Jörß, Ran Liu, Dr. Sylvie Ludig, Ina Rüdenauer; Dr. Stefan Gartiser: Persistente Abbauprodukte halogenierter Kälte- und Treibmittel in der Umwelt: Art, Umweltkonzentrationen und Verbleib unter besonderer Berücksichtigung neuer halogenierter Ersatzstoffe mit kleinem Treibhauspotenzial (pdf), Herausgeber: Umweltbundesamt, Texte, 36/2021
* M. Ittershagen, Umweltbundesamt, 06844 Dessau-Roßlau
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