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Mykotoxinmultimethode für die Landwirtschaft

Autor / Redakteur: Sebastian Zühlke*, Heinz-W. Dehne**, Diran Herebian* und Michael Spiteller* / Dipl.-Chem. Marc Platthaus

Getreide und Getreideprodukte können mit Toxinen belastet sein, die vor allem von Pilzen während der Vegetationsperiode oder der Lagerung gebildet werden können. Diese Toxine stellen ein Gesundheitsrisiko für den Verbraucher dar. Ein breit angelegtes Forschungsprojekt in NRW versucht nun, eine schnelle und zuverlässige Nachweismethode für die wichtigsten Mykotoxine zu entwickeln.

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Mykotoxine können bei Menschen und Tieren Krankheiten auslösen. In der Vergangenheit waren dies unter anderem Mutterkornvergiftungen, welche noch 1951 in einem französischen Dorf zu einer Massenvergiftung mit vielen Toten führten. Vergiftungen durch Mutterkorn (Claviceps purpurea) blieben auf Grund moderner Techniken bei der Getreideverarbeitung seitdem weitgehend aus. Andere Pilze, wie Fusarien und Aspergillen, können Getreide allerdings schon auf dem Feld oder nach der Ernte bei der Lagerung befallen und sind in der Lage, giftige bis hochgiftige Substanzen zu produzieren.

In den letzten Jahrzehnten haben pflanzenpathogene Pilze an Beachtung gewonnen, die bereits in der Vegetationsperiode auf dem Feld und vor allem zum Zeitpunkt der Blüte das Getreide und den Mais befallen. Zu diesen Fusarien gehören unterschiedliche Arten, die zudem verschiedene Mykotoxine bilden, welche ihrerseits unterschiedlichen Substanzklassen zuzuordnen sind.

Eine Reihe von Parametern, vor allem die Anfälligkeit der Wirtspflanze, Feuchtigkeit und Temperatur, haben einen wesentlichen Einfluss auf den Pilzbefall und die Mykotoxinkontamination. Ein sichtbarer Pilzbefall ist jedoch noch kein hinreichendes Kriterium, dass tatsächlich eine Toxinproduktion stattfindet. Andererseits kann es auch bei sehr geringem Pilzwachstum zu einer erheblichen Biosynthese der Toxine kommen. Die Pilzgifte werden entweder in den Pilzzellen eingelagert oder an die „Umgebung“ (das Getreidekorn) abgegeben. Die Verarbeitung der Lebens- und Futtermittel kann zwar oftmals den Pilz selbst entfernen oder unschädlich machen, die Mykotoxine überstehen diese Prozesse jedoch weitestgehend unbeeinträchtigt.

Bei Nutztieren führt die Aufnahme kontaminierter Futtermittel zu Stoffwechselstörungen. Die Toxine oder deren Metaboliten werden entweder ausgeschieden oder es kommt zum Carry-over (z.B. Ablagerung in Fleisch, Milch, Eiern). Oberhalb bestimmter Konzentrationen können Mykotoxine Leber, Niere und das Nervensystem angreifen und krebserregend sein. Auch wenn akute Vergiftungen heute äußerst selten sind, sind negative Auswirkungen selbst kleiner Toxinmengen mittel- und langfristig nicht auszuschließen. Besonders über die Kombinationswirkung verschiedener Toxine ist derzeit noch zu wenig bekannt.

Erst der zuverlässige Nachweis der unterschiedlichen Mykotoxine erlaubt eine umfassende und repräsentative Analyse des Auftretens der Mykotoxinbildner und vor allem der durch sie bedingten Kontamination.

Problemstellung

Für einige Pilzgifte, u.a. Aflatoxine, Ochratoxin A, Deoxynivalenol (DON), existieren Höchstmengen für Lebensmittel, die in der Mykotoxin-Höchstmengenverordnung geregelt sind. Belastetes Futtermittel kann bei Nutztieren zu Störungen des Immunsystems, verringerter Futteraufnahme sowie Haut-, Nieren- und Nervenschäden führen.

Es ist zudem bekannt, dass neben den höchstmengenregulierten Verbindungen noch viele weitere Mykotoxine in Getreide auftreten können. Mehr als 300 Pilzgifte sind der Wissenschaft bis heute bekannt. Einzelne Pilze können ein bestimmtes Spektrum an Toxinen bilden, es gibt jedoch zahlreiche Mykotoxine, die von mehreren Arten gebildet werden können. Über die genauen Zusammenhänge von Pilzbefall und Bildung der Sekundärmetaboliten ist bisher wenig bekannt, ebenso zu den genauen Bedingungen, welche den Pilz zur Produktion der Gifte veranlassen. Um dies zu klären, bedarf es einer umfassenden multiplen Mykotoxinanalytik.

Herangehensweise

Um die vorhandenen Wissenslücken zu schließen, wurde zum Jahresende 2006 ein Forschungsprojekt zu Mykotoxinen in NRW gestartet. Dabei arbeiten Wissenschaftler vom Institut für Arbeitsphysiologie (IfADo) und vom Institut für Umweltforschung (INFU), die beide zur Technischen Universität Dortmund gehören, mit Experten des Instituts für Nutzpflanzenwissenschaften und Ressourcenschutz (INRES) der Universität Bonn sowie Forschern des Instituts für Lebensmittelchemie der Universität Münster zusammen. Ziel des Projekts ist es, eine zuverlässige und schnelle Nachweismethode für die wichtigsten Mykotoxine zu entwickeln.

Die Erarbeitung der Analysenmethode erfolgte in Kooperation mit der Arbeitsgruppe Krska am Interuniversitären Department für Agrarbiotechnologie (IFA) im österreichischen Tulln, die sich schon viele Jahre mit dieser Analytik beschäftigt. Am INFU ließ sich nun eine Methode etablieren und optimieren, die eine Vielzahl dieser Substanzen simultan erfasst und die Konzentrationen der einzelnen Mykotoxine präzise bestimmt. Parallel zur Bestimmung der Gifte in Feld- und Laborproben werden diese am INRES auf ihren Pilzgehalt untersucht. Das wird Informationen über die Zusammenhänge von Art und Stärke des Pilzbefalls mit den gebildeten Toxinengehalten liefern. Am IfADo wird die Kombinationswirkung der Gifte in Zellkulturen untersucht. Hierfür werden insbesondere die Mykotoxine betrachtet, die zuvor in den Proben aus Deutschland, Europa und weltweit nachgewiesen wurden. Auf Grund der breit gestreuten Probenahme wird so auch die Belastungssituation von Getreide für den Import erfasst. Letztlich zielt die Analyse auf die Entwicklung von Vermeidungsstrategien für den Getreideanbau und die Lagerung ab.

Analytische Methode

Es wurde eine Multimethode, basierend auf der Kopplung von Flüssigchromatographie und Tandemmassenspektrometrie zur Bestimmung von 32 Mykotoxinen entwickelt. Da die Konzentrationen der Mykotoxine in Getreide bis zu tausendmal geringer sind als die von Pflanzenschutzmitteln, sind die Anforderungen an die Analytik besonders hoch. Die Extraktion der Zielverbindungen erfolgt aus gemahlenen Getreideproben, welche aus einer möglichst gro-ßen Menge homogenisierten Probenmaterials entnommen wurden. Vor der Extraktion wird dem genau abgewogenen Probenmaterial das Gemisch der internen Standardverbindungen zugesetzt, welche idealerweise deuteriert oder 13C-markiert vorliegen. Die Synthese dieser für die Quantifizierung unverzichtbaren Verbindungen wird am Institut für Lebensmittelchemie (Münster) durchgeführt.

Schon bei der Extraktion (Vortex und Ultraschall) tritt ein Nachteil der Multimethoden auf. Nicht alle Verbindungen werden gleichermaßen effektiv mit dem Lösungsmittelgemisch extrahiert. Dennoch konnten Wiederfindungsraten von mehr als 70 Prozent für fast alle Analyten erzielt werden. Es wurde bewusst auf weitere Aufreinigungsschritte der Extrakte verzichtet, da die unterschiedlichen physikochemischen Eigenschaften der Analyten bei jedem Aufreinigungsschritt zu Verlusten bei einzelnen Verbindungen oder Verbindungsklassen führen.

Nach dem Zentrifugieren wird der Überstand direkt für die Messung eingesetzt. Die Trennung erfolgt mittels HPLC auf einer RP-Phase und die Analyten werden im MRM-Modus (multiple reaction monitoring) mit zwei charakteristischen Massenübergängen detektiert. Auf Grund der strukturell sehr unterschiedlichen Verbindungen (s. Abb. 4) erfolgte die Ionisierung der Analyten sowohl im negativen Elektrospraymodus (z.B. für Deoxynivalenol, Zearalenon, Moniliformin) als auch im positiven Elektrospraymodus (z.B. HT2-Toxin, Enniatin B, Aflatoxine).

Die Auswertung der Verbindungen erfolgt immer in Korrelation zu geeigneten internen Standards. Dadurch werden sowohl Unregelmäßigkeiten bei der Extraktion (Lösungsmittelverdunstung, Volumenfehler) als auch Probleme der Ionisierung (Matrixeffekt) minimiert und valide Ergebnisse ermöglicht. Für 28 der untersuchten Verbindungen (s. Tabelle 1) liegen die Bestimmungsgrenzen beispielsweise für Weizen bei zehn Nanogramm pro Gramm oder deutlich darunter. Sämtliche Bestimmungen werden im Doppelansatz durchgeführt, die Ergebnisse der Doppelbestimmungen variieren auf Grund der geringen Standardabweichung der Methodik nur um wenige Prozent. Wegen der strukturell oftmals sehr unterschiedlichen Zielanalyten stellen Multimethoden zur Bestimmung von Rückständen/Kontaminanten generell einen Kompromiss dar. So sollten insbesondere die Extraktionsausbeute, die chromatographische Trennung und die Empfindlichkeit der Detektion für alle untersuchten Verbindungen akzeptabel sein, auch wenn die optimalen Parameter für eine bestimmte Substanz unter Umständen von diesem Kompromiss abweichen können. Hier überwiegt der Vorteil, mit einer solchen Multimethode eine breite Datenbasis für eine Vielzahl der Mykotoxine erstellen zu können.

Ausblick

Ein wesentlicher Bestandteil des Projektes ist die Korrelation der nachgewiesenen Mykotoxin-Gehalte mit den identifizierten Pilzarten, den Standorten der Pflanzen und den jeweiligen Infektionsbedingungen. Dabei werden die Fusarium-Arten und Isolate mithilfe klassischer mikrobiologischer, serologischer und Nukleinsäure-basierender Methoden erfasst. Die Bereitstellung weiterer isotopenmarkierter interner Referenzverbindungen wird die Präzision der analytischen Methode noch weiter erhöhen und zu einer größeren Sicherheit bei der Quantifizierung führen.

Schimmelpilze produzieren oftmals nicht nur ein sondern mehrere Gifte, die unterschiedlich zur Gesamttoxizität des Gemisches beitragen. Deshalb wird mit hochauflösender Massenspektrometrie nach weiteren Derivaten und Metaboliten der bekannten Toxine gesucht. Die toxikologischen Untersuchungen von Mykotoxinkombinationen, wie sie in realen Proben festgestellt werden, sollen Aufschluss über die möglichen additiven oder synergistischen Wirkungen geben.

Später soll die etablierte Analysenmethode bei der Entwicklung neuer Schnelltests für die Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie helfen, indem die Ergebnisse der neuen Tests mit denen der LC-MS/MS-Messungen verglichen werden.

Daneben wird von der Gesamtheit der Untersuchungen auch die Ableitung von Vermeidungsstrategien erwartet. Dies gilt nicht nur für Lebensmittel für die menschliche Ernährung, sondern auch für Tierfuttermittel. Bei Letzteren soll neben dem Getreide auch die Kontamination von Ganzpflanzensilagen aus Mais und Getreide wie auch die Silierung von Corn-Cob-Mix erfasst werden, die insbesondere für die Schweinefütterung von großer Bedeutung sind. Auf Grund der komplexen Matrix stellen diese Proben besondere Anforderungen an die Probenvorbereitung.

Zusammenfassung

Die Bestimmung von 32 Mykotoxinen mittels LC-MS/MS liefert ein umfassendes Bild über die bestehende Belastungssituation zahlreicher Getreideproben weltweit. Die breit angelegte Probenahme, die Multikomponentenbestimmung und parallele Untersuchungen zu den Schimmelpilzbelastungen können helfen, die Zusammenhänge zwischen Schimmelpilz- und Mykotoxinbelastung im Kontext zu verschiedenen Umweltparametern zu verstehen und die Belastung zu minimieren.

* Institut für Umweltforschung (INFU), Technische Universität Dortmund, 44221 Dortmund** Institut für Nutzpflanzenwissenschaften und Ressourcenschutz (INRES), Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, 53115 Bonn

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