Das Problem der verstopften Injektionsnadel Neutronenstrahlen helfen bei der Entwicklung sicherer Fertigspritzen
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Vorgefüllt und bereit für die Selbstmedikation zu Hause: Fertigspritzen sind ein verbreitetes medizinisches Instrument. Um ein Verstopfen der Nadel zu vermeiden, muss bei Herstellung und Lagerung auf höchste Qualität geachtet werden. Welche Prozesse ein Verstopfen beschleunigen, haben nun Forscher mithilfe von Neutronenstrahlen untersucht.

Vorgefüllte Fertigspritzen sind einfach zu handhaben und ermöglichen eine exakte Dosierung, sodass Patienten sich ihr Medikament ohne Probleme selbst spritzen können. Sie sind bei verschiedenen Krankheiten wie Asthma, Krebs oder auch chronischen entzündlichen Erkrankungen wie Morbus Crohn nicht mehr aus der Therapie wegzudenken.
Doch die Fertigspritzen funktionieren nicht immer einwandfrei: die Injektionsnadeln können während der Lagerung verstopfen, was zu Fehldosierungen bei der Injektion führen kann. „Dieses Problem steht weltweit im Fokus der Pharma-Hersteller und der Zulassungsbehörden“, sagt Prof. Stefan Scheler. Er arbeitet für die technische Forschungs- und Entwicklungsabteilung des Schweizer Pharmaunternehmens Novartis und lehrt an der Hochschule Kaiserslautern Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie.
Mit Neutronenblitzen durch Nadelspitzen
Scheler und sein Kollege Dr. Alexander Zürn haben eine detaillierte und systematische Studie angefertigt, die die Vorgänge beim Verstopfen der Nadeln mathematisch modelliert und so ein besseres Verständnis für die Hintergründe dieses unerwünschten Prozesses schafft. Dazu nutzten die Forschenden auch die Neutronen-Radiografieanlage „Antares“ der Technischen Universität München (TUM) am Heinz Maier-Leibnitz Zentrum in Garching.
„Röntgenstrahlen können das Metall der Nadel nur unzureichend durchdringen“, erklärt Dr. Michael Schulz, der für die TUM die Neutronenmessungen an der Radiografieanlage geleitet hat. „Neutronen hingegen durchdringen das Metall und zeigen zudem einen guten Kontrast zwischen Wasser und Luft.“
Genau darauf kam es den Wissenschaftlern an. Eine Schwierigkeit war dabei nicht zuletzt der geringe Innendurchmesser der Spritzennadeln, der nur etwa 0,2 mm beträgt. Der Detektor Neutronen-Radiographie-Anlage war jedoch in der Lage, luft- und flüssigkeitsgefüllte Segmente im Innern klar unterscheidbar und in guter Auflösung darzustellen.
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27 verschieden behandelte Fertigspritzen haben die Forscher durchleuchtet. So wurden manche der Spritzen Temperaturschwankungen ausgesetzt, statt sie vorschriftsgemäß im Kühlschrank zu lagern. Auch Schütteln und Druckschwankungen, zur Simulation von Luftfrachttransporten, sowie unterschiedlich lange Lagerungszeiten untersuchten die Pharmazeuten.
„Die Neutronenexperimente haben uns eindeutig gezeigt, unter welchen Bedingungen Flüssigkeit in die Nadel dringt“, sagt Scheler. Ein Überdruck im Spritzeninneren gegenüber der Umgebungsluft führt zu einem schnelleren Verstopfen. Auch die Lagerdauer und hohe Temperaturen wirken sich negativ aus.
Wie das Problem verstopfter Injektionsnadeln zu lösen ist
Die Erkenntnisse aus den Neutronenstrahl-Experimenten dürften wohl zunehmend wichtig für die Entwicklung von Fertigspritzen werden, denn „dass Nadeln verstopfen, könnte in Zukunft öfter passieren“, prophezeit Studienleiter Scheler. Der Grund: Um auch hohe Wirkstoffdosen in kleinen Volumina subcutan verabreichen zu können, werden die Wirkstoffkonzentrationen in den Spritzen immer höher gewählt. Die Gefahr von Nadelverstopfungen steigt auf diese Weise.
„Wir arbeiten jetzt daran, das Problem bereits im Herstellungsprozess zu verhindern“, sagt Scheler. Eine mögliche Lösung sei es etwa, den Füllprozess zu ändern und einen leichten Unterdruck in der Spritze zu erzeugen, der den Eintritt von Flüssigkeit in die Nadel während der Lagerung verhindert. Um derartige Maßnahmen zu optimieren, könnten weitere Untersuchungen mit Neutronen durchgeführt werden.
Originalpublikation: Stefan Scheler, Simon Knappke, Michael Schulz, Alexander Zuern, Needle clogging of protein solutions in prefilled syringes: A two-stage process with various determinants, European Journal of Pharmaceutics and Biopharmaceutics, Volume 176, 2022, Pages 188-198, ISSN 0939-6411; DOI: 10.1016/j.ejpb.2022.05.009
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