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Spektroskopie Oberflächlich betrachtet – Spektroskopie analysiert Werkstoffe

Redakteur: Dipl.-Chem. Marc Platthaus

Mit welchen Methoden an der BAM Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung Werkstoffoberflächen analysiert werden, beschreibt Dr. Vasile-Dan Hodoroaba im LP-Exklusivinterview. Das Gespräch führte LP-Chefredakteur Marc Platthaus.

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„ Aus den Röntgenspektren kann man sehr genaue Angaben über Haupt-, Neben- und Spurenelemente machen.“ Dr. Vasile-Dan Hodoroaba, Fachbereich Oberflächenanalytik und Grenzflächenchemie, BAM Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (Bild: BAM)
„ Aus den Röntgenspektren kann man sehr genaue Angaben über Haupt-, Neben- und Spurenelemente machen.“ Dr. Vasile-Dan Hodoroaba, Fachbereich Oberflächenanalytik und Grenzflächenchemie, BAM Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (Bild: BAM)

LP: Herr Dr. Hodoroaba, Sie beschäftigen sich an der BAM Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung mit der Untersuchung von Werkstoffoberflächen. Durch Veränderungen der Elementzusammensetzung können die Eigenschaften dieser Oberflächen gezielt modifiziert werden. Welche Messverfahren sind hierfür erforderlich?

Dr. Vasile-Dan Hodoroaba: Abhängig von der Größe des Volumens an der Werkstoffoberfläche, aus dem die Information gewonnen werden soll, gibt es eine Reihe von etablierten Messverfahren, mit denen die lokale Elementzusammensetzung bestimmt werden kann. Bei der Elektronenstrahlmikroanalyse (ESMA) werden die Atome in der Probe in bis zu einer Tiefe von wenigen Mikrometern durch Anregung mit einem hochenergetischen Elektronenstrahl zur Emission von charakteristischer Röntgenstrahlung gebracht. Diese Röntgenstrahlen können mit einem energiedispersiven Spektrometer (EDS) – verfügbar als Analyseoption bei fast jedem Rasterelektronenmikroskop (REM) – oder mit einem wellenlängendispersiven Spektrometer (WDS) analysiert werden. Wir verfügen also über zwei alternative Versionen ein und derselben physikalischen Analysenmethode für die analytische Chemie: ED-ESMA und WD-ESMA. Aus den Röntgenspektren kann man sehr genaue Angaben über die Elementzusammensetzung von Haupt-, Neben- und Spurenelementen im analysierten oberflächennahen Volumen ableiten. Fast alle Elemente des Periodensystems (ausgenommen sind H, He und Li) können mit Nachweisgrenzen von 0,1 Masse-% mit ED-ESMA und 0,01 Masse-% mit WD-ESMA bestimmt werden.

LP: Was beeinflusst die Messunsicherheit und mit welchen Auswirkungen?

Dr. Hodoroaba: Die für ESMA charakteristische Messunsicherheit resultiert aus verschiedenen Quellen wie der „Qualität“ der Probe, d.h. Homogenität der chemischen Zusammensetzung und Ebenheit der Probenoberfläche, aber auch der Probenpräparation, z.B. Oberflächenkontamination oder elektrische Kontaktierung. Außerdem hängt sie vom Analysegerät ab: Hier kommt es u.a. auf die richtige Beschleunigungsspannung am REM, die Geometrie, die Probenorientierung und die Stabilität des Elektronenstrahlstromes an. Einen immer wichtigeren Part spielt auch die Datenakquisitions- und Quantifizierungssoftware.

LP: Und wie steht es mit dem menschlichen Fehler?

Dr. Hodoroaba: Der ist definitiv da, der Operator kann natürlich auch zu ungeeigneten Parametern greifen. Jede dieser Komponenten kann so große Unsicherheiten generieren, dass das Ergebnis der Analyse inakzeptabel wird. Darüber hinaus weisen Analysen von charakteristischen Röntgenlinien bei Energien unter 2 keV eine deutlich größere Unsicherheit auf als Analysen, die mit harter Röntgenstrahlung im Bereich von 5 bis 15 keV durchgeführt werden. ESMA-Daten, für deren Quantifizierung Referenzmaterialien benutzt wurden, weisen Messunsicherheiten weniger als 5%-relativ auf. Die erreichbaren Messunsicherheiten sind signifikant größer, wenn im weichen Energiebereich unter 2 keV gearbeitet wird. Eine standardlose Analyse liefert in vielen Fällen Ergebnisse von ausreichender Qualität. Allerdings muss damit gerechnet werden, dass die Messunsicherheiten in diesem Fall schlechter ausfallen als bei der Analyse mit Standards.

LP: Wie sah Ihre Strategie bei der Analyse von Metallen aus?

Dr. Hodoroaba: Um eine Röntgenlinie optimal anregen zu können, braucht man Elektronen, deren Energie mindestens das Doppelte der Bindungsenergie der Atomschale des Emitteratoms ist, die zur Emission von Röntgenquanten angeregt werden soll. Zum Beispiel benötigt man für die Analyse einer binären Kupfer-Gold-Legierung 25-keV-Elektronen, damit die charakteristischen Cu Kα-( 8,04 keV) und Au Lα-Linien (9,71 keV) optimal angeregt werden. Eine entsprechende ESMA-Quantifizierung mittels Reinkupfer- und Reingold-Referenzmaterialien erlaubt es, die Elementzusammensetzung der Legierung mit einer Unsicherheit von kleiner als 2%-relativ zu bestimmen. Deutlich kleinere Wechselwirkungsvolumina (als bei 25 keV) der Röntgenstrahlung unterhalb der Probenoberfläche induziert man, wenn man eine Anregungsenergie im weichen Energiebereich auswählt. Zum Beispiel „schrumpft“ das Anregungsvolumen bei einer Anregungsenergie von 5 keV deutlich unter einen Kubikmikrometer und der Operator ist gezwungen, die Analyse mit den Cu Lα- (0,93 keV) und Au Mα-Linien (2,12 keV) durchzuführen. Die Elementzusammensetzungen der Legierung werden in diesem Fall mit relativen Messunsicherheiten von bis zu einigen Zehn Prozent behaftet sein, auch wenn die Quantifizierung mit Referenzmaterialien durchgeführt wurde. Die erhöhten Anforderungen an die Qualität der Probenoberfläche (Probenpräparation), aber auch die für den niederenergetischen Bereich nicht ausreichend gut bekannten Atomdaten, sind die wesentlichen Ursachen für diese Situation. Der Preis, den man für die Adressierbarkeit kleinerer Anregungsvolumina zahlt, ist die signifikante Vergrößerung der Messunsicherheit.

LP: Um einheitliche und präzise Vorgaben zu entwickeln, haben Sie gemeinsam mit dem National Institute of Standards and Technology einen Ringversuch angeregt, an dem sich weltweit neun Nationale Metrologische Institute beteiligen. Welche Untersuchungen wurden hier durchgeführt?

Dr. Hodoroaba: Es gibt einige ISO-Normen, die sehr detaillierte Vorgaben machen, wie eine genaue quantitative Analyse mit ESMA durchgeführt werden soll. Die Nutzung von Röntgenlinien im niederenergetischen Bereich, die zunehmend erforderlich wird, da es um die Adressierbarkeit von Anregungsvolumina unter einem Kubikmikrometer geht, erfordert methodischen Fortschritt. Um der internationalen ESMA-Nutzergemeinschaft ein klares Bild der Möglichkeiten und Limitierungen ihrer Methode zu verschaffen, läuft gegenwärtig ein Ringversuch an Cu-Au-Legierungen in einer Gruppe von internationalen Analytikern aus nationalen metrologischen Instituten unter dem Dach der Internationalen Meterkonvention in Paris (BIPM). Klar definierte Messbedingungen, einheitlich präparierte Cu-Au-Legierungsproben und die Erarbeitung von detaillierten Messunsicherheitsbudgets sollen helfen, die aktuellen physikalischen Grenzen dieser Analysenmethode zu definieren. Solche Ringversuche, die auch für eine Reihe weiterer Oberflächenanalysemethoden unternommen werden, sind die Hauptaktivität dieser Analytikergruppe. Die Ringversuchsteilnehmer haben ihre Messungen bereits abgeschlossen und die Daten bei den Organisatoren des Ringversuchs, der BAM für ED-ESMA und dem NIST für WD-ESMA eingereicht. Die Datenauswertung ist im Gange. Erste Ergebnisse werden in der jährlichen Sitzung der Arbeitsgruppe im April 2012 vorgestellt und diskutiert

Vielen Dank für das Gespräch Herr Dr. Hodoroaba.

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