Derivatisierung von Perfluorcarbonsäuren mit DMF-DMA PFOA & Co. auf der Spur
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Perfluorcarbonsäuren (PFCA) sind in der Industrie beliebt aber schädlich für die Umwelt und – nicht leicht zu analysieren. Der dritte Teil unserer Artikelserie beschreibt eine weitere Derivatisierungsmethode, mit der Ihre GC-MS-Analyse gelingt.

Perfluorcarbonsäuren (PFCA) sind in Industrie und Alltagsprodukten weit verbreitet. Grund dafür sind ihre herausragenden chemisch-physikalischen Eigenschaften. Doch viele der Verbindungen gefährden Mensch und Umwelt. Und ihre (Umwelt-) Analytik ist nicht trivial – die Problematik der Analytik von Perfluorcarbonsäuren (PFCA) wurde im ersten Artikel dieses Dreiteilers bereits ausführlich beschrieben. Mehrere gaschromatographische Methoden wurden für die Analyse von Perfluorcarbonsäuren (PFCA) veröffentlicht. Zu den häufigsten gehören Umesterung, Silylierung und Bildung von Aniliden. Im zweiten Teil dieser Artikelserie wurde eine neue Silylierungsreaktion beschrieben, die direkt in Wasser stattfindet. Nun soll eine weitere Reaktion vorgestellt werden, die zur Bestimmung von PFCA verwendet werden kann. Die neue Reaktion erfolgt mithilfe von Dimethylformamid-Dimethylacetal (DMF-DMA) bzw. DMF-DEA (Dimethylformamid-Diethylacetal).
Warum DMF-DMA für die Derivatisierung?
DMF-DMA ist ein bekanntes Alkylierungsmittel, das auf dem Markt unter dem Namen Methyl-8 als Lösung in Pyridin erhältlich ist. Diese Verbindung ist sehr reaktiv, weil sie sowohl eine elektrophile als auch eine nukleophile Stelle besitzt [1].
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Das Kohlenstoffatom ist an drei elektronenziehende Gruppen (zwei Methoxy- und eine Dimethylaminogruppe) gebunden, welche die elektrophile Stelle bildet. Das Stickstoffatom ist an zwei Methylgruppen und ein Kohlenstoffatom gebunden und trägt ein einzelnes Elektronenpaar.
Die Bildung von Methylester von PFCA mit DMF-DMA wurde bereits 1977 von Eliott mittels GC-FID untersucht [2]. Er stellte fest, dass eine kleine Menge an Wasser notwendig ist, um die Reaktion zu katalysieren. Das erste Ziel der Forschung war die von Eliott beschriebene Methode für die Anwendung mit GC-MS Systemen anzupassen. Da Wasser die Sensitivität des Massenspektrometers verschlechtert, konnten diese Reaktionsbedingungen jedoch nicht direkt übernommen werden. Aus diesem Grund, wurde die Reaktion in organischem Lösungsmittel ohne Zugabe von Wasser durchgeführt. Im Zuge der Forschung hat sich herausgestellt, dass unter diesen Bedingungen zwar ein Ester gebildet wird, jedoch tauchte dieser nur als ein Nebenprodukt auf. Die Struktur des Hauptproduktes und die Art und Weise, wie es entsteht, waren zu Beginn der Forschung ein Rätsel.
Bildung von PFCA-Derivaten
Für die Strukturaufklärung des Hauptproduktes wurden verschiedene massenspektrometrische Analysen durchgeführt: ESI (Elektrospray Ionisation), Direct Analysis in Real Time (DART) und (in Kombination mit GC) Elektronenstoßionistaion (EI), sowie Positive Chemische Ionisation (PCI).
Für alle massenspektrometrischen Analysen wurde Perfluoroktansäure (PFOA) in Acetonitril oder MTBE gelöst und mit DMF-DMA bzw. DMF-DEA gemischt. In einer optimierten Reaktion erfolgt die Derivatisierung durch Zugabe von 50 µl 0,4 M DMF-DMA-Lösung zu 200 μl PFCA-Lösung. Die Probe kann ohne weitere Bearbeitung direkt in das GC-System injiziert werden.
Im ersten Schritt wurden GC-MS-EI-Analysen von zwei Reaktionsgemischen durchgeführt: PFOA mit DMF-DMA und mit DMF-DEA. Dabei konnte beobachtet werden, dass in beiden Reaktionen das gleiche Hauptprodukt (Peak 1 in Abb. 2) gebildet wird. Das weist darauf hin, dass das detektierte Hauptprodukt kein Ester sein kann, da DMF-DMA und DMF-DEA verschiedene Ester bilden. Ein Ethylester kann als Nebenprodukt (Peak 2 in Abb. 2) beobachtet werden. Die Retentionszeit von Methylester ist zu kurz und kann auf dem Chromatogramm nicht erfasst werden. Dieses Ergebnis weist darauf hin, dass die Methoxy- bzw. Ethoxy-Gruppen von den Derivatisierungsmitteln, in der Bildung des Hauptproduktes nicht beteiligt sind.
Das Spektrum des Hauptproduktes zeigte ein starkes Signal bei m/z 426, was intuitiv keinem logischen Produkt der Reaktion zugeordnet werden konnte (s. Abb. 3). Als nächstes wurde eine GC-MS-PCI-Analyse durchgeführt. Außer dem Fragment-Ion bei m/z 426, wurden auf dem PCI-Spektrum auch größere Fragment-Ionen bei m/z 442 und 451 beobachtet. Aufgrund dieser beiden Spektren wurde die Hypothese aufgestellt, dass die Masse der Verbindung 470 u beträgt. Somit würde ein kleines Signal bei m/z 469 in EI einen Fragment [M-H]+ entsprechen. Das Fragment-Ion bei m/z 451 in PCI Spektrum konnte dann durch Verlust von 19 u, F• entstehen.
Im nächsten Experiment, wurde das unbekannte Produkt der Reaktion von PFOA mit DMF-DMA, einer ESI- und DART-Analyse im positiven und negativen Ionenmodus unterzogen. Das positive ESI-Spektrum lieferte nur ein Signal bei m/z 615.1812, das leider nicht mit dem EI-Ergebnis korreliert werden konnte.
Ähnlich wie bei der ESI lieferte auch die positive DART-Analyse nur ein Ion bei m/z 615.1801. Auch das negative ESI-Spektrum hat ein Signal bei sehr hohen m/z gezeigt: 927.0404. Die ESI- und DART-Ergebnisse führten zu der Vermutung, dass in der Probe mehrere Cluster-Ionen gefunden wurden. Da die Masse von einem PFOA-Anion 413 u beträgt, könnte das Cluster-Anion mit m/z 927 aus zwei PFOA-Anionen und einem kleinen Kation mit der nominellen Masse 101 u bestehen. Dieser Denkrichtung folgend, sollte ein Kation bei m/z 615 aus einem PFOA-Anion (413 u) und zwei massearmen Kationen (je 101 u) zusammengesetzt sein. Auf diese Weise wurde die Strukturformel [C5H13N2]+ dem Kation des Cluster-Ions zugewiesen. Somit konnte gezeigt werden, dass das unbekannte Hauptprodukt ein Salz sein muss.
Um dies zu beweisen, sollte ein Kation bei m/z 101 in der Probe nachgewiesen werden. Daher, wurde als nächstes eine Liquid Injection Field Desorption/Ionization (LIFDI) TOF-MS-Analyse durchgeführt. Die Felddesorption (FD) ist für die Analyse organischer Salze [C+A–] gut etabliert. Mit diesem Instrument können Ionen in diesem niedrigen Bereich nachgewiesen werden. Die Durchführung des Experiments ergab ein LIFDI-Spektrum mit einem Basispeak bei m/z 101.12, der dem [C5H13N2]+ Iminium-Kation zugeordnet werden konnte.
Das Derivatisierungsmittel (DMF-DMA) unterliegt in Gegenwart von Perfluorcarbonsäure eindeutig einer Umlagerung und bildet ein sehr stabiles Kation, welches bei m/z 101 nachgewiesen werden kann. In der Lösung bildet sich ein N,N,N',N'-Tetramethylformamidinium-Salz der PFOA (s .Abb. 4).
Mit diesen Erkenntnissen konnten die GC-MS-EI-Daten überarbeitet werden, um zusätzliche Informationen zu liefern. Ein Salz, das aus PFOA und DMF-DMA gebildet wird, kann nicht in dieser Form mittels GC-MS nachgewiesen werden. Hier muss eine weitere Reaktion innerhalb des Injektionsblocks des GC erfolgen. Dabei kann ausgeschlossen werden, dass sich das Salz zersetzt, da bei dieser Reaktion PFOA freigesetzt würde, welches als ein breiter Peak zu finden wäre.
Eine mögliche Reaktion dieses Salzes im Injektor ist die Decarboxylierung. Das Phänomen des CO2-Verlusts aus einer Halogenessigsäure im GC-Injektor, ist in der Literatur ausführlich beschrieben [4, 5]. Abbildung 5 zeigt die Decarboxylierung im Injektor und das Hauptprodukt der Reaktion.
Forschung vs. Anwendung
Nach der Aufklärung des Ablaufs der Reaktion, konnte eine DMF-DMA-Derivatisierungsmethode entwickelt werden. Aus dieser Untersuchung wurden klare Erkenntnisse gewonnen: Während Alkohole und Pyridin die Umesterung fördern, eignen sich die unpolaren Lösungsmittel, wie Hexan und MTBE, gut für die Amin-Bildung. Danach wurde die Reaktion mit der Inkubation der Probe bei 60 °C für 30 Minuten und bei 80 °C für 15 Minuten untersucht. Das Ergebnis bestätigte die Vermutung, dass die Reaktion im Injektor stattfindet. Es konnte kein Unterschied zwischen der Reaktion bei Raumtemperatur und der Reaktion bei 60 °C oder 80 °C beobachtet werden.
Nach einer aufwändigen Forschung über den Einfluss von Matrixeffekten auf die Reaktion konnte festgestellt werden, dass zur Quantifizierung von PFCA in realen Proben das Standard-Additionsverfahren am besten geeignet ist. Die Methode wurde erfolgreich für drei Arten von Proben verwendet: Zahnseide, Textilien und Klärschlamm. In imprägnierten Textilien wurden, sowohl mit LC-MS/MS, als auch mit GC-MS alle PFCA nachgewiesen. In Klärschlammproben konnten mit der DMF-DMA-Methode keine PFCA nachgewiesen werden, jedoch fand man Wiederfindungsraten von aufgestockten Klärschlammproben für alle PFCA im Bereich von 91% bis 104%. Die Extraktionslösungen sollten für jede Probenart sorgfältig ausgewählt und überprüft werden. Wenn diese Voraussetzung erfüllt wird, kann die in dieser Arbeit entwickelte DMF-DMA-Methode zur Analyse von PFCA in festen Proben verwendet werden.
Was braucht man mehr?
Beide in dieser Artikelreihe beschriebenen Methoden haben das Potenzial, in vielen Laboratorien zur PFCA-Analyse verwendet werden zu können. Sowohl die TESiOH-Derivatisierung, als auch DMF-DMA-Derivatisierung, sind sehr schnell, einfach und die Probenvorbereitung erfolgt in wenigen Schritten. Darüber hinaus ist keine besondere Laborausstattung erforderlich, um diese Reaktionen durchzuführen.
GC-MSD ist eine der einfachsten und günstigsten Kopplung einer gaschromatographischen Trennung und massenspektrometrischen Detektion. Dies qualifiziert die entwickelten Methoden dafür, eine Standardanalysemethode für PFCA in vielen analytischen Laboratorien zu werden, da GC-MSD-Systeme günstiger und einfacher zu bedienen sind, als die LC-MS/MS-Systeme. In dieser Arbeit stellte die Hintergrundkontamination das größte Problem für beide Methoden dar. Viele Kontaminationsquellen konnten schnell ausfindig gemacht und eliminiert werden, andere konnten sehr lange nicht identifiziert werden. Niedrigere Nachweis- und Bestimmungsgrenzen beider Methoden können durch Anwendung von empfindlicheren MS-Detektoren erreicht werden.
Originalpublikationen:
[a] M. Strózynska, Entwicklung neuer Derivatisierungsmethoden für die GC-MS Analyse von Perfluorcarbonsäuren in variablen Probenmatrices. Eingereichte Dissertation, Universität Koblenz-Landau, eingereicht 11.02.2020.
[b] M. Strózynska; J.H. Gross; K. Schuhen: Structural investigation of perfluorocarboxylic acid derivatives formed in the reaction with N,N-dimethylformamide dialkylacetals. Eur J Mass Spectrom 2019; 30. doi: 10.1177/1469066719880546
[c] M. Strózynska; K. Schuhen: Derivatization of Perfluorocarboxylic Acids with N,N-Dimethylformamide Dimethylacetal Prior to GC–MS Analysis. Chromatographia 2020; 83 (3). doi: 10.1007/s10337-019-03850-6
Literatur:
[1] Abu-Shanab FA, Sherif SM, Mousa SAS. Dimethylformamide dimethyl acetal as a building block in heterocyclic synthesis. J Heterocyclic Chem 2009;46(5):801–27.
[2] Elliott DE. Anomalous Response off the Flame lonization Detector to Perfluorinated Carboxylic Acids. J Chrom Sci 1977;15(10):475–77.
[3] Stróżyńska M, Gross JH, Schuhen K. Structural investigation of perfluorocarboxylic acid derivatives formed in the reaction with N,N-dimethylformamide dialkylacetals. Eur J Mass Spectrom 2019;30. doi:10.1177/1469066719880546.
[4] Drechsel D, Dettmer K, Engewald W, et al. GC Analysis of Trichloroacetic Acid in Water Samples by Large-Volume Injection and Thermal Decarboxylation in a Programmed-Temperature Vaporizer. Chromatographia 2001;54(3-4):151–54. doi:10.1007/BF02492235.
[5] Xie Y. Analyzing Haloacetic Acids Using Gas Chromatography/Mass Spectrometry. Water Res 2001;35(6):1599–602.
* M. Strozynska und Dr. K. Schuhen: Wasser 3.0 gGmbH, 76187 Karlsruhe *M. Strozynska: SAS hagmann GmbH, 72160 Horb am Neckar
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