Expedition Mikroplastik Plastikfahndung auf hoher See
Was passiert mit dem Plastikmüll, der tonnenweise in den Weltmeeren landet? Zahlreiche Studien beschäftigen sich mit dieser Frage. Nun soll eine Expedition über den Pazifik neue Erkenntnisse liefern. Dabei steht u.a. die Verteilung des Plastiks von der Oberfläche bis zum Meeresgrund im Fokus. Was die Forscher sonst noch untersuchen wollen, verrät dieser Beitrag.
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Leipzig – Millionen Tonnen Plastikabfälle gelangen jährlich über Flüsse, durch Wind und Abwässer ins Meer und verbleiben dort. „Detaillierte Daten darüber, wo sich welche Mengen Plastik ansammeln, gibt es bisher nicht“, sagt Dr. Annika Jahnke vom Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ). Die bisherigen Schätzungen beruhen auf Computermodellen, Einzeldaten und Beobachtungen aus der Luft. „Das wollen wir konkretisieren und herausfinden, was mit dem Plastik im Ozean passiert und welche Effekte Mikroplastik auf die Umwelt hat“, ergänzt die Umweltchemikerin.
Am 30. Mai ist es dann soweit: Im kanadischen Vancouver startet ein Team von 19 Projektteilnehmern eine Expedition über den Pazifik. An Bord des Forschungsschiffs „Sonne“ sind vor allem Biologen, Ökotoxikologen und Umweltchemiker. Sie werden während der Überfahrt an mehreren Stationen Proben sammeln – darunter auch im North Pacific Garbage Patch, einem der größten Müllteppiche im Pazifik – aber auch an weniger belasteten Orten. Bis zum 5. Juli soll die Expedition an ihrem Ziel in Singapur ankommen.
Von der Oberfläche bis zu Meeresgrund
Den Wissenschaftlern geht es vor allem darum, Proben aus dem Oberflächenwasser, der Wassersäule und vom Meeresboden zu sammeln. „Die Wassersäule wurde bislang wenig untersucht“, erläutert Jahnke. Die Forscher hoffen, dadurch mehr über die vertikale Verteilung der Kunststoffpartikel herauszufinden und mögliche Gradienten in Hinblick auf ihre Konzentration, Zusammensetzung, Alter und Bewuchs mit Biofilmen zu identifizieren.
Eine Analyse der Proben vom Meeresboden soll zudem Informationen über Plastikmaterial in den Sedimenten liefern und darüber, wo Mikroplastik im Meer verbleibt. Die Wissenschaftler vermuten nämlich, dass sich die Mehrheit des Materials am Meeresboden ablagert. „Durch die Messungen werden wir feststellen können, ob sich tatsächlich nur ca. ein Hundertstel des gesamten Plastiks an der Wasseroberfläche befindet“, sagt die Umweltchemikerin. Sowohl die Sedimentproben als auch das Wasser werden außerdem auf Schadstoffe untersucht, um herauszufinden, welche Stoffe Mikroplastik an die Meeresumwelt abgibt oder daraus aufnimmt.
Die Meere vom Plastik befreien – dieses Ziel haben drei ambitionierte Projekte, die wir Ihnen im verlinkten Beitrag näher vorstellen:
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Verwitterung unter Realbedingungen erforschen
Ein weiteres Anliegen der Forscher ist es zu analysieren, wie sich die Polymerstruktur der Plastikpartikel im Laufe der Zeit im Wasser verändert. „Wir wissen bislang nur wenig über die Verwitterung von marinem Plastik“, sagt Jahnke. „Es gibt zwar Schätzungen, aber keine soliden Daten.“ Bisher wurde die Verwitterung meist im Labor simuliert. Daher gibt es an Bord des Forschungsschiffs extra Stahlbecken, die mit Meerwasser gefüllt sind. Darin wollen die Wissenschaftler direkt vor Ort untersuchen, welchen Einfluss die Sonnenstrahlung, der Salzgehalt und die Temperatur auf den Verwitterungsprozess von Plastik haben. „Hier geht es darum, unsere vorherigen Laborexperimente mit den Feldexperimenten zu ergänzen“, erläutert die Forscherin.
Die Verwitterung hat zur Folge, dass Plastikgegenstände allmählich zerfallen und sich letztlich feine Polymerpartikel bilden, also noch mehr Mikroplastik. Diese Partikel neigen dazu, sich mit Mikroorganismen-Gemeinschaften zu Heteroaggregaten zu verbinden. Die Forscher gehen davon aus, dass diese Biofilme eine entscheidende Rolle für den Verbleib, den Transport und die Verwitterung von marinem Plastik spielen. Daher werden sie die Biofilme analysieren sowie deren Funktion und Rolle für biogeochemische Kreisläufe der Meeresumwelt untersuchen. Studien lassen vermuten, dass sich die kunststoffbesiedelnden Biofilme von anderen marinen mikrobiellen Gemeinschaften unterscheiden, und dass Plastik daher ein neuer Lebensraum für Mikroben in marinen Systemen ist – mit noch nicht absehbaren Folgen.
„Uns geht es darum, die Felddaten mit bestehenden Modellen abzugleichen“, sagt die UFZ-Wissenschaftlerin. „Nach der Auswertung können wir besser abschätzen, wieviel Plastik in den Ozeanen vorkommt und welche Auswirkungen Mikroplastik auf die marine Umwelt hat. Wir werden mehr über das Vorkommen und den Verbleib von Plastik erfahren und darüber, ob der Meeresboden so wie angenommen eine so große Senke von Plastik ist“, fasst Jahnke zusammen.
Zum Projekt: Dr. Annika Jahnke vom Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) leitet das bis zum Jahr 2021 laufende und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Projekt Micro-Fate. Der Name Micro-Fate steht für Characterizing the fate and effects of microplastic particles between hotspots and remote regions in the Pacific Ocean. An dem Projekt sind Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für keramische Technologien und Systeme (IKTS), des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) und der Stockholm University (SU) in Schweden beteiligt. Dazu kommen das Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung AWI und das Senckenberg Forschungsinstitut, die als Gastinstitutionen an der Expedition teilnehmen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das Projekt bis 2021 mit circa 820.000 Euro.
Aktuelle Informationen von der Reise finden Sie auf dem Helmholtz-Expeditionsblog.
* S. Hufe, UFZ Umweltforschungszentrum, 04318 Leipzig
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