Bestimmung von Mikroplastik textilen Ursprungs Plastikschleuder Waschvollautomat?
Anbieter zum Thema
Dass Textilien während des Waschens Mikroplastik freisetzen, wurde in zahlreichen Studien dokumentiert. Allerdings bezweifeln Forscher das Ausmaß der tatsächlichen Belastung in Ermangelung einer Vergleichbarkeit der Arbeiten. Um Sicherheit zu erlangen, schlagen sie eine harmonisierte Messmethodik vor, mit der Thermischen Extraktions- und Desorptions-Gaschromatographie-Massenspektrometrie (TED-GC/MS) als zentraler Analysetechnik.

Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen haben bestätigt, dass Textilien während des Waschvorgangs in haushaltstypischen Waschvollautomaten Mikroplastik in Form polymerer Faserbestandteile emittieren. Welche Rolle textiles Mikroplastik (MP) im globalen Kontext spielt, darüber gehen die Meinungen allerdings auseinander: Die einen sehen in Textilien die wichtigste Quelle für Mikroplastik. Für andere leisten Bekleidungsstücke nur einen marginalen Beitrag etwa an der Verschmutzung der Ozeane durch Plastikmüll [1]. Es stellt sich die Frage, wie derart widersprüchliche Aussagen möglich sind.
Fehlende Standards
Das liege u. a. daran, sagt Dr. Korinna Altmann von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) in Berlin, dass „die jeweiligen Studienergebnisse aufgrund unterschiedlicher methodischer Herangehensweisen und Ergebnisdarstellungen nicht oder nur schwer miteinander vergleichbar sind“. Hierdurch werde das Gesamtbild des Problems verzerrt, seien eindeutige Interpretation kaum möglich. Um Studienergebnisse vergleichen zu können und verlässliche und reproduzierbare Aussagen zur Quantifizierung der Menge an Mikroplastik durch den Waschprozess zu erhalten, brauche es einen anderen, „ganzheitlichen Ansatz, der alle Faktoren und Standards des Waschens berücksichtigt“, sagt die Chemikerin und Polymerexpertin; hierunter fallen Parameter wie die Art der Waschmaschine, das Waschprogramm, das eingesetzte Waschmittel, die jeweilige Wäscheladung oder Schmutzfracht.
Das große Ganze im Blick
Diesen ganzheitlichen Ansatz im Blick hatten Heller et al., als sie sich an die Arbeit machten, der Entstehung von Mikroplastik (Kunststoffe < 5 mm [2]) aus Textilien in Privathaushalten üblichen Waschmaschinen auf den Grund zu gehen. Ihr Ziel sei es gewesen, berichten die Forscher im Fachjournal Applied Research [3], einen Beitrag zu leisten „zur Harmonisierung und Standardisierung auf Basis eines experimentellen Ansatzes, der den realistischen Waschprozess spiegelt, um die Menge an Mikroplastik der textilen Abbauprodukte im Waschwasser sowie die Veränderung der Textilie selbst zu erfassen“. Claudia Heller, seinerzeit Doktorandin an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Berlin, ist Erstautorin der Publikation; die Bestimmung textilen Mikroplastiks war Teil ihrer Promotion [4]. Korinna Altmann sowie weitere Expertinnen und Experten des Umweltbundesamtes, der HTW und der Plymouth University (England) sind als Mitautoren [3] genannt.
Ursache mangelnder Vergleichbarkeit
Die meisten veröffentlichten Studien, die Heller und Kollegen in ihrer Vorbereitung auf die experimentelle Phase ihrer Studie gesichtet hatten, spiegelten nach eigenen Angaben keine Tests unter realistischen Haushaltsbedingungen wider und/oder ließen internationale Normen wie die IEC 60456 (legt Verfahren zur Messung der Gebrauchseigenschaften von Haushalt-Waschmaschinen für Textilien fest [5]) und die DIN EN ISO 6330 (Nichtgewerbliche Wasch- und Trocknungsverfahren zur Prüfung von Textilien [6]) für die Methodik des Waschprozesses außer acht. Diese Normen seien jedoch entwickelt worden, um Waschprozesse unter standardisierten Bedingungen zu untersuchen und vergleichbare Resultate zu erzeugen. Da insbesondere die Freisetzung von Mikroplastik aus Textilien während des Waschens als zentraler Eintragsweg von Mikroplastik in die Umwelt diskutiert werde [7], habe man sich bei der Versuchsplanung an eben diesen international gültigen Standards orientiert, berichtet Korinna Altmann.
Maximale Realitätsnähe erzeugen
Bei der Vorgehensweise war man von deutschen Waschgepflogenheiten ausgegangen: Heller C et al. wählten zur Simulation der Wirklichkeit haushaltsnahen Waschens als Probenkörper graue Herrenhemden, hergestellt aus 65 Prozent Baumwolle und 35 Prozent Polyester (PES), sowie blaue T-Shirts, bestehend aus 55 Prozent Baumwolle und 45 Prozent Polyamid (PA). Bei dem PA handelte es sich um Polycaprolactam (PA6, eine bekannte Handelsmarke ist Perlon), beim PES um Polyethylenterephthalat (PET), ein weitverbreitetes Polymermaterial, aus dem zahlreiche Kunststoffprodukte unserer Alltagswelt wie Getränke- und Lebensmittelverpackungen hergestellt werden. Neueste Untersuchungen an Zebrafischen als Tiermodell hätten gezeigt, dies nur am Rande bemerkt, dass sich nanokleine PET-Partikel in den Organen, v. a. in der Leber, dem Darm, den Nieren und im Gehirn anreichern. Die Studie habe zudem Korrelation ergeben zwischen der Belastung des Tierorganismus mit PET-Nanoplastik und dem Bewegungsverhalten der Embryonen, wie Bashirova und Kollegen berichten [8].
Weitere experimentelle Schritte
Bei den von Heller und Kollegen verwendeten Haushaltswaschmaschinen handelte es sich um zwei baugleiche Frontlader, das Standardmodell in deutschen Waschküchen, mit einem Fassungsvermögen von acht Kilogramm. Beide wurden mit identischen Wäschemengen bestehend aus jeweils 13 Herrenhemden und acht T-Shirts und einem Gesamtgewicht von vier Kilogramm pro Waschmaschine bestückt. Um möglichst große Realitätsnähe zu erzeugen, dosierten die Forscher zusätzlich künstlichen Schmutz in die sonst saubere Wäsche. Für deren Reinigung wurde allerdings kein konventionelles Waschmittel verwendet, und zwar aufgrund produktionsbedingter Schwankungen in der Zusammensetzung, wie die Forscher schreiben, sondern ein in der IEC 60456 [5] beschriebenes Basispulver. Korinna Altmann: „Beim Waschmittel wie auch beim eingesetzten Schmutz handelt es sich um genormte, damit identische Produkte, also Standards, die dafür entwickelt wurden, um Vergleichbarkeit zu erzeugen.“
Gemäß der Materialzusammensetzung der Textilien wählten die Forscher ein dafür typisches Pflegeprogramm (40 °C, 2 h15 min, 1.200 U/min). Die Wäsche wurde an der Luft getrocknet und nach dem ersten Durchlauf weitere 29-mal unter denselben Bedingungen gewaschen. Um Memory-Effekte zu erkennen, wurde die Waschmaschine, wie Heller und Kollegen berichten, nach dem ersten Waschgang erneut gestartet, ohne Wäsche in der Trommel, wohl aber unter Einhaltung aller anderen Parameter. Zudem wurde nach 19 Waschgängen ein Reinigungsgang gemäß der Empfehlung des Geräteherstellers durchgeführt (Details s. Originalliteratur [3]).
Das Abwasser des 1., 3., 5., 10, 20. und 30. Waschgangs wurde in Edelstahlbehältern gesammelt (kunststofffrei, um potenzielle Kontaminationen mit Mikrokunststoffen zu vermeiden und das Ergebnis nicht zu verfälschen) und über Edelstahlsiebe (Porenweite 500, 100, 50 und 10 µm) fraktioniert filtriert und luftgetrocknet [9]. Gleiches geschah mit dem Abwasser eines dem Experiment vorgeschalteten Waschlaufs. Die Filterrückstände wurden schließlich mittels TED-GC/MS untersucht, um die Masse textilen Mikroplastiks zu bestimmen. Ebenso wurde mit der flüssigen Fraktion (< 10 µm) und dem Abwasser verfahren, das beim Leer-, Prüf- und Reinigungslauf angefallen war; jeweils ein repräsentatives Aliquote wurde, wie Heller und Kollegen es beschreiben, entnommen und für die anschließende TED-GC/MS-Analyse getrocknet.
Textilphysikalische Prüfung
Flankiert von weiteren Analyseverfahren wie der Bestimmung des gesamten organischen Kohlenstoffs (TOC-Wert) und der Rasterelektronenmikroskopie (REM) stellten Heller und Kollegen die TED-GC/MS-Analytik [10, 11] in das Zentrum ihrer analytischen Arbeit. Bei der TED-GC/MS handelt es sich um eine Kombination aus thermogravimetrischer Analyse und GC/MS-System: „Anders, als es bei anderen Untersuchungen zur Freisetzung von Mikroplastik aus Textilien getan wird, gehen wir nicht allein gravimetrisch vor“, betont Dr. Korinna Altmann, „sondern wir bestimmen die resultierenden Pyrolysefragmente zudem mittels GC/MS, wodurch wir klar zwischen Synthese- und Naturfaser im Abwasser von Waschmaschinen unterscheiden können.“
Ein Blick auf die die technischen Details der TED-GC/MS (s. Abb. 3): Die feststofflichen Filtrate der einzelnen Waschgänge werden in einer Thermowaage (TGA 2, Mettler-Toledo) unter Inertgas von 25 °C auf 600 °C erhitzt (s. Abb. 3, A). Die Zersetzungsprodukte gelangen in die Gasphase (B) und werden auf ein Sorbens aus Polydimethylsiloxan (PDMS) angereichert (C), der nach definierter Zeit vollständig automatisiert (Multi-Purpose-Sampler, Gerstel-MPS, D) auf eine Thermodesorptionseinheit (Thermal-Desorption-Unit, Gerstel-TDU2) überführt wird. Von hier gelangen die Pyrolyseprodukte durch Ausheizen (270 °C) in den GC-Eingang (Kalt-Aufgabe-System, Gerstel-KAS, E), wo sie kryofokussiert (–100 °C) und auf die Trennsäule (GC-Säule HP-5MS, 30 m x 0,25 mm, 0,25 µm, Agilent Technologies) des GC (7890, Agilent Technologies) überführt, aufgetrennt und schließlich massenselektiv (MS 5977B, Agilent Technologies) detektiert werden. Helium dient als Trägergas, die Flussrate beträgt 1 mL/min. Die Detektion erfolgte im Scan-Modus (230 °C; Elektronenstoßionisation [70 eV]). Die Nachweisgrenzen für PET und PA lagen laut Heller und Kollegen bei 0,24 µg absolut, als interner Standard wurde fünffach deuteriertes Polystyrol (d5PS) verwendet. [3]
Erfolgreich Zweifel ausgeräumt
Heller und Kollegen haben in ihrer Studie einige interessante Feststellungen gemacht. Beispielsweise habe sich gezeigt, dass Gewebe, das gewaschen werde, mit jedem Waschgang luftundurchlässiger werde, u. a. weil es von Waschgang zu Waschgang mehr und mehr schrumpft, mutmaßen die Forscher. Das Gewebe werde zudem mit jedem Waschgang schwerer, wohl weil sich darauf Kalk, Rückstände von Reinigungsmitteln und Schmutz ablagerten. Dies hätten Untersuchungen mit dem Elektronenmikroskop ergeben. Nicht zuletzt aber habe sich gezeigt, dass unter haushaltsähnlichen Waschbedingungen nur ein sehr geringer Anteil an synthetischen Kunststoffen auf den Siebrückständen der Filter zu finden ist: „Nicht alles, was beim Waschvorgang aus dem Textilgewebe ausgespült wird, ist Mikroplastik“, schreiben Heller und Kollegen. Bei einem Großteil des Rückstands in den Sieben der fraktionierten Filtration handle es sich um Baumwollfasern – die mit zu einem verzerrten Bild über die Belastung des Abflusses aus Waschmaschinen mit Mikroplastik beitragen, wenn man allein gravimetrisch an die Sache geht, erinnert BAM-Expertin Altmann.
Offenkundig sei, dass sich die Freisetzung von Mikroplastik von Kleidungsstück zu Kleidungsstück unterscheide, was wiederum mit dem Aufbau der Textilie zu tun hat: „Polyamid wird im Gestrick als Endlosfaser verarbeitet, während PET im Gewebe als Stapelfaser eingebracht wird, wodurch es sich ebenso wie Baumwolle leichter von der Oberfläche ablöst“, schreiben Heller und Kollegen. Die Kenntnis des Textilaufbaus respektive jenes der Fasern, Garne oder Stoffe sei folglich erforderlich, um zu erklären, wie und warum Mikroplastik aus Textilien freigesetzt werden.
Was am Ende zu sagen bleibt
Bei der Klärung, inwieweit Textilien zur Belastung der Umwelt mit Mikroplastikpartikeln beitragen, sind noch viele Fragen unbeantwortet, sagt Dr. Korinna Altmann. „Wir wissen“, schildert die Expertin, „dass Textilien während des ersten Waschgangs die größte Fasermasse verlieren.“ Von Vorteil wäre es daher, würden Textilien von Herstellerseite unter kontrollierten Bedingungen gewaschen, bevor sie in den Handel kommen. Produktionsbedingte kurze Faserreste, die locker in der Textilmatrix lägen, würden damit ebenfalls entfernt und könnten nicht in die Umwelt gelangen, etwa durch Wind. Apropos: „Vielleicht findet der größte Eintrag von Mikroplastik in die Umwelt während des Tragens einer Textilie statt und nicht infolge des Waschprozesses, wir wissen es nicht“, sagt Dr. Altmann. Es sei noch viel Forschung erforderlich, um Klarheit zu erlangen. Wichtig hierbei ist, Standards zu definieren um Vergleichbarkeit gewährleisten und das Problem einer Belastung der Umwelt mit textilen Mikroplastikpartikeln objektiv bewerten zu können.
Referenzen:
[1] Tiffin L et al. (2021), Reliable quantification of microplastic release from the domestic laundry of textile fabrics, The Journal of the Textile Institute 2021,113,558, https://doi.org/10.1080/00405000.2021.1892305
[2] ISO/TR 21960:2020, Plastics – Environmental aspects – State of knowledge and methodologies (ISO/TR 21960:2020), https://www.iso.org/obp/ui/#iso:std:iso:tr:21960:ed-1:v1:en
[2] Heller C et al. (2023), Garment ageing in a laundry care process under household-like conditions, Applied Research 2023;e202200086, https://doi.org/10.1002/appl.202200086
[3] Heller C (2020), Entwicklung einer Methode zum haushaltsnahen Waschen zur Beurteilung der Alterung von Bekleidung, Mensch und Buch Verlag, https://www.isbn.de/buch/9783967291636/entwicklung-einer-methode-zum-haushaltsnahen-waschen-zur-beurteilung-alterung-von-bekleidung
[4] IEC 60456:2010+AMD1:2022 CSV Consolidated version, Clothes washing machines for household use - Methods for measuring the performance, https://webstore.iec.ch/publication/81015
[5] DIN EN ISO 6330:2013-02, Textilien - Nichtgewerbliche Wasch- und Trocknungsverfahren zur Prüfung von Textilien (ISO 6330:2012); Deutsche Fassung EN ISO 6330:2012, https://www.beuth.de/de/norm/din-en-iso-6330/169964264
[6] BMBF (2021) Mikroplastik textilen Ursprungs – Eine ganzheitliche Betrachtung: Optimierte Verfahren und Materialien, Stoffströme und Umweltverhalten, https://bmbf-plastik.de/de/verbundprojekt/textilemission
[7] Bashirova N et al. (2023), A mechanistic understanding of the effects of polyethylene terephthalate nanoplastics in the zebrafish (Danio rerio) embryo, Scientific Reports 13:1891, https://doi.org/10.1038/s41598-023-28712-y
[8] Bannick CG et al. (2019), Development and testing of a fractionated filtration for sampling of microplastics in water, Water Research 149:650-658, https://doi.org/10.1016/j.watres.2018.10.045
[9] Deußing G (2021), Plastik in Flaschen: Mikroplastik effizient in Getränken bestimmen, Laborpraxis, https://www.laborpraxis.vogel.de/plastik-in-flaschen-mikroplastik-effizient-in-getraenken-bestimmen-a-33cf55511519443cb9ce8e46f2507d76/
[10] Korinna Altmann (2020), TED-GC/MS: Schnelle Bestimmung von Mikroplastik-Massegehalten in verschiedenen Proben, Mitteilungen der GDCh-Fachgruppe Umweltchemie und Ökotoxikologie 26;2: 55-57, https://www.gdch.de/netzwerk-strukturen/fachstrukturen/umweltchemie-oekotoxikologie/publikationen/mitteilungen/archiv/jahrgaenge.html
(ID:49468085)