Gesundheitsbelastung durch Zitrusreiniger und Co. Putzmittel – die Autoabgase des Haushalts?
Sie duften nach Zitrone oder Pinie. Doch der gute Geruch von Putzmitteln ist trügerisch. Eine aktuelle Studie von Forschern der amerikanischen Universität Indiana legt nahe, dass die flüchtigen Bestandteile von Haushaltsreinigern ähnlich schädlich auf die Lunge wirken wie Abgase aus Straßenschluchten.
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Bloomington/USA (dpa) – Büros, Sportstudios und Läden, aber auch Privathaushalte sind in den vergangenen zwei Jahren vermutlich besonders intensiv geputzt und desinfiziert worden. Doch handelsübliche Reinigungsmittel zur Desinfektion von Oberflächen in Innenräumen können winzige Schadstoffpartikel in die Atemwege von Menschen einbringen. Das berichten amerikanische Wissenschaftler in einer aktuellen Studie.
Dass Putzmittel nicht nur sauber machen, sondern auch gesundheitsschädlich wirken könnten, haben bereits zahlreiche Untersuchungen nahegelegt. So stellte eine 2018 veröffentlichte norwegische Langzeitstudie fest, dass Menschen, die sehr viel putzen, eine schwächere Lunge hätten als solche, die nie sauber machten [1]. Den stärksten Abfall der Lungenfunktion beobachteten die Wissenschaftler der Universität Bergen bei Reinigungskräften. Eben jene standen auch im Fokus einer belgischen Studie, die ein Jahr zuvor berichtete, dass das Sterberisiko männlicher Reinigungsfachkräfte deutlich höher sei als etwa das von Büroangestellten [2]. Privatpersonen könnten sogar noch gefährdeter sein, da sie wenig über entsprechende Sicherheitsmaßnahmen wüssten sowie die Produkte falsch anwenden oder bedenkenlos kombinieren würden.
Zu den grundlegenden Vorsichtsmaßnahmen gehöre das Tragen von Handschuhen, wie die Autoren der belgischen Untersuchung schreiben. Dass allerdings nicht nur direkter Hautkontakt problematisch sein könnte, legt nun die aktuelle Studie eines Teams um die Chemikerin Colleen Rosales nahe, die zum Zeitpunkt der Arbeit an der amerikanischen Indiana University forschte.
Potenzielles Gesundheitsrisiko durch „natürliche“ Düfte
Die Wissenschaftler konzentrierten sich auf die primären und sekundären Emissionen der Putzmittel und dabei insbesondere auf solche, die „natürlich“ nach Zitrusfrüchten oder Pinie riechen. Derartige Reiniger enthalten häufig Monoterpene, welche die Hauptbestandteile ätherischer Öle bilden. Zu den bekanntesten gehören Limonene, Alpha- und Beta-Pinen sowie Campher.
Wie die Forscher beschreiben, setzen diese Mittel flüchtige organische Verbindungen (engl. VOCs für Volatile Organic Compounds) frei. VOCs können aus zahlreichen Quellen stammen. Einige davon können Sinnesreizungen, Kopfschmerzen, aber auch Organschäden und selbst Krebs verursachen, wie aus einer Auflistung der US-Umweltschutzbehörde EPA hervorgeht [3]. Außerdem könnten VOCs oxidieren, wodurch sekundäre organische Aerosole (SOA) entstünden, darunter Peroxide, Alkohole, Carbonyle und Carbonsäuren.
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Menschliche Emissionen gemessen
Innenraumluft: Chemieschleuder Mensch
Viertelstunde Wischen für die Raumluftanalyse
Um diese primären und sekundären Emissionen zu messen, richteten Rosales und ihre Kollegen einen Testraum ein, der mit einer Größe von gut 20 Quadratmetern einem typischen Büro entsprechen sollte. Dieser wurde mit einem handelsüblichen, auf Monoterpenen basierendem Putzmittel eine knappe Viertelstunde gewischt und gereinigt, während die Wissenschaftler kontinuierlich die Raumluft analysierten.
Auf Grundlage ihrer Raumluftanalyse errechneten die Forscher, dass eine Person, die einen derartigen Reiniger nutzt, zu Beginn des Wischens etwa 30 bis 40 Mikrogramm primäre flüchtige organische Verbindungen pro Minute einatmet. Hinzu kämen 0,1 bis 0,7 Mikrogramm sekundärer organischer Aerosole, welche durch die Reaktion des Produkts mit der Raumluft entstünden. Massemäßig sei das nicht viel, doch viele der entstandenen Partikel bewegten sich im Nanogrößen-Bereich und könnten so gesundheitliche Relevanz haben, da sie dazu in der Lage seien, in tiefste Regionen der Lunge vorzudringen.
Die Belastung mit solchen Nanoteilchen führte zu Dosiswerten in den Atemwegen, die größer oder vergleichbar seien mit denen, die man durch das Einatmen von verkehrsbedingten Aerosolen in städtischen Straßenschluchten erhalte, heißt es in der Studie.
Tatsächliche Gefahr ist noch schwer abzuschätzen
Die Autoren betonen indes selbst, dass bislang wenig über das toxikologische Profil dieser Teilchen in Innenräumen bekannt ist. Trotz dieser Unsicherheiten bestehe Anlass zur Sorge für Menschen, die etwa aufgrund ihrer Tätigkeit als Hausmeister oder Gebäudereiniger viel Arbeitszeit mit der Reinigung von Oberflächen in Innenräumen verbringen. „Darüber hinaus wird die Exposition am Arbeitsplatz und in Privathaushalten, die zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führt, wahrscheinlich durch die verstärkte chemische Desinfektion von Innenraumoberflächen während der derzeitigen Coronavirus-Pandemie beeinflusst“, schreiben die Autoren. „Intelligentes Lüften“, bei dem die Ozonwerte draußen beachtet werden, könnte laut den Experten helfen, die Ansammlung von Teilchen zu reduzieren.
Originalpublikation:
Colleen Marciel F. Rosales, Jinglin Jiang, Ahmad Lahib, Brandon P. Bottorff, Emily K. Reidy, Vinay Kumar, Antonios Tasoglou, Heinz Huber, Sebastien, Alexandre Tomas, Brandon E. Boor and Philip S. Stevens: Chemistry and human exposure implications of secondary organic aerosol production from indoor terpene ozonolysis, Science Advances, 25 Feb 2022, Vol 8, Issue 8; DOI: 10.1126/sciadv.abj9156
Literatur:
- [1] Svanes Ø, Bertelsen RJ, Lygre SHL, et al.: Cleaning at Home and at Work in Relation to Lung Function Decline and Airway Obstruction, Am J Respir Crit Care Med, 2018;197(9):1157-1163; DOI: 10.1164/rccm.201706-1311OC
- [2] Van den Borre L, Deboosere P.: Health risks in the cleaning industry: a Belgian census-linked mortality study (1991-2011), Int Arch Occup Environ Health, 2018;91(1):13-21; DOI: 10.1007/s00420-017-1252-9
- [3] U.S. Environmental Protection Agency, Indoor Air Quality: Volatile Organic Compounds' Impact on Indoor Air Quality
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