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Biosynthese von elementarem Kohlenstoff Rätselhafte Kohlenstoff-Produzenten im Mikrokosmos

Redakteur: Christian Lüttmann

Eigentlich entsteht er im Erdinneren, bei enormem Druck und hoher Temperatur: elementarer Kohlenstoff. Doch Forscher aus Bremen haben bei bestimmten Mikroorganismen nachgewiesen, dass sie ebenfalls elementaren Kohlenstoff herstellen – bei völlig anderen Bedingungen. Wie sie das schaffen, gilt es nun zu entschlüsseln.

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Die Konsortien aus Archaeen und bakteriellen Partnern unter dem Mikroskop. Die schwarzen Stellen sind zum Teil durch elementaren Kohlenstoff so gefärbt.
Die Konsortien aus Archaeen und bakteriellen Partnern unter dem Mikroskop. Die schwarzen Stellen sind zum Teil durch elementaren Kohlenstoff so gefärbt.
(Bild: Gunter Wegener/ Benedikt Geier, MPI Bremen)

Bremen – Das Leben auf der Erde basiert auf Kohlenstoff. Im Laufe der Evolution haben Lebewesen erlernt, eine große Menge unterschiedlicher Kohlenstoffverbindungen zu bilden und verarbeiten. So ist Kohlenstoff der Angelpunkt der meisten biologisch erzeugten organischen Verbindungen wie Proteine, Kohlenhydrate, Fette und DNA, in Verbindung mit vielen weiteren Elementen wie Wasserstoff, Stickstoff oder Sauerstoff.

In seiner elementaren Form wird Kohlenstoff auf der Erde ohne das Zutun von Leben aus organischen Kohlenstoffverbindungen gebildet. Dies geschieht unter großer Hitze und hohem Druck, wobei alle anderen Elemente wie Wasserstoff und Stickstoff ausgetrieben werden. So wird beispielsweise aus Holz tief im Boden bei erhöhten Temperaturen erst Kohle, dann bilden sich mit weiter zunehmendem Druck und steigender Temperatur reine Kohlenstoffverbindungen wie Anthrazit und Graphit. Dies sind kristalline Formen des Kohlenstoffs. Werden Holz, Gas oder Öl einfach nur verbrannt, bildet sich hingegen Ruß, eine weitgehend ungeordnete Form des Kohlenstoffs. Dass allerdings auch Lebewesen elementaren Kohlenstoff bilden, war bisher nicht bekannt. Doch am Marum – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen haben Wissenschaftler jetzt genau das nachgewiesen.

Unerwartete Entdeckung bei Mikroorganismen

Der Bremer Wissenschaftler Dr. Gunter Wegener kultiviert seit mehr als 15 Jahren Mikroorganismen, die Methan ohne Sauerstoff verbrauchen, um Energie zu gewinnen. Diese den Archaeen zugerechneten Mikroorganismen leben mit bakteriellen Partnern in einer Symbiose. Viel Energie ist aus diesem Prozess für beide Partner nicht herauszuholen, und so wachsen die Konsortien mit für Mikroorganismen sehr langen Verdoppelungszeiten von mehreren Monaten. Schon vor längerer Zeit haben nun Forscher festgestellt, dass die mikrobiellen Konsortien ungewöhnlich dunkel, geradezu schwarz sind. Ein Teil dieser schwarzen Masse wurde schon früh als Metallsulfide beschrieben. Diese bilden sich aus dem zum Nährmedium hinzugesetzten Eisen und dem durch die Partnerbakterien produzierten Sulfid.

Wegeners Kollegen Dr. Kylie Allen und Prof. Robert White an der Virginia Tech (USA) sind ständig auf der Suche nach neuen Biomolekülen und deren Funktionen. Auf ihrer Suche extrahierten sie auch methanoxidierende Kulturen aus dem Labor von Wegener mit organischen Lösungsmitteln. Zurück blieb eine schwarze Masse, die auch durch starke Säuren und Basen nicht gelöst werden konnte. „Erst waren wir ratlos, was diese schwarze Masse wohl war“, sagt White. „Dann nutzten wir andere Methoden, um diesen Stoff als Festphase zu analysieren. Dabei fanden wir heraus, dass es sich um nahezu reinen Kohlenstoff handelte. Dieser Kohlenstoff liegt gänzlich ungeordnet vor, wir sprechen daher auch von amorphem Kohlenstoff.“ Woher stammte dieser elementare Kohlenstoff? Eine rein chemische Herkunft hatte das Team ausgeschlossen. Nun fütterten sie die Kultur mit Substraten mit isotopisch markiertem Kohlenstoff, der im Abbauprozess verfolgt werden kann, und analysierten den gebildeten Kohlenstoff. „So konnten wir nachweisen, dass tatsächlich die methanoxidierenden Archaeen für die Bildung des elementaren Kohlenstoffs verantwortlich sind“, sagt der Bremer Mikrobiologe Wegener.

Ein völlig neuer Weg zu elementarem Kohlenstoff

Als nächsten Schritt untersuchten die Forscher die nächsten Verwandten der Methan-Oxidierer, die methan-bildenden Archaeen – auch Methanogene genannt. „Wenn auch nicht in dem gleichen Maße, erzeugten viele der getesteten Stämme ebenfalls elementaren Kohlenstoff“, sagt White von der Virginia Tech.

Die Studie wirft aber noch viele offene Fragen auf. Etwa: Wie wird dieser Kohlenstoff gebildet? Die Bildung von elementarem Kohlenstoff braucht normalerweise hohen Druck und hohe Temperaturen. Beides fehlt in den Kulturen. „Noch wissen wir überhaupt noch nicht, welche biochemischen Reaktionen und Enzyme hier am Werk sind“, sagt Allen, die Erstautorin der Studie.

Diese Bildungsweise von elementarem Kohlenstoff durch Lebewesen ist uns Wissenschaftlern komplett neu. In den Archaeen müssen bisher völlig unbekannte Reaktionen am Werk sein.

Dr. Kylie Allen, Assistant Professor, Department of Biochemistry, Virginia Tech (USA)

Auch das Warum ist noch nicht geklärt. „Elementarer Kohlenstoff ist ein guter elektrischer Leiter. Womöglich ist der Kohlenstoff der Schlüssel zur Symbiose zwischen den Archaeen und ihren Partnern“, mutmaßt Wegener. Über Kohlenstoff-basierte Verbindungen könnten elektrische Ladungen bestens transportiert werden. Auch ist ungeklärt, wieviel elementarer Kohlenstoff durch Mikroorganismen in der Natur gebildet wird. „Weil der Kohlenstoff in Sedimenten abgelagert wird und dort über lange Zeiträume bleibt, könnten unsere Ergebnisse zudem auf eine bislang unbekannte, natürliche Kohlenstoffsenke hinweisen.“ Das Team wird den Fragen auf den Grund gehen, u. a. im Exzellenzcluster „Der Ozeanboden – unerforschte Schnittstelle der Erde“, der am Marum angesiedelt ist.

Originalpublikation: Kylie D. Allen, Gunter Wegener, D. Matthew Sublett Jr, Robert J. Bodnar, Xu Feng, Jenny Wendt, Robert H. White: Biogenic formation of amorphous carbon by anaerobic methanotrophs and select methanogens. Science Advances, Vol. 7, No. 44, 2021; DOI: 10.1126/sciadv.abg9739

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