Mikroplastik im Meer Reinigen Bakterien das Plastikmeer?
Der Vorteil von Kunststoffen ist längst zum größten Nachteil geworden: Ihre Beständigkeit. In den Meeren sammeln sich die Reste von Jahren und Jahrzehnten des in die Umwelt gelangten Plastikmülls. Manche Forscher sehen Bakterien als Hoffnungsträger, die das Plastik im Meer zersetzen könnten. Eine Studie von Wissenschaftlern des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung kommt nun aber zu dem Schluss: Bakterien werden das Plastikproblem nicht lösen.
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Rostock – Sie werden wohl nicht bei diesem Umweltproblem helfen: Bakterien sind definitiv nicht in der Lage, in die Meeresumwelt geratenes Plastik zu zersetzen und sie werden diese Fähigkeit voraussichtlich auch nicht evolutionär erwerben. Zu diesem Schluss kommen die Mikrobiologen Sonja Oberbeckmann und Matthias Labrenz vom Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) in einer Übersichtsstudie über Biofilme auf Mikroplastik.
Der Wunsch nach plastikfressenden Mikroben
Unsere Gewässer sind mit Mikroplastik verschmutzt. Seien es Fasern aus Fleece Pullovern, Reifenabrieb, oder zerfallende Plastiktüten und -flaschen: All diese kleinen Plastikteilchen landen irgendwann im Ozean, mit zurzeit noch nicht absehbaren Folgen für die marine Umwelt. Da die Mini-Partikel im Meer aber auch von Bakterien besiedelt werden, stellte sich recht früh die Frage, ob sich spezifische Bakterien auf Mikroplastik anreichern könnten. Vielleicht wären solche Spezialisten sogar in der Lage, irgendwann das unverwüstliche Material abzubauen und damit die Meere auf längere Sicht von dieser Kontamination zu befreien.
Die IOW-Mikrobiologen Oberbeckmann und Labrenz beschäftigen sich bereits seit einigen Jahren mit dieser Frage und haben nun die weltweit zu diesem Thema erschienenen Ergebnisse aus mehreren hundert Studien zusammengefasst und neu ausgewertet. Sie kommen zu dem Schluss, dass die Wechselwirkungen zwischen Bakterien und Mikroplastik-Partikeln in marinen Lebensräumen äußerst begrenzt sind. Bakterien besiedeln zwar diese Partikel, sie bauen sie aber nicht ab, da der Energieaufwand für sie viel zu hoch wäre.
Bakterien gegen Plastikmüll? – auch in Zukunft unwahrscheinlich
Mikroplastik ist sogar so schwer abbaubar für Bakterien, dass sie nach Meinung von Labrenz und Oberbeckmann unter marinen Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft keinen Plastik-Abbaumechanismus entwickeln werden. „Somit sind wir mit der Herausforderung, das Mikroplastik loszuwerden, weiterhin auf uns alleine gestellt“, resümieren die Mikrobiologen. „Da wir es aber nicht aus unseren Meeren entfernen können, wird es sich auch in Zukunft dort immer mehr anreichern. Und wir wissen nicht, ob es sich dort letztendlich zu einer ‚chronischen Krankheit‘ entwickeln könnte.“
Mit den Ergebnissen ihrer Übersichtsstudie fordern die beiden Wissenschaftler proaktive und konsequente Maßnahmen zum Schutz der Meere vor Plastikvermüllung. Dazu gehören zum Beispiel eine signifikante und zeitnahe Reduzierung von Wohlstandsplastik (von der Plastiktüte bis zum Plastikspielzeug) sowie Recycling-Systeme, die ihr Potenzial vollständig ausschöpfen und weltweit kostengünstig eingesetzt werden können. Denn das Plastikproblem in den Meeren wird sich eben nicht von selbst – durch plastikzersetzende Mikroben – lösen.
Wenn spezielles Plastik verwendet wird, können Mikroben allerdings einen Beitrag zur Müllvermeidung leisten:
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Bioabbaubare Folie für Landwirtschaft
Neues Plastik ist verdaulich für Mikroben
Verbreitungsgeschwindigkeit nicht erhöht
Die Übersichtsstudie brachte aber auch gute Nachrichten: So ließ sich die häufig postulierte Annahme, pathogene Bakterien könnten sich spezifisch auf Mikroplastik anreichern und sich so besonders rasch und weit verbreiten, nicht erhärten. Die auf Mikroplastik wachsenden Mikroorganismen gehören in der Regel zu Gruppen, die typische Besiedler von im Meer treibenden Partikeln sind und dabei nicht zwischen natürlichen und künstlichen Oberflächen unterscheiden. Unter ihnen sind zwar auch einige schädliche Bakterien, aber nicht mehr als auf anderen Partikeln wie Holz oder anderen organischen Substanzen. In dieser Hinsicht stellt Mikroplastik in marinen Lebensräumen laut Labrenz und Oberbeckmann also kein erhöhtes Risiko dar.
Originalpublikation: Oberbeckmann, S., Labrenz, M. : Marine microbial assemblages on microplastics: diversity, adaptation, and role in degradation, Annual Review of Marine Science Vol. 12:- (Volume publication date January 2020); DOI: 10.1146/annurev-marine-010419-010633
* Dr. K. Beck, Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde, 18119 Rostock
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