Rückblick Praxistag Laborsicherheit Safety First: Anwender und Experten trafen sich zum Laborsicherheitstag
Welcher Laborhandschuh schützt mich am besten? Wer ist verantwortlich für eine Gefährdungsbeurteilung? Und wie verhindert man Kontaminationen bei der Arbeit mit pulverförmigen Substanzen? Diese und weitere Fragen diskutierten Experten bei Praxistag Laborsicherheit in Frankfurt am Main.
Anbieter zum Thema

Frankfurt a. M. – Die Voraussetzungen waren nicht unbedingt die besten: Steigende Corona-Inzidenzen, ein Streik der Deutschen Bahn und sommerliches Wetter, das eher zum See als zu einer Weiterbildung einlädt. Doch trotzdem gelang am 25. August mit dem Praxistag Laborsicherheit in Frankfurt a. M. eine erfolgreiche Veranstaltung, bei der die Teilnehmer ihr Wissen um sicherheitsrelevante Themen aufgefrischt und erweitert haben.
Anekdotische Einführung
Zum Einstieg erzählte GDCh-Senior-Expert Dr. Gerhard Heywang von seinen eigenen chemischen Missgeschicken im Labor, etwa als er in einem Experiment die Versuchsvorschrift mit besten Absichten abwandelte: Um Methylmercaptan, ein übel riechendes Gas, abzufangen und zugleich die Bildung von lästig zu entfernendem Braunstein in einer Waschflasche zu verhindern, setzte er statt der Waschflasche ein Trockenrohr mit Kaliumpermanganat auf seinen Versuchsansatz. „Das funktionierte auch einwandfrei: kein lästiger Geruch, kein Braunstein-Niederschlag“, berichtet der GDCh-Referent. „Doch dann gab es einen ohrenbetäubenden Knall – das Kaliumpermanganat war weg, das Trockenrohr war weg.“ Die Lehre aus diesem Beispiel: Auch wenn Sicherheitsvorkehrungen oft umständlich wirken, sind sie doch meistens sinnvoll und sollten befolgt werden. Heywang hatte damals Glück im Unglück. Obwohl er das Trockenrohr bei der Explosion gerade in der Hand hatte, blieb er unverletzt – und das trotz fehlendem Schutzhandschuh.
Handschuh drauf
Der typische Laborhandschuh ist ohnehin nicht explosionssicher. Dafür bietet er aber Schutz vor diversen Chemikalien, seien es Laugen, Säuren oder Lösungsmittel. Jens Wagschal von Shield Scientific stellte in seinem Vortrag aber klar, dass es den einen Super-Handschuh leider nicht gibt, der alle Flüssigkeiten zuverlässig abhält. Stattdessen muss für verschiedene Stoffklassen der geeignete Handschuh gewählt werden. Hier kommt es auf Schichtdicke des Materials an sowie auf das Material selbst. Verschiedene Qualitätsstandards und Normen geben an, wie sich Handschuhe in Belastungstests geschlagen haben, sowohl bei Permeationsversuchen, als auch bei Analysen auf Mikrolöcher im Material.
Für alle Handschuhe gelte aber eine wichtige Regel, wie Wagschal betont: regelmäßig wechseln. „Ich habe schon von Laboren gehört, wo Mitarbeiter dieselben Schutzhandschuhe den ganzen Tag über anhaben. Dafür ist kein Handschuh ausgelegt“, sagt Wagschal. Denn wenn Kontaminationen auf dem Schutzhandschuh sind, können sie früher oder später auch auf die Haut gelangen. Permeationsversuche werden beispielsweise laut Vorgaben nie länger als 480 Minuten durchgeführt. Was darüber hinaus passiert, wird nicht mehr untersucht.
Gefährdungsbeurteilung mit fliegenden Bierdeckeln
Für die verschiedenen Tätigkeiten im Labor ist die passende Handschuhwahl nur ein Teil der sicheren Arbeit. Noch bevor es überhaupt losgeht, muss eine Gefährdungsbeurteilung erstellt werden, sei es für ein neues Gerät oder eine neue Tätigkeit. Hier zeigte Ralph Richter von Tec Consulting, dass es einiges zu beachten gibt. „Wenn man sich ein bisschen reinfuchst, macht eine Gefährdungsbeurteilung sogar Spaß“, versicherte er in seinem Vortrag. Um das Thema anschaulich vorzustellen, flogen auch schon mal Bierdeckel in Richtung der Teilnehmer. Damit verdeutlichte Richter, wie aus einer Gefahr (hier einem wurf-freudigen Referenten mit Bierdeckel in der Hand) eine Gefährdung wird: also das räumliche und zeitliche Zusammentreffen von Mensch (Praxistag-Teilnehmer in Wurflinie) und Gefahr (geworfener Bierdeckel).
Wenn Glas zerbricht
Nach der Kaffeepause stellte Eric Lehnen von DWK Life Sciences einen ständigen Begleiter im Labor vor: Laborglas. Dabei erklärte er nicht nur die spannende Geschichte der Glasherstellung und Unterschiede verschiedener Glasarten, sondern zeigte auch, warum nicht jedes Laborglas gleich sicher ist. Nur mit den richtigen Erhitzungs- und Abkühlungszyklen lassen sich Spannungen im Glas bei der Herstellung abmildern, sodass es besonders robust wird. Und für eine extra sichere Aufbewahrung gefährlicher Flüssigkeiten gibt es Flaschen aus Sicherheitsglas, die selbst bei Bruch zusammenhalten und den Inhalt nicht austreten lassen. Um das zu demonstrieren, lud Lehnen zum Live-Experiment ein. Er gab einem der Teilnehmer Hammer, Sicherheitshandschuhe und Gesichtsvisier, und ließ ihn auf eine der Flaschen einschlagen. Das Ergebnis: Das Glas splitterte, die Flasche blieb aber an einem Stück. Fast – denn tatsächlich hatte der Freiwillige derart kraftvoll und mit dem richtigen Winkel zugehämmert, dass die unzerstörbare Flasche doch ein fingerdickes Loch davontrug. „Ich habe den Versuch schon oft gemacht, aber das hat noch keiner geschafft“, staunte auch Lehnen. Wenn die Flasche aber nicht mit dem Hammer geschlagen wird, sondern „nur“ auf den Boden fällt, halte sie den Kräften stand, versicherte der Laborglasexperte.
:quality(80)/images.vogel.de/vogelonline/bdb/1742200/1742206/original.jpg)
Praxistag Laborsicherheit begleitet LAB-SUPPLY Dresden
Fachlicher Austausch über Laborsicherheit
Notfallgel gegen Nanopartikel
Weiter ging es mit einem etwas spezifischerem Vortrag. In der Forschung passiert es oft, dass die besten Neuentwicklungen durch Zufall gelingen. Und manchmal sorgt auch bei der Laborunsicherheit ein Zufall für den richtigen Antrieb. Nachdem eine studentische Hilfskraft am Dresdener Leibniz-Institut für Polymerforschung (IPF) trotz persönlicher Schutzausrüstung eine Lösung mit Nanopartikeln auf die Haut bekommen hatte, suchten die zuständigen Betreuer Rat bei den Giftnotfall-Zentralen. Doch statt einer Auskunft, wie die kontaminierte Haut am besten zu behandeln ist, hieß es sinngemäß lediglich: „Das hätte erst gar nicht passieren dürfen.“ Tatsächlich gab es offenbar keine Standard-Maßnahme für so einen Fall. Dies nahmen sich Felix Klee von der TU Dresden und zwei promovierte Chemiker des IPF zur Aufgabe. Sie haben ein Gel entwickelt, das speziell für die Entfernung von Nanopartikeln optimiert ist. „Besonders wichtig ist, dass die Reinigungslösung seifenfrei ist. Denn Tenside öffnen die Poren der Haut und erhöhen somit die Aufnahme von Nanopartikeln an der betroffenen Stelle“, erklärt Klee beim Praxistag Laborsicherheit. Das Gel haben die Entwickler des Startups Derma Purge bereits an verschiedenen Nanopartikeln getestet. Demnach entfernt es über 99 % der Partikel. „Zur Anwendung haben wir es in einer Tube mit Schwamm an der Öffnung abgefüllt – ähnlich wie bei Schuhcreme. Versuche haben uns gezeigt, dass Anwender sonst ihre nicht kontaminierte Hand zum Verreiben des Gels benutzen, und diese so auch mit den Nanopartikeln in Kontakt bringen“, berichtet der Mitentwickler. In Laboren, die an Nanopartikeln forschen, könnte das Gel als Ergänzung zum Erste-Hilfe-Kasten einen Platz finden – auch wenn es im Idealfall nie benutzt wird.
Für sicheren Probenversand
Recht spezifisch ging es auch nach dem Nanopartikel-Vortrag weiter. Vom Mittagessen gestärkt, wurde den Teilnehmern ein Tisch voller Probenbeutel präsentiert, teilweise gefüllt mit „Blut“ in Form von Tomatensaft. Die Referenten Stefan Wiese und Christophe Jansem von Debatin veranschaulichten so, wie man biologische Proben sicher für den Versand verpacken kann bzw. gesetzeskonform verpacken muss. „Die Sekundärverpackungen werden aber auch für Wasserproben verwendet, oder für geologische Proben“, erklärte Wiese. Damit steigt nicht nur die Sicherheit für die Akteure der Lieferkette, sondern auch der Schutz vor unautorisiertem, heimlichem Zugriff. Die Verpackungen sind so versiegelt, dass sich die Öffnung nicht unbemerkt aufmachen und wieder verschließen lässt. Dies sei besonders beim Versand von Proben mit psychoaktiven Substanzen oder Dopingmitteln ein wichtiger Sicherheitsaspekt, wie die Referenten betonten.
Willkommen in der klinischen Studie
Zum Abschluss des Tages lud Friedhelm Weichert von A1 Envirosciences die Teilnehmer zu einer klinischen Studie ein, zumindest im übertragenen Sinn. Er zeigte in seinem Vortrag, wie leicht beim Wiegen von pulverförmigen Gefahrstoffen die Kleidung der Labormitarbeiter durch kleine Unachtsamkeiten kontaminiert wird – und so Gefahrstoffe im Labor oder schlimmstenfalls bis nach Hause verschleppt werden. „Warum bei den Kollegen aufhören? Nehmen wir gleich noch die Familie mit in unsere klinische Studie mit auf“, überspitzte Weichert die Freisetzung von Gefahrstoffen bei unzureichenden Vorsichtsmaßnahmen. Damit es gar nicht erst soweit kommt, dass Kollegen und Angehörige unfreiwillig an einer toxikologischen Untersuchung teilnehmen, gibt es entsprechende Sicherheitseinhausungen, die ein präzises Einwiegen von Feststoffen erlauben und trotzdem effektiv Aerosole und Stäube absaugen. Doch Weichert betont auch: „50 % des Sicherheitspotenzials stehen vor dem Abzug. Wenn die Mitarbeiter nicht gut geschult sind, hilft die beste Labortechnik nichts“.
Mit dieser Take-Home-Message endete der Praxistag Laborsicherheit in Frankfurt. Wer dann immer noch nicht genug hatte, ging noch auf einen Rundgang zur gleichzeitig stattfindenden LAB-SUPPLY, wo einige der Referenten sowie viele weitere Aussteller der Labor- und Analysetechnik mit Ständen vertreten waren.
(ID:47608170)