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Forscher steuern schwebende Objekte Schallwellen tricksen Schwerkraft aus

Autor / Redakteur: Christian Wißler / Christian Lüttmann

Ein schwebendes Objekt per Fingerzeig durch den Raum lenken, ohne es zu berühren – dafür ist keine Zauberei nötig, sondern eine Technikneuheit namens Levi-Cursor. Das an der Universität Bayreuth entwickelte Gerät bringt mit Ultraschallwellen kleine Objekte zum Schweben.

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Mit einem optischen Marker kann ein schwebendes Kunststoffbällchen interaktiv gesteuert werden.
Mit einem optischen Marker kann ein schwebendes Kunststoffbällchen interaktiv gesteuert werden.
(Bild: Jürgen Rennecke)

Bayreuth – Man muss nicht einmal den aus „Harry Potter“ bekannten Schwebezauber Wingardium Leviosa sagen, heißt es in einem Tweet über den Levi-Cursor von Prof. Dr. Jörg Müller und seinem Team an der Universität Bayreuth (s. Ergänzendes zum Thema). Denn statt mit Magie lässt das Gerät der Bayreuther Forscher kleine Objekte mithilfe von Schallwellen in die Luft steigen.

Gefangen vom Klang

Auf zwei horizontalen Platten, die im Abstand von rund 20 Zentimetern übereinander befestigt sind, befinden sich winzige, eng benachbarte Lautsprecher. Diese erzeugen von unten und von oben her für Menschen nicht wahrnehmbare Ultraschallwellen. In dem Raum zwischen den Platten können dann Objekte in einen Schwebezustand versetzt werden, beispielsweise ein kleiner Ball aus Kunststoff.

Doch der Kunststoffball schwebt nicht einfach bloß an einer Stelle im Raum. Wenn sich die Phasen der Schallwellen in diesem Ultraschallraum nur geringfügig ändern, reicht das bereits aus, um den Ball in Bewegung zu versetzen. Dieses Phänomen nutzt der Levi-Cursor, um die Bälle gezielt durch die Luft zu steuern. Hierfür wird ein auf der Fingerspitze befestigter optischer Marker eingesetzt. Wenn er sich im Raum bewegt, verändert er das dreidimensionale Feld der Ultraschallwellen – und der schwebende Kunststoffball folgt der Bewegung, fast so als wäre er über einen unsichtbaren Draht mit dem Finger verbunden.

Heute ein Kunststoffball, morgen ganze Gegenstände?

Dr. Myroslav Bachynskyi und Viktorija Paneva, Mitarbeiter am Lehrstuhl für Serious Games, haben dieses System kürzlich auf einer internationalen IT-Konferenz in Tokio präsentiert, der ACM International Conference on Interactive Surfaces and Spaces. „Die Fachwelt war beeindruckt, wie weit wir die physikalischen Grundlagen dieses ultraschallgesteuerten Schwebens von Objekten im Raum bereits vorangetrieben haben. Wir wollen diese Technologie in den nächsten Jahren weiter verfeinern. Insbesondere geht es darum, noch höhere Geschwindigkeiten und Beschleunigungen zu erreichen und ganze virtuelle Gegenstände aus schwebenden Partikeln zu erzeugen“, sagt Paneva.

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Das kann der Levi-Cursor schon heute

Der Levi-Cursor zeichnet sich nach Angabe der Forscher vor allem durch drei Eigenschaften aus:

  • Simultan: Die Partikel bewegen sich fast zeitgleich mit den Bewegungen der Fingerspitze in alle drei Raumrichtungen, es kommt zu keinen sichtbaren Verzögerungen.
  • Ruckelfrei: Die Bewegungen verlaufen nicht ruckartig in kleinen Schritten, sondern fließend – genau wie die Bewegungen der Fingerspitze.
  • Schnell: Zudem kann sich der schwebende Ball mit bis zu 80 Zentimetern pro Sekunde sehr schnell bewegen.

In dem Tweet der ACM ISS Conference finden Sie ein kurzes Video, das den Levi-Cursor in Aktion zeigt.

Vom Schwebezauber zum Holodeck

Wo der Levi-Cursor in Zukunft einmal angewendet werden könnte, kann Teamleiter Müller nur spekulieren: „Stellen wir uns vor, dass es eines Tages gelingt, sehr schnelle Bewegungen vieler und äußerst kleiner Partikel im Mikrometerbereich präzise zu steuern: Dann könnten sich größere Objekte, die aus diesen Partikeln zusammengesetzt sind, in kürzester Zeit in andere Objekte verwandeln. Auf diese Weise ließen sich beispielsweise in Filmen und Theateraufführungen ungeahnte Überraschungseffekte erzielen.“

Aber die Ziele der Forschung reichen noch weiter. Müller erinnert in diesem Zusammenhang an das Holodeck aus der Fernsehserie Star Trek: „Unser Ziel ist es, dass der Computer in Zukunft nicht nur auf dem Schreibtisch steht oder im Handy versteckt ist, sondern dass der ganze Raum, in dem wir uns befinden, als Benutzerschnittstelle verwendet wird. So können die physikalische und die virtuelle Welt möglichst nahtlos miteinander verschmelzen“, sagt der Bayreuther IT-Forscher.

Vorerst gibt der Levi-Cursor den Anwendern nur die Kontrolle über einen schwebenden Plastikball. Aber die Präzision, mit der das funktioniert, würde wohl heute schon die Zauberlehrlinge aus Harry Potter beeindrucken – und alles ohne die magischen Worte Wingardium Leviosa.

Originalpublikation: Myroslav Bachynskyi, Viktorija Paneva, Jörg Müller: Levi-Cursor: Dexterous Interaction with a Levitating Object. ACM 2018; DOI: 10.1145/3279778.3279802

* C. Wißler, Universität Bayreuth, 95447 Bayreuth

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