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Wie Hirnareale beim Lernen zusammenarbeiten Schlaf zementiert Gelerntes im Gedächtnis

Autor / Redakteur: Dr. Karl Guido Rijkhoek, Janna Eberhardt * / Christian Lüttmann

Lernen im Schlaf – eine schöne Vorstellung. Tatsächlich ist Schlaf extrem wichtig für den Wissenserwerb, denn er hilft, zuvor Erlerntes langfristig im Gehirn zu festigen. Wie sich Schlaf auf die Aktivität verschiedener Hirnareale beim Lernen auswirkt, haben nun Forscher der Universität Tübingen herausgefunden.

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Wie Schlaf beim Lernen hilft, haben Forscher aus Tübingen untersucht (Symbolbild).
Wie Schlaf beim Lernen hilft, haben Forscher aus Tübingen untersucht (Symbolbild).
(Bild: gemeinfrei, Wokandapix / Pixabay )

Tübingen – Zwei Regionen unseres Gehirns werden zur Speicherung von Gedächtnisinhalten verwendet: der Hippocampus und die Großhirnrinde. Während ersterer vor allem kurzfristig zur Aufnahme neuer Informationen benötigt wird, kann letztere große Informationsmengen für lange Zeit speichern. Forscher der Universität Tübingen haben untersucht, wie sich die Gehirnbereiche die Aufgaben bei der Verfestigung von neu Gelerntem teilen und welche Rolle Schlaf dabei spielt.

Gedächtnistests im MRT

In der neuen Studie stellten die Wissenschaftler ihren Probanden eine Lernaufgabe, in der diese sich in sieben Wiederholungen eine Wortliste einprägen sollten. Während dieser Aufgabe wurde ihre Gehirnaktivität in einem Magnetresonanztomografen (MRT) aufgezeichnet. Zwölf Stunden später wiederholten die Probanden die gleiche Aufgabe mit der bereits gelernten und einer neuen Wortliste. Die Hälfte der Personen hatte in dieser Zeit geschlafen, die andere Hälfte war wach geblieben.

Wiederholtes Üben führte schon innerhalb einer Stunde dazu, dass das Gelernte mithilfe des hinteren Parietallappens, einer Region der Großhirnrinde, abgerufen wurde. Entsprechend verringerte sich die Beteiligung des Hippocampus.

Wiederholungen helfen beim Lernen, Schlaf beim Behalten

„Dieses Muster weist auf eine schnelle Bildung von Gedächtnisspuren in der Großhirnrinde hin“, sagt Dr. Monika Schönauer vom Institut für Medizinische Psychologie und Verhaltensneurobiologie der Universität Tübingen. „Außerdem zeigt der Parietallappen auch nach zwölf Stunden eine stärkere Aktivität bei gelernten Wörtern im Vergleich zu neuen Wörtern, was für eine Langzeitstabilität dieser Spuren spricht.“

Allerdings blieb der Hippocampus nur dann unbeteiligt, wenn die Probanden nach der ersten Sitzung mehrere Stunden lang schliefen. Blieben sie wach, wurde er auch bei bereits bekannten Wörtern wieder als Unterstützung der Großhirnrinde benötigt, ebenso wie bei neuen Wörtern. „Damit zeigen wir, dass im Schlaf Gedächtnisprozesse ablaufen, die über das reine Wiederholen hinausgehen. Lernwiederholungen können langfristige Gedächtnisspuren anlegen. Ob die Inhalte unabhängig vom Hippocampus dauerhaft gespeichert werden können, hängt jedoch entscheidend von einer Schlafphase ab“, sagt Lea Himmer aus der Tübinger Forschergruppe.

Interessante Erkenntnisse, wie Informationen im Gehirn abgespeichert werden, finden Sie in diesem Beitrag:

Zusammenspiel von Hippocampus und Großhirnrinde erforschen

Der Schlaf wirkte sich im Experiment also vor allem auf den Hippocampus aus. „Wie Hippocampus und Großhirnrinde genau zusammenspielen, bleibt noch offen“, stellt Steffen Gais, der Leiter der Arbeitsgruppe, fest. „Diese Interaktion zu verstehen, ist ein wichtiger Schritt zur Weiterentwicklung der gängigen Theorien zur Gedächtnisbildung.“ Das Wissen, unter welchen Bedingungen Gedächtnisinhalte direkt in der Großhirnrinde gespeichert werden und welche Rolle der Hippocampus dabei spielt, sei auch zum grundlegenden Verständnis von Lern- und Gedächtnisstörungen von Bedeutung.

Originalpublikation: L. Himmer, M. Schönauer, D. P. J. Heib, M. Schabus, S. Gais : Rehearsal initiates systems memory consolidation, sleep makes it last. Science Advances 24 Apr 2019: Vol. 5, no. 4, eaav1695; DOI: 10.1126/sciadv.aav1695

* Dr. K. Guido Rijkhoek, J. Eberhardt, Eberhard Karls Universität Tübingen, 72074 Tübingen

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