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Molekulare Elektronik So fließt Strom zwischen Fullerenen

Autor / Redakteur: Bettina Wegner* / Christian Lüttmann

Im Zuge der Miniaturisierung werden elektrische Kontakte immer kleiner, bis nur noch einzelne Moleküle übrig bleiben. Dort wirken oft ganz andere Phänomene als in der klassischen Elektronik. Nun haben Forscher erstmals experimentell die Kräfte nachgewiesen, die beim Stromfluss durch einen molekularen Kontakt aus zwei Fullerenen wirken.

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Schematische Darstellung des Kontakts aus zwei C60-Molekülen. Im Experiment wird dieser Kontakt in einem kombinierten Rastertunnel- und Rasterkraftmikroskop hergestellt.
Schematische Darstellung des Kontakts aus zwei C60-Molekülen. Im Experiment wird dieser Kontakt in einem kombinierten Rastertunnel- und Rasterkraftmikroskop hergestellt.
(Bild: TU Ilmenau)

Ilmenau – Einem Forscherteam um Prof. Jörg Kröger von der Technischen Universität Ilmenau ist es in Zusammenarbeit mit Physikern der Technischen Universität Dänemark gelungen, strominduzierte Kräfte in einem Kontakt aus genau zwei C60-Molekülen (Fullerenen) nachzuweisen. Mit ihrer Studie haben die Wissenschaftler gezeigt, dass die strominduzierten Kräfte deutlich hervortreten, wenn die Moleküle im Begriff sind, eine chemische Bindung einzugehen. Die Studie repräsentiert nach Aussage der Forscher den weltweit ersten eindeutigen Nachweis von strominduzierten Kräften in einem molekularen Kontakt.

Für diesen Nachweis bauten die Experimentatoren in Ilmenau den elektrischen Kontakt aus zwei C60-Molekülen und Kupfer-Elektroden nach, den die Kollegen in Dänemark zuvor in Simulationen berechnet hatten. Der im Experiment erzielte Modellcharakter des Kontakts erlaubt nun einen direkten Vergleich zu den theoretischen Ergebnissen. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen das grundlegende Verständnis kleinster elektrischer Kontakte und damit ihrer Anwendung in miniaturisierten elektronischen Bauelementen erweitern.

Stromfluss zwischen Molekülen

Um die wirkenden Kräfte in der molekularen Elektronik zu verstehen, sind nicht nur fundierte Kenntnisse über den Stromfluss in diesen Systemen nötig, sondern auch über die Bindungseigenschaften der Moleküle. Bei der chemischen Bindung zweier Moleküle bilden sich bindende und antibindende Orbitale aus. Die Stärke der Bindung wird von der Besetzung dieser Orbitale mit Elektronen bestimmt. Fließt ein elektrischer Strom durch einen molekularen Kontakt, so wird dieser über Orbitale geleitet. Dabei werden bindende und antibindende Orbitale abweichend vom Gleichgewicht der chemischen Bindung ohne Strom besetzt. Die Bindung könnte also gelockert oder gestärkt, die Kraft zwischen den Molekülen abstoßend oder anziehend ausfallen.

Im Einklang mit den theoretischen Vorhersagen haben die Wissenschaftler eine anziehende Kraft zwischen den C60-Molekülen bei Stromfluss nachgewiesen, unabhängig von der Polung der Spannungsquelle. Bringt man also die Besetzung der an der Bindung beteiligten Orbitale durch Stromleitung aus dem Gleichgewicht, dann entsteht eine attraktive Wechselwirkung zwischen den Bindungspartnern.

Das Pendant zum Elektronenwind

Für makroskopische elektrische Kontakte ist schon lange das Phänomen der Elektromigration bekannt, bei dem ein elektrischer Strom über die Grenzfläche von zwei unterschiedlichen Materialien eine unerwünschte Durchmischung der Materialien hervorruft. Hier spricht man auch häufig von der Wirkung des „Elektronenwindes“ auf die Atompositionen, da man die Elektromigration mithilfe des Impulsübertrags der stromtragenden Elektronen auf die Atome der Materialien deutet – Elektronen prasseln also stark vereinfacht gesagt wie kleine Hagelkörner gegen die Atome und bringen diese so durcheinander.

In der molekularen Elektronik, wo Kontakte nur noch aus einzelnen Molekülen oder Atomen bestehen, wirken andere Effekte. Wie die Ilmenauer Forscher zeigten, sind hier Kräfte entscheidend, die aus der gleichgewichtsfernen Besetzung von Molekülorbitalen herrühren. Sie sind sozusagen das Analogon zum Elektronenwind in klassischen elektronischen Kontakten.

Originalpublikation: Jonathan Brand, Susanne Leitherer, Nick R. Papior, Nicolas Néel, Yong Lei, Mads Brandbyge, Jörg Kröger: Nonequilibrium Bond Forces in Single-Molecule Junctions, Nano Lett. 2019, DOI: 10.1021/acs.nanolett.9b02845

* B. Wegner, Technische Universität Ilmenau, 98693 Ilmenau

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