Proteineinfluss untersucht So steuert sich das Sättigungsgefühl der Fruchtfliege
Unser Hunger- bzw. Sättigungsgefühl wird über komplexe biochemische Prozesse gesteuert. Anhand des beliebten Modellorganismus der Fruchtfliege haben österreichische Forscher nun die Funktion des Proteins CHD1 in diesem Zusammenhang untersucht. Die Wissenschaftler erhoffen sich daraus auch Rückschlüsse auf den Menschen zu ziehen, da wir dieses Protein ebenfalls besitzen.
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Innsbruck/Österreich – Fruchtfliegen, einer der beliebtesten Modellorganismen für Forscher, fühlen sich immer satt, wenn in ihrem Gehirn das Protein CHD1 fehlt. Sie hören auf zu fressen und ihr Metabolismus weist starke Störungen auf. Darüber hinaus erhöhen sich kritische Entzündungsmarker und sie sterben bald. Ihre Lebenszeit von durchschnittlich 80 Tagen verkürzt sich auf ein Drittel. Das ist das Ergebnis von Untersuchungen von Alexandra Lusser und ihrem Team am Institut für Molekularbiologie der Medizinischen Universität Innsbruck, die nun publiziert worden sind.
Lusser, die in einer vorangegangenen Studie bereits den entscheidenden Einfluss des CHD1-Proteins auf die Fruchtbarkeit von Drosophila nachgewiesen hat, konnte mit ihrer Untersuchung erstmals zeigen, dass CHD1 auch „sehr wichtig im Gehirn“ ist. Im Zuge weiterer Forschung soll der Frage nachgegangen werden, ob die CHD1-Expression im normalen Alterungsprozess abnimmt, die Chromatinstruktur dadurch schlechter und das gesunde Altern beeinflusst wird.
Aufgabe des Proteins CHD1
Beim Protein CHD1 handelt es sich um einen so genannten Chromatin remodelling factor. Er ist bei allen Organismen, von der Hefe bis zum Menschen, vorhanden und erfüllt fundamentale Aufgaben. Unter anderem ist CHD1 dafür zuständig, den Einbau von Histonvarianten in das Chromatin, die Struktur in der die DNA in der Zelle vorliegt, zu regulieren. Denn die Erbinformation liegt im Zellkern nicht lose als offenes Molekül vor, sondern wird mithilfe von speziellen Proteinen, den Histonen, in eine dichte Struktur verpackt. Immer wenn sich eine Zelle teilt, wird die neu gebildete DNA mit diesen Histonen beladen.
„Werden Gene jedoch abgelesen im Zuge der Transkription, kann es zum Verlust von Histonen kommen, Die fehlenden Histone müssen ersetzt werden, damit es nicht zu Schäden in der DNA oder zur unerwünschten Aktivierung von Abschnitten des Genoms kommt“ erläutert Lusser. Dies geschieht einerseits während der nächsten Zellteilung und andererseits direkt während der Transkription durch den Einbau so genannter Histonvarianten. Da sich Gehirnzellen im Laufe des Lebens praktisch nicht mehr teilen, ist der Austausch ausschließlich auf den Transkriptionsprozess beschränkt. So kommt es, dass im menschlichen Gehirn im Alter von 14 Jahren bereits ein Hauptteil der Histone Histonvarianten sind. Im vorliegenden Artikel konnten die Forscher nachweisen, dass bei der Fruchtfliege im Alter von 40 Tagen ca. 40 Prozent der Histone ausgetauscht sind.
Ergebnisse auf den Menschen übertragbar?
In ihren Untersuchungen mit Drosophila haben die Wissenschaftler nun festgestellt, dass der Anteil der Histonvariante H3.3 im Gehirn stark reduziert ist, wenn CHD1 fehlt. Die Transkription im Gehirn gerät außer Kontrolle: „Ein Großteil der Gene wird hochreguliert, es werden mehr Gene transkribiert als normal. Durch das fehlende H3.3 wird Chromatin nicht mehr so dicht gewickelt und Genorte, die nicht transkribiert werden sollten, werden transkribiert. Gene, die bereits abgelesen werden, werden stärker abgelesen. Darunter sind viele Neuropeptide, die Hunger und Sättigung regulieren sowie antimikrobielle Peptide, die einen Teil des Immunsystems ausmachen, was zur Folge hat, dass sich die Fliege in einem konstanten Entzündungszustand befindet “, erläutert Lusser den Vorgang. Interessant: „Wenn man CHD1 wieder nur ins Gehirn einführt, werden alle Defekte behoben und die Fliegen haben eine ganz normale Lebenszeit. Das Protein wird in allen Zellen gebildet. Es kann überall fehlen, nur nicht im Gehirn. Dann geht es der Fliege gut.“
Für die Wissenschaftlerin ist es durchaus vorstellbar, dass sich ein CHD1-Mangel beim Menschen ähnlich auswirken könnte. Sie gibt aber zu bedenken: „Da es beim Menschen sieben CHD1-Untertypen gibt, deren Rollen und Zusammenwirken schwer einzugrenzen sind, ist der Prozess viel komplexer“.
Originalpublikation: Ines Schoberleitner, Ingo Bauer, Anming Huang, Evgeniya N. Andreyeva, Johanna Sebald, Katharina Pascher, Dietmar Rieder, Melanie Brunner, Valerie Podhraski, Gregor Oemer, Daniel Cázarez-García, Leila Rieder, Markus A. Keller, Robert Winkler, Dmitry V. Fyodorov, Alexandra Lusser; CHD1 controls H3.3 incorporation in adult brain chromatin to maintain metabolic homeostasis and normal lifespan. Cell Reports; doi.org/10.1016/j.celrep.2021.109769
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