Abwasser von PFAS befreien So verschwinden „ewige“ Chemikalien für immer
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Wie wird man los, was ewig währt? Die Antwort lautet: Plasma. Damit haben Fraunhofer Forscher eine neue Filtertechnik für kontaminiertes Wasser entwickelt, die selbst toxische PFAS vollständig entfernt, auch bekannt als „ewige Chemikalien“.

Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen, kurz: PFAS (engl.: per- and polyfluoroalkyl substances), haben viele herausragende Eigenschaften. Sie sind thermisch und chemisch stabil, dabei wasser-, fett- und schmutzabweisend. Dementsprechend findet man sie in vielen alltäglichen Produkten: Pizzakartons und Backpapier sind damit beschichtet, auch Shampoos und Cremes enthalten PFAS. In der Industrie finden sie Verwendung als Lösch- und Netzmittel. In der Landwirtschaft werden sie in Pflanzenschutzmitteln verwendet.
Mittlerweile lassen sich Spuren von PFAS auch da nachweisen, wo sie nicht hingehören: im Boden, in Flüssen und im Grundwasser, in Lebensmitteln und im Trinkwasser. So gelangen die schädlichen Stoffe am Ende auch in den menschlichen Körper. Wegen ihrer chemischen Stabilität ist die Beseitigung dieser auch als „Ewigkeitschemikalien“ bezeichneten Substanzen bisher mit vertretbarem Aufwand kaum möglich.
Zusammenarbeit von Forschung und Industrie
Das Verbundprojekt Atwaplas (Akronym für Atmosphären-Wasserplasma-Behandlung) soll das ändern. Es wird derzeit am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB gemeinsam mit dem Industriepartner „HYDR.O. – Geologen und Ingenieure“ aus Aachen vorangetrieben. Ziel ist die Aufbereitung und Rückgewinnung PFAS-belasteter Wässer mittels Plasma-Behandlung.
Das Forscherteam um Dr. Georg Umlauf, Experte für funktionale Oberflächen und Materialien, macht sich dabei die Fähigkeit von Plasma zu Nutze, die Molekülketten von Substanzen anzugreifen. Erzeugt wird das elektrisch leitfähige Gas aus Elektronen und Ionen durch Anlegen von Hochspannung. „In unseren Versuchen mit Plasma ist es gelungen, die Molekülketten von PFAS im Wasser zu verkürzen. Das ist ein wichtiger Schritt hin zu einer effizienten Beseitigung dieser hartnäckigen Schadstoffe“, sagt der Experte.
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Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS)
Wie steht es um PFAS in deutschen Trinkwässern?
Wie funktioniert die Reinigung per Plasma?
Für das Verfahren nutzen die Fraunhofer-Forscher einen zylinderförmigen Aufbau. Im Inneren befindet sich ein Edelstahlrohr und dieses dient als Masse-Elektrode des Stromkreises. Ein äußeres Kupfernetz fungiert als Hochspannungselektrode und wird zur Innenseite hin durch ein Dielektrikum aus Glas abgeschirmt. Dazwischen bleibt ein winziger Spalt, der mit einem Luft-Gemisch gefüllt ist. Durch Anlegen von mehreren Kilovolt Spannung verwandelt sich dieses Luft-Gemisch in Plasma. Für das menschliche Auge wird es durch das charakteristische Leuchten und das Entladen in Form von Blitzen sichtbar.
Im Reinigungsprozess wird das mit PFAS kontaminierte Wasser am Boden des Stahltanks eingeleitet und nach oben gepumpt. Im Spalt zwischen den Elektroden fließt es nach unten und durchquert dabei die elektrisch aktive Plasma-Atmosphäre. Beim Entladen bricht das Plasma die PFAS-Molekülketten auf und verkürzt sie.
Chemikalien vollständig eliminieren
Das Wasser wird in einem geschlossenen Kreislauf immer wieder durch den stählernen Reaktor und die Plasma-Entladezone im Spalt gepumpt, jedes Mal werden die PFAS-Molekülketten weiter reduziert bis zu einer vollständigen Mineralisierung. „Im Idealfall werden die schädlichen PFAS-Stoffe so gründlich beseitigt, dass sie in massenspektrometrischen Messungen nicht mehr nachweisbar sind. Damit werden auch die strengen Regularien der Trinkwasserverordnung in Bezug auf die PFAS-Konzentration erfüllt“, sagt Umlauf.
Gegenüber herkömmlichen Methoden wie beispielsweise der Filterung mit Aktivkohle weist die am Fraunhofer IGB entwickelte Technologie einen entscheidenden Vorteil auf: „Aktivkohlefilter können die schädlichen Stoffe zwar binden, sie aber nicht beseitigen. Somit müssen die Filter regelmäßig ausgetauscht und entsorgt werden. Die Atwaplas-Technologie dagegen kann die schädlichen Substanzen rückstandsfrei eliminieren und arbeitet dabei sehr effizient und wartungsarm“, erläutert der Experte vom IGB.
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Bioindikator für regionale PFAS-Belastung
Leber von Wildschweinen zeigt PFAS-Belastung vor Ort an
Echte Wasserproben statt synthetischer Laborprobe
Um maximale Praxisnähe zu gewährleisten, testen die Fraunhofer-Forscher die Plasma-Reinigung gewissermaßen unter erschwerten Bedingungen. Konventionelle Testverfahren arbeiten mit perfekt sauberem Wasser und im Labor synthetisch angerührten PFAS-Lösungen. Das Team am IGB dagegen verwendet echte Wasserproben, die aus PFAS-kontaminierten Gebieten stammen. Die Proben werden vom Projektpartner „HYDR.O.“ zugeliefert, der sich auf Altlastensanierung spezialisiert hat und daneben hydrodynamische Simulationen durchführt.
Die realen Wasserproben, mit denen Umlauf und sein Team arbeiten, enthalten neben PFAS auch weitere Partikel, Schwebstoffe und organische Trübungen. „Auf diese Weise stellen wir sicher, dass Atwaplas seinen Reinigungseffekt nicht nur mit synthetischen Laborproben, sondern auch unter realen Bedingungen mit wechselnden Wasserqualitäten unter Beweis stellt. Zugleich können wir die Prozessparameter laufend anpassen und weiterentwickeln“, erklärt Umlauf.
Vision für eine bessere Abwasseraufbereitung
Die Plasma-Methode lässt sich auch für den Abbau anderer schädlicher Substanzen einsetzen. Darunter fallen etwa Rückstände von Medikamenten im Abwasser, Pestizide und Herbizide, aber auch Industriechemikalien wie Cyanide. Daneben kommt die Technik auch für die umweltschonende und kostengünstige Aufbereitung von Trinkwasser in mobilen Anwendungen infrage.
Das Verbundprojekt am Fraunhofer IGB startete im Juli 2021. Nach den erfolgreichen Versuchsreihen im Technikums-Maßstab mit einem 5-Liter-Reaktor arbeitet das Fraunhofer-Team gemeinsam mit dem Verbundpartner daran, das Verfahren weiter zu optimieren. „Unser Ziel ist es jetzt, toxische PFAS durch verlängerte Prozesszeiten und mehr Umläufe im Tank vollständig zu eliminieren und die Atwaplas-Technologie auch für die praktische Anwendung im größeren Maßstab verfügbar zu machen“, erklärt Umlauf. Zukünftig könnten entsprechende Anlagen auch als eigenständige Reinigungsstufe in Klärwerken aufgestellt werden oder in transportablen Containern auf kontaminierten Freilandflächen zum Einsatz kommen.
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