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Faltungszustand des Proteoms messen Sonde zeigt Zellstress in neuem Licht

Autor / Redakteur: Dr. Karin J. Schmitz * / Christian Lüttmann

Mit einer molekularen Sonde sind Forscher gestressten Zellen auf der Spur. Diese falten ihre Proteine nicht mehr korrekt, was zu Fehlfunktionen im Organismus führen kann. Ein neues Sondenmolekül markiert diese fehlgefalteten Proteine und erlaubt so eine Aussage über den Zustand des gesamten Proteoms.

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In gestressten Zellen sammeln sich häufig inaktive Proteine, die fehlgefaltet und entfaltet sind. Eine Sonde bindet an die fehlgefalteten Proteine und zeigt sie mittels Fluoreszenzsignal an.
In gestressten Zellen sammeln sich häufig inaktive Proteine, die fehlgefaltet und entfaltet sind. Eine Sonde bindet an die fehlgefalteten Proteine und zeigt sie mittels Fluoreszenzsignal an.
(Bild: Wiley-VCH)

Frankfurt a.M. – Stress bringt Zellen aus dem Gleichgewicht: Ihre Proteinsynthese wird gestört und die Maschinerie zur korrekten Faltung von Proteinen funktioniert nicht mehr richtig. Die Folge: Fehlgefaltete Proteine kommen nicht an ihren Wirkungsort und werden wieder abgebaut. Dadurch sammeln sich im Zytoplasma inaktive Proteine und Abbauprodukte an und verklumpen.

Nun haben Wissenschaftler von der australischen La Trobe University Melbourne eine molekulare Sonde entwickelt, die den Zustand der Proteinaggregation über den Anteil der fehlgefalteten Proteine in der Zelle anzeigt.

Wenn das Innere nach außen kommt…

Mit dem Sondenmolekül lassen sich fehlgefaltete Proteine aufspüren, indem es diese per Fluoreszenzsignal markiert. Um die Funktionsweise der Sonde zu verstehen, muss man wissen, dass korrekt gefaltete Proteine häufig durch interne Brücken aus der Aminosäure Cystein stabilisiert werden. Diese Cysteine liegen meist tief im Inneren des Proteins, gelangen aber bei fehlgefalteten und entfalteten Proteinen nach außen. Dort kann die Sonde an sie anknüpfen, was das Fluoreszenzsignal einschaltet, wie die Forscher berichten.

Auch die Polarität eines Proteins kann die Sonde erfassen. Um diesen Parameter zu messen, fügten die Forscher der fluorogenen Sonde eine chemische „Push-Pull“-Gruppe hinzu. Das Ergebnis: In stark polaren Lösungen reagierte die Sonde auf den elektronischen „Druck“ oder „Zug“, indem sich das Fluoreszenzsignal änderte – und wie ein Chamäleon die Farbe wechselte.

Anteil der Fehlfaltung bestimmen

Die Wissenschaftler testeten ihre Molekül-Sonde an einer menschlichen Zelllinie, die zum Teil gezielt in ihrer Proteinsynthese beeinträchtigt war. Unbehandelte Zellen mit korrekt gefalteten Proteinen zeigen normale, gleichmäßige Fluoreszenz. Zellen, die mit Toxinen oder Viren behandelt wurden, sammelten jedoch fehlgefaltete Proteine an, was sich als verstärkte Fluoreszenz bemerkbar machte. Darüber hinaus signalisierte ein farbverschobenes Fluoreszenzsignal die Polarität der Umgebung und damit den Zustand des Proteoms, der Gesamtheit der Proteine. Laut Aussage der Autoren wurde somit zum ersten Mal der Anteil der ungefalteten oder fehlgefalteten Proteine im Zellkern sichtbar gemacht. Bislang konnte man nur entfaltete Proteine im Zytoplasma erfassen.

Mit den beiden Sensormoden – Messung des Entfaltungszustands und Messung der Polarität – liefert die Molekül-Sonde ein schärferes Bild über die Stressreaktion von Zellen, als es mit monomodalen Sonden oder mit anderen Methoden bislang möglich war. Die Forscher glauben, dass die neue Technik dazu beitragen könnte, die Stressantwort in den Zellkompartimenten besser zu verstehen, ebenso wie die Kommunikation einzelner Kompartimente untereinander.

Originalpublikation: Yuning Hong et al.: A Molecular Chameleon for Mapping Subcellular Polarity in an Unfolded Proteome Environment, Angewandte Chemie First published: 11 December 2019; DOI: 10.1002/ange.201914263

* Dr. K. J. Schmitz, Gesellschaft Deutscher Chemiker, 60486 Frankfurt am Main

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