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Photoinitiatoren Starthilfe für Kunststoff-Aushärtung in Zahnfüllungen

Von Susanne Filzwieser*

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Zahnfüllungen sind oft aus Kunststoff, der flüssig ins Loch gespritzt wird und mithilfe von Licht schnell aushärtet. Möglich wird das durch Photoinitiatoren, die im Material die nötigen chemischen Reaktionen anstoßen. Eine neue Herstellungsmethode für diese „Starthilfen“ vergünstigt und vereinfacht die Herstellung dieser Initiatoren und erleichtert so auch den Einsatz für größere Anwendungen, etwa für Prothesen.

Forscher der TU Graz haben eine neuartige, wesentlich günstigere Herstellung für germaniumbasierte Photoinitiatoren entwickelt. Damit öffnen sich abseits von der Dentalbranche weitere Anwendungsfelder.
Forscher der TU Graz haben eine neuartige, wesentlich günstigere Herstellung für germaniumbasierte Photoinitiatoren entwickelt. Damit öffnen sich abseits von der Dentalbranche weitere Anwendungsfelder.
(Bild: Frankl - TU Graz)

Graz/Österreich – Wer schon einmal mit einem Loch im Zahn am Zahnarztstuhl gelegen ist, kennt das Prozedere womöglich: Nach dem Ausbohren des Zahns folgt eine Füllung aus flüssigem Kunststoff, die im Mund modelliert und durch UV-Licht zur fixen Plombe ausgehärtet wird. Möglich machen das so genannte Photoinitiatoren. Das sind chemische Verbindungen, die der Füllpaste beigemengt werden. Sie zerfallen unter Lichteinwirkung und bilden Radikale, durch die diese Paste aushärtet.

Seit einigen Jahren werden dafür germaniumbasierte Photoinitiatoren eingesetzt. Sie benötigen für die Aushärtung kein gesundheitlich bedenkliches UV-Licht, sondern absorbieren auch energieärmeres, längerwelliges Licht. Im Dentalbereich hat sich dieser nicht-toxische Photoinitiator bereits etabliert, obwohl seine Herstellung kostspielig ist: Die Produktionskosten von einem Kilogramm dieses Initiators liegen derzeit in der Größenordnung eines neuen Kleinwagens. „Angesichts der geringen Mengen, die für Zahnfüllungen benötigt werden, fällt der Preis des Photoinitiators in der Dentalbranche kaum ins Gewicht. Für andere Anwendungen war die teure Produktion aber ein Hemmschuh – bis jetzt“, sagt der Chemiker Michael Haas von der TU Graz.

Für Kontaktlinsen, Prothesen und mehr

Gemeinsam mit seinem Team am Institut für Anorganische Chemie entwickelte Haas eine neue Synthesemethode für germaniumbasierte Photoinitiatoren. Sie kommt im Gegensatz zur konventionellen Synthese ohne Schwefel aus („ein Geruch, den man nicht unbedingt im Mund wahrnehmen möchte“) und ist zudem laut Aussage der Wissenschaftler deutlich einfacher, effizienter und kostengünstiger. „Es ist uns gelungen, einen alternativen Zugang zu dieser Verbindungsklasse zu etablieren, der einstufig ist und die Isolierung des Produkts geradezu simpel macht“, kommentiert Haas. Dabei werden simultan mehrere siliziumbasierte Schutzgruppen abgespalten. Die gewünschte Verbindung wird anschließend durch Auskristallisieren isoliert.

Haas sieht auch Potenzial für weitere biomedizinische Anwendungen wie etwa Kontaktlinsen. Für die meisten dieser Anwendungen werden bislang phosphorbasierte und damit toxikologisch bedenkliche Photoinitatoren eingesetzt. Die gesundheitlich unbedenklichen Initiatoren auf Germaniumbasis waren hier bislang zu teuer.

Michael Haas (l.) und der Doktorand Manfred Drusgala demonstrieren die Aushärtung einer Kunststoffpaste mittels einer herkömmlichen Zahnarztlampe – dank des germaniumbasierten Photoinitiators funktioniert das ohne UV-Licht.
Michael Haas (l.) und der Doktorand Manfred Drusgala demonstrieren die Aushärtung einer Kunststoffpaste mittels einer herkömmlichen Zahnarztlampe – dank des germaniumbasierten Photoinitiators funktioniert das ohne UV-Licht.
(Bild: Frankl - TU Graz)

Auch die Herstellung von neuartigen Implantaten, von Prothesen oder künstlichem menschlichen Gewebe sind mögliche Einsatzgebiete des neuartig synthetisierten Initiators. „Interessant wird es überall dort, wo die Verwendung von nicht-toxischen Materialien von zentraler Bedeutung ist“, sagt der Chemiker.

Chance auf günstigere Zahnfüllungen

Die Forscher haben ihre Neuentwicklung bereits mit dem Dentalunternehmen Ivoclar Vivadent in die Anwendung gebracht. Zwar hatte der Projektpartner bereits einen toxikologisch unbedenklichen Photoinitiator auf Germaniumbasis in seinem Produktportfolio. Dieser birgt aber Nachteile in der Herstellung, wie Haas erklärt: „Bei dem Photoinitiator Ivocerin ist die Synthese aufwändig und mehrstufig, außerdem ist die Entfernung der Reaktionspartner teuer und führt zu enormen Ausbeuteverlusten.“ Diese Nachteile sollen mit der neuen Syntheseroute umgangen werden. Für Patienten könnte die absehbare Markteinführung des neuen Initiators eine gute Nachricht bedeuten. Denn damit wollten Zahnfüllungen künftig signifikant günstiger sein.

Originalpublikation: Manfred Drusgala, Philipp Frühwirt, Gabriel Glotz, Katharina Hogrefe, Ana Torvisco, Roland C. Fischer, H. Martin R. Wilkening, Anne-Marie Kelterer, Georg Gescheidt, Michael Haas: Isolable Geminal Bisgermenolates: A New Synthon in Organometallic Chemistry, Angewandte Chemie. Int. Ed. Volume 60, Issue 44, Pages 23646-23650, October 25, 2021; DOI: 10.1002/anie.202111636

* S. Filzwieser, Technische Universität Graz, 8010 Graz/Österreich

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