Suche nach Dickmachern in unserer DNA Steckt Übergewicht in den Genen?
Nicht allein falsche Ernährung und Bewegungsmangel sind schuld an krankhaftem Übergewicht. Auch die Genetik spielt eine entscheidende Rolle: Mehr als 100 Gene beziehungsweise Genvarianten sind dafür verantwortlich, dass Menschen immer dicker werden. Wie Gene im Wechselspiel mit Umwelteinflüssen Übergewicht fördern können, untersuchen Forscher der Leipziger Universitätsmedizin.
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Leipzig – Adipositas, auch als Fettleibigkeit oder Fettsucht bezeichnet, wird von Teilen der Bevölkerung noch immer nicht als Erkrankung betrachtet, sondern als Resultat eines ungesunden Lebensstils. Auch einige Ärzte denken so. Dabei gibt es viele Ursachen dafür: Neben verschiedenen Umwelteinflüssen, die unter anderem mit der Ernährung, der Bewegung und der Psyche zusammenhängen können, ist Adipositas auch genetisch bedingt.
Den Zusammenhang von genetischer Veranlagung und Umwelteinflüssen bei der Entstehung von Adipositas untersucht Prof. Dr. Peter Kovacs am Integrierten Forschungs- und Behandlungszentrum für Adipositas-Erkrankungen (IFB) der Leipziger Universitätsmedizin. Dabei interessiert ihn besonders, welche Gene für die Fettverteilung im Körper zuständig sind. Denn die wiederum erhöhen das Risiko einer Folgeerkrankung, wie Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Leiden, Typ-2-Diabetes mellitus, Fettleber und Fettgewebestörungen, aber auch Krebs.
Welchen Einfluss haben die Gene?
Die Gene selbst sind in den seltensten Fällen ausschließlich für Adipositas verantwortlich - das trifft in nur fünf Prozent aller Fälle zu. Die Ursachen von Adipositas sind vielmehr ein Zusammenspiel aus verschiedenen Umweltfaktoren. Betroffene könnten sich also nicht ausschließlich auf ihre „schlechten“ Erbanlagen berufen, wie Kovacs betont. Dem Forscher zufolge beeinflussen Gene aber, inwieweit sich verschiedene Aspekte auf die Erkrankung und ihren Verlauf auswirken.
Je nach Erbanlage kann die Adipositas also bei verschiedenen Personen unterschiedliche Ursachen haben: Während das Erbgut in einem Fall dafür sorgt, dass ein Patient aufgrund der Ernährung erkrankt, kann in einem anderen Fall die Bewegung im wahrsten Sinne des Wortes stärker ins Gewicht fallen. Daraus schlussfolgert Kovacs, dass es mithilfe der Genetik möglich sein muss, die wirksamste Therapie für den jeweiligen Betroffenen herauszufinden.
Risiko-Score durch Erbanlagen-Analyse
„Wenn wir verstehen, welche Gene verantwortlich sind beziehungsweise welche die Ursachen begünstigen, können wir nicht nur Methoden und geeignete Therapien entwickeln, sondern vielleicht sogar ein Medikament, das die Aktivität des Gens beeinflussen kann. Außerdem sind wir sehr interessiert an präventiven Maßnahmen“, erläutert Kovacs. Er hofft, anhand seiner Erbanlagen-Analyse einen Risiko-Score für Adipositas entwickeln zu können. Damit soll das Erkrankungsrisiko frühzeitig individuell vorhergesagt werden können. Gegebenenfalls sind dann auch Prognosen möglich, welche Therapie- und Präventionsmöglichkeiten für den jeweiligen Patienten besonders wirksam sein könnten.
Werden beispielsweise bei Kindern Risikogene für Adipositas frühzeitig individuell erkannt, hätten die Betroffenen und ihre Familien so die Chance, darauf entsprechend zu reagieren. Im besten Fall ließe sich dann eine Adipositas-Erkrankung und eventuelle Folgeerkrankungen verhindern. „Meine Motivation ist dadurch schon sehr emotional“, sagt Kovacs.
Gene steuern die Fettverteilung
Die Leipziger Genetiker sind in vielen internationalen Konsortien tätig und waren in der Vergangenheit an der Entdeckung von zahlreichen Genen beteiligt. Sie tragen Namen wie MC4R, TMEM18 oder NEGR1. Besonders wichtig für die Genforschung im Adipositasbereich war die Identifikation des so genannten FTO-Gens vor mehr als zehn Jahren in Zusammenarbeit mit Forschern aus Frankreich, Island, Schweden und Deutschland.
FTO steht für "fat mass and obsesity associated". Veränderungen in diesem Gen bedingen direkt und unmittelbar die Fettmasse und das Übergewicht eines Menschen. Ganz aktuell sind Kovacs und sein Forschungsteam vor allem an der Frage interessiert, wie sich Fett im Körper verhält und welche Gene für die Fettverteilung zuständig sind. Auch in diesem Bereich wurden bereits verschiedene Gene eindeutig identifiziert.
Analyse von Blut und Fettgewebe
Die Blutproben für seine Forschung erhält Kovacs von Patienten, die aus ganz Deutschland ins IFB nach Leipzig kommen. Aus den Blutzellen extrahiert er die DNA. Diese wird vervielfältigt, um die verschiedenen Genotypen der Probanden herauslesen. „Wenn wir das Gen verstehen wollen und wissen wollen, in welchem Organ genau das Gen arbeitet, müssen wir bei Adipositas natürlich auch an das Fettgewebe denken“, erläutert Kovacs. Dazu arbeiten die Forscher mit Fettgewebsproben. Diese werden im Labor auf molekularbiologischer Ebene untersucht.
Blick ins Labor: Wie wird geforscht?
Die Adipositas-Genetikforschung arbeitet mit einer großen Zahl an Probanden. Diese werden in Gruppen eingeteilt, etwa Adipositaserkrankte, Diabetiker sowie Gesunde. Die Forscher untersuchen, ob innerhalb der Gruppen bestimmte Genvarianten häufiger auftreten, und ob sich diese von den Gemeinsamkeiten, die in Vergleichsgruppen festgestellt wurden, unterscheiden. Dabei kann der Wirkungsort verschiedener Gene erkannt werden.
Viele Gene wirken direkt im Gehirn. Dort regulieren einige von ihnen das Belohnungssystem. Haben diese Defekte, kann es zur erhöhten Nahrungsaufnahme kommen, das Essverhalten verändert sich und die Menschen werden schwerer. Aber auch im Fettgewebe und in der Leber spielen Gene eine Rolle. Das kann dazu führen, dass Menschen, bei denen bestimmte Genvarianten vorliegen, sich anders verhalten als Menschen, bei denen diese Varianten nicht vorliegen.
* Dr. Katarina Werneburg: Universität Leipzig, 04109 Leipzig
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