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Arzneimittelsicherheit Strukturaufklärung unbekannter Abbauprodukte in Arzneimitteln

Autor / Redakteur: Ralph Nussbaum* / Dr. Ilka Ottleben

Bei der Herstellung oder Lagerung von Wirkstoffen und Arzneimitteln können unbekannte Verunreinigungen auftreten. Überschreiten diese einen vorgeschriebenen Grenzwert, muss ihre Struktur aufgeklärt werden. Dabei kommen meistens gekoppelte chromatographische Methoden und spektroskopische Methoden zum Einsatz. Was gilt es zu beachten?

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Um Sicherheit und Wirksamkeit zu gewährleisten, müssen Arzneimitteln auch auf unbekannte Verunreinigungen hin analysiert werden.
Um Sicherheit und Wirksamkeit zu gewährleisten, müssen Arzneimitteln auch auf unbekannte Verunreinigungen hin analysiert werden.
(Bild: gemeinfrei)

Arzneimittel müssen im Sinne der Patienten wirksam und sicher sein. Um das zu gewährleisten ist es unter anderem wichtig, mögliche Verunreinigungen genau zu überwachen. Prinzipiell versteht man unter einer Verunreinigung einen Bestandteil des Wirkstoffs oder des Fertigarzneimittels, der chemisch nicht dem Wirkstoff, Hilfsstoff oder einem anderen Zusatzstoff entspricht. Ein Abbauprodukt dagegen ist ein Molekül, das sich z. B. durch Veränderung des Wirkstoffs während der Lagerung bildet beispielsweise im Verlauf von Stabilitätsprüfungen (siehe auch LP-Tipp). Verunreinigungen können auch aus dem Packmittel in den Wirkstoff oder das Arzneimittel übertreten, beziehungsweise zu Interaktionen mit den Wirk- und Hilfsstoffen führen („Leachables“).

Welche Arzneimittel-Vorgaben sind zu erfüllen?

Bei der Suche nach Verunreinigungen müssen sowohl Synthesenebenprodukte bei der Wirkstoffherstellung als auch Abbauprodukte bei Wirkstoffen und Arzneimitteln identifiziert werden. Die in den Arzneimittel-Richtlinien [1] vorgegebenen Grenzwerte für die Identifizierung variieren dabei von > 0,2% bei Verunreinigungen in Fertigarzneimitteln bis > 0,10% bei Verunreinigungen in Wirkstoffen. Bei unbekannten Verunreinigungen, die potenziell mutagen sind, müssen sogar noch tiefere Konzentrationen erreicht werden (ca. 1,5 µg/Person/Tagesdosis).

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Strukturaufklärung nicht bekannter Verunreinigungen

Die Strukturaufklärung einer unbekannten Verunreinigung gleicht einer Detektivarbeit mit modernsten analytischen Methoden. Bei der Problemlösung spielt dabei die Erfahrung des Analytikers eine entscheidende Rolle. Nur durch geschickten Einsatz verschiedener Probenvorbereitungs- und Analysenmethoden gelangt man zu aussagekräftigen Daten, die eine Zuordnung der Struktur der Verunreinigung zulassen. Zu Beginn einer Strukturaufklärung sollte zunächst geklärt werden, unter welchen Bedingungen die Verunreinigungen auftreten, z.B. bei erhöhter Temperatur, Feuchte, bei verändertem pH-Wert etc.. Basierend darauf können dann gezielte Stressversuche mit dem Wirkstoff/Arzneimittel durchgeführt werden, um die Konzentration der Verunreinigungen für weitere Analysen zu erhöhen. In einem weiteren Schritt müssen zunächst die Originalbedingungen reproduziert werden, d.h. beispielsweise dass das Auftreten der Verunreinigungen im HPLC-UV-Chromatogramm immer bei der gleichen relativen Retentionszeit erfolgen sollte. Ist das der Fall, kann man die Verunreinigungen entweder präparativ isolieren und anschließend NMR-spektroskopisch untersuchen oder eine HPLC-MS-fähige Methode entwickeln und anschließend massenspektrometrisch untersuchen. In Abbildung 1 ist das schematische Vorgehen bei der Strukturaufklärung einer Verunreinigung aufgeführt.

Probenvorbereitung und analytische Methode

Der Probenvorbereitung kommt dabei besondere Beachtung zu. Da Verunreinigungen oft nur in kleinen Absolutmengen in einer komplexen Produktmatrix auftreten (Tabletten, Salben, etc.), müssen sie vorher oft aufwändig isoliert und aufkonzentriert werden. Dies kann z.B. durch präparative oder semi-präparative Isolierung der Substanz erfolgen. Eine weitere Möglichkeit ist die Festphasenextraktion bzw. die solid-phase-micro-extraction (SPME)-Technik. Letztere kommt meistens in der Gaschromatographie zur Anwendung. Dabei wird die SPME-Technik in der Gasphase der Probe (Headspace) – oder direkt in Kontakt mit der gelösten Probe (Immersed) angewendet. In beiden Fällen entfällt eine aufwändige Probenvorbereitung. In Abbildung 2 ist das Prinzip der SPME-GC dargestellt.

Aufgrund der Vielzahl an möglichen chemischen Nebenreaktionen, die sich im Arzneimittel abspielen können, reicht es meist nicht aus, nur eine Methode zur Strukturaufklärung zu verwenden. Vielmehr ist häufig eine Kombination mehrerer Analysentechniken oder gekoppelter Analysentechniken erforderlich, um den Strukturnachweis für die Verunreinigung zu führen.

Welche analytischen Methoden sind geeignet?

Unter einer gekoppelten Methode versteht man prinzipiell ein zweidimensionales Analysenverfahren, d.h. die in der Chromatographie detektierten Signale (1. Dimension) werden mit der nachgeschalteten z.B. massenspektrometrischen Methode (2. Dimension) identifiziert. Als gekoppelte Analysentechniken kommen dabei in den meisten Fällen HPLC-UV-MS- oder GC-MS-Methoden zum Einsatz. Die HPLC-NMR-Kopplung ist in einigen Fällen hilfreich, jedoch nicht bei geringen Verunreinigungskonzentrationen.

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  • Die GC-MS-Kopplung kann bei der Strukturaufklärung von flüchtigen (verdampfbaren) Verunreinigungen eingesetzt werden (z.B. Restlösungsmittel, Restmonomere etc.). Schwerflüchtige Verunreinigungen werden dagegen besser mit HPLC-MS-Kopplung analysiert. Der Vorteil der GC-MS-Kopplung besteht darin, dass die Spektren unter standardisierten Bedingungen aufgenommen werden und deshalb geräteunabhängig vergleichbar sind. Mithilfe von käuflich erhältlichen Spektrenbibliotheken lassen sich somit im Idealfall rasch Hinweise auf die chemische Struktur der flüchtigen Verunreinigung finden.
  • Die HPLC-MS-Kopplung wird bei der Identifizierung von Verunreinigungen am häufigsten eingesetzt. Meistens wird die so genannte HPLC-UV-MS-Kopplung mit einer zwischengeschalteten UV-Detektion verwendet. Dies ermöglicht die direkte Korrelation zwischen den im HPLC-UV-Chromatogramm gefundenen Verunreinigungen und dem Massenspektrum. Mit so genannten QToF-Massenspektrometern (Quadrupol-Time-of-Flight-Massenspektrometer) lässt sich die Molmasse der Verunreinigung genau bestimmen (weniger als 1 ppm Abweichung). Damit kann die exakte Summenformel der Verunreinigungskomponente ermittelt werden. Mithilfe der MSMS-Technik werden die massenspektrometrischen Bruchstücke in weitere kleinere Bruchstücke zerlegt (sog. Tochterionen). Durch geschickte Kombination der Information über die Tochterionen und die Molmasse lässt sich die Struktur der Verunreinigung rekonstruieren. Im Unterschied zur GC-MS-Kopplung gibt es bei der HPLC-MS-Kopplung kaum käuflich erhältlichen Spektrenbibliotheken, da die Spektren zu sehr geräteabhängig und nicht standardisierbar sind. Die HPLC-MS-Kopplung kann nur mit verdampfbaren Lösungsmitteln (z.B. Methanol, Acetonitril im Gemisch mit Wasser) und verdampfbaren Puffersalzen (z.B. Ammoniumacetat) betrieben werden. Leider sind die zugrunde liegenden Standard-HPLC-UV-Methoden sehr oft nicht MS-kompatibel, da sie auf nicht-flüchtigen Lösungsmittelsystemen beruhen (z.B. Phosphatpuffer). Ein Nachteil der HPLC-MS-Kopplung ist häufig die geringe Ionisierbarkeit der Verunreinigungen. So kann z.B. eine Verunreinigung mit einem deutlichen UV-Signal im Massenspektrum kein oder nur ein kleines Signal zeigen und damit eine Interpretation unmöglich machen. Dies lässt sich durch Anwendung verschiedener Ionisierungstechniken umgehen. Abbildung 3 zeigt die Auswirkung verschiedener Ionisierungstechniken auf den Response der Verunreinigungen im Chromatogramm.
  • Die präparative Isolierung von Verunreinigungen kommt meist dann zum Einsatz, wenn weitergehende Prüfungen an der Substanz gemacht werden sollen (z.B. NMR-Messungen) oder wenn geringe Mengen als Vergleichssubstanz für andere chromatographische Methoden benötigt werden. Dabei werden mithilfe eines präparativen HPLC-UV-Systems kleine Mengen (0,2 bis 1 mg) der Verunreinigung durch Peak-Fraktionierung isoliert und aufkonzentriert.
  • Der direkte Weg zur Strukturaufklärung führt über die mehrdimensionale NMR-Spektroskopie. Mithilfe der NMR-Spektroskopie ist es möglich, die Konstitution und relative Konfiguration und damit die exakte Struktur einer Verunreinigung aufzuklären. Leider benötigt die NMR-Spektroskopie vergleichsweise hohe Substanzmengen (ab ca. 250 µg), die eine hohe Reinheit aufweisen sollten. Dies liegt an der, im Vergleich zur HPLC-MS, geringen Empfindlichkeit der Methode. Eine schlechte Reinheit der Substanzen führt zu zusätzlichen Signalen im NMR-Spektrum, welche eine Strukturzuordnung erschweren oder gar unmöglich machen. Deshalb sollten die zu untersuchenden Substanzen vor der spektroskopischen Untersuchung mithilfe chromatographischer Methoden aufgereinigt werden. Die IR-Spektroskopie kann ebenfalls unterstützend zur Strukturaufklärung eingesetzt werden. Sie benötigt weniger Substanzmengen als die NMR-Spektroskopie, jedoch ist ihre Aussagekraft auch deutlich geringer.
  • Im Bereich der Strukturaufklärung gibt es wenige hilfreiche Software-Tools. Meist handelt es sich um Spektrenbibliotheken (GC-MS) oder Simulationssoftware (NMR, MS). Diese können unterstützend eingesetzt werden, z.B. um Fragmentierungspfade oder chemische Verschiebungen abzuschätzen, ersetzen aber nicht die Erfahrung des Analytikers.

Literatur:

[1] ICH-Richtlinien Q3A(R2), Q3B(R2), M7, www.ich.org

[2] A.J. Hickey, D.Ganderton, Unit Processes in Pharmacy Unit Operations, Encyclopedia of Pharmaceutical Technology 4th Edition, ed. J. Swarbrick und J. Boyle, Marcel Dekker, New York, 2002

* Dr. R. Nussbaum: Analytical Services Dr. Ralph Nussbaum, 52068 Aachen

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