3D-Bilder von Bernsteinfossil Teilchenbeschleuniger zeigt Details eines Urzeit-Parasits
Geschätzt 50 Millionen Jahre im Bernstein eingeschlossen: Eine winzige Parasitenlarve erweckt die Aufmerksamkeit von Biologen. Denn dank hochauflösender 3D-Aufnahmen durch den Synchrotron des Helmholtz-Zentrum Geesthacht konnten die Forscher dem Fossil ein paar Geheimnisse entlocken. Was die Wissenschaftler herausgefunden haben, lesen Sie im folgenden Beitrag.
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Geesthacht – Vor einiger Zeit glückte den Jenaer Forschern eine bemerkenswerte Entdeckung: Sie konnten ein nahezu 100 Millionen Jahre altes Fossil einer Fächerflügler-Larve im ersten Entwicklungsstadium identifizieren, eingeschlossen in einem Bernstein. Mit ihrer Größe von nur rund 0,2 Millimetern zählen solche Larven zu den kleinsten Mehrzellern überhaupt.
Fächerflügler (Strepsiptera) sind Parasiten, die andere Insekten befallen, z.B. Bienen und Wespen, aber auch Silberfischchen. „Bei den meisten der ca. 600 bekannten Arten bleiben die Weibchen zeitlebens in ihrem Wirt“, sagt Biologe Dr. Hans Pohl von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. „Nur die Männchen verlassen ihn für den Hochzeitsflug, leben dann aber nur noch einige Stunden.“ Doch es gibt Ausnahmen: Bei Arten, die Silberfischchen befallen, entfernen sich auch die flügellosen Weibchen von ihrem Wirt.
1000 Euro bei Ebay für 50 Millionen Jahre
Dann gelang Pohl ein Glücksfund im Internet, als ein Händler über Ebay einen baltischen Bernstein mit einem Insekteneinschluss anbot. „Ich habe sofort gemerkt, dass es sich um ein einzigartiges Fossil handelte“, sagt der Biologe. Nach hartnäckigem Verhandeln konnte er sich das Stück für einen Preis von 1000 Euro sichern. Das 4,4 Millimeter große Tierchen wurde vor schätzungsweise 50 Millionen Jahren vom Baumharz eingeschlossen und versiegelt. Was dieses Exemplar so besonders macht: Es ist das erste bekannte Larvenfossil eines Fächerflüglers, das sich in einem späteren als dem ersten Larvenstadium befindet.
Die Untersuchung des eingeschlossenen Fächerflüglers gestaltete sich jedoch als schwierig, erinnert sich Pohl: „Unter dem Lichtmikroskop waren wesentliche Details nicht zu erkennen. Man konnte weder sehen, ob die Larve Fühler hat, noch wie Mundwerkzeuge und Augen beschaffen sind und ob es sich um eine weibliche oder eine männliche Larve handelt.“ Also nahm sein Team das Objekt mit einem hochauflösenden Röntgenverfahren ins Visier – der Mikrotomographie mit Synchrotronstrahlung.
Bernsteinfossil im Röntgenblick
Der Speicherring „Petra III“ am Deutschen Elektronen-Synchrotron DESY in Hamburg schien für die detailliertere Untersuchung des Fossils bestens geeignet. Für gewöhnlich befasst sich die Hamburger Außenstelle des Helmholtz-Zentrum Geesthacht (HZG) mit Materialforschung, für die sie ihre Synchrotron-Strahlenquelle nutzt. „Die Methode ähnelt einem CT-Scanner im Krankenhaus, also einem Röntgenapparat, der dreidimensionale Bilder aus dem Körper liefert“ sagt HZG-Forscher Dr. Jörg Hammel.
Doch während in der Klinik herkömmliche Röntgenröhren für die Bildaufnahme genügen, fungiert an der HZG-Außenstelle ein gut zwei Kilometer großer Teilchenbeschleuniger als Lichtquelle. „Die Röntgenstrahlung von Petra III ist extrem intensiv“, sagt Hammel. „Dadurch können wir sehr scharfe Bilder selbst von sehr kleinen Proben machen.“ Bei der Bildaufnahme wird die Probe im Strahl rotiert, um sie von allen Seiten ablichten zu können. Jedes Einzelbild sieht aus wie eine normale Röntgenaufnahme. Der Computer setzt die vielen Aufnahmen dann zu einem 3D-Bild zusammen.
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Mücken
Vor 50 Millionen Jahren: die gleichen Mücken an der Ostsee und in China
Teilchenbeschleuniger zum Enträtseln von Bernsteinfossilien
Von der Fächerflügler-Larve lieferte die Methode gestochen scharfe Bilder mit einer Auflösung von 1,3 Mikrometern. „Darauf lassen sich alle wichtigen Details sehen“, freut sich der Jenaer Biologe Pohl. „Unter anderem konnten wir erkennen, dass sich das Tier vermutlich im dritten Larvenstadium befand und dass es sich sehr wahrscheinlich um eine weibliche Larve von Mengea handelt, einer heute ausgestorbenen Gattung.“ Das Besondere: Dieses Weibchen hatte seinen Wirt verlassen – ein für heutige Arten nur von den Parasiten der Silberfischchen bekanntes Verhalten. Und noch etwas anderes interessantes ergab die Untersuchung an der Synchrotron-Strahlenquelle, wie Pohl ergänzt: „Manche Indizien deuten darauf hin, dass der Wirt womöglich eine Schabe war. Um Gewissheit zu erhalten, müssten wir allerdings noch weitere Fossilien aufspüren und analysieren.“
Gut möglich, dass diese Analysen dann wieder am Speicherring in Hamburg erfolgen. „In den letzten Jahren scheint sich die HZG-Außenstelle unter Biologen zu einem Geheimtipp entwickelt zu haben“, sagt Hammel. „Mittlerweile sind wir offenbar so gut im Analysieren von Bernstein-Fossilien, dass wir immer mehr Anfragen aus der Fachwelt bekommen.“
Originalpublikation: Hans Pohl, Jörg U. Hammel, Adrian Richter, Rolf G. Beutel: The first fossil free-living late instar larva of Strepsiptera (Insecta). Arthropod Systematics & Phylogeny, 77(1): 125–140, 2019: DOI: 10.26049/ASP77-1-2019-06
* H. Hillen, Helmholtz-Zentrum Geesthacht Zentrum für Material- und Küstenforschung, 21502 Geesthacht
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