Anpassung erfolgt – aber zu langsam Vögel im Evolutionsrennen mit dem Klimawandel
Änderungen im Klima wirken sich direkt auf die Tierwelt aus. Diese passt sich im besten Fall evolutiv an. Ob und wie das gelingt, haben Forscher des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung mit einem internationalen Team am Beispiel von Vögeln untersucht. Warum die Ergebnisse den Wissenschaftlern Sorgen bereiten, lesen Sie im Folgenden.
Anbieter zum Thema

Berlin – Der Klimawandel bedroht das Überleben von Tierarten überall auf der Erde. Ihr Aussterben kann die Gesundheit der Ökosysteme beeinträchtigen, in denen sie leben. Daher ist es wichtig zu beurteilen, inwieweit Tiere auf sich verändernde Umweltbedingungen reagieren können und ob diese Veränderungen ein langfristiges Fortbestehen der Bestände ermöglichen. Solche Veränderungen können z.B. verschobene Brutzeiten bei Vögeln sein.
Zeitverschiebung im Tierreich
Um diese Fragen zu beantworten, hat ein internationales Team von 64 Forschern unter der Leitung von Viktoriia Radchuk, Alexandre Courtiol und Stephanie Kramer-Schadt vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) mehr als 10.000 veröffentlichte wissenschaftliche Studien ausgewertet. Die Ergebnisse ihrer Analyse sind beunruhigend: Obwohl Tiere häufig auf den Klimawandel reagieren, sind solche Reaktionen im Allgemeinen unzureichend, um das rasante Tempo des Temperaturanstiegs zu bewältigen.
Die am häufigsten beobachtete Reaktion auf den Klimawandel ist in der Tierwelt eine zeitliche Veränderung biologischer Ereignisse wie Winterschlaf, Fortpflanzung oder Migration (phänologische Merkmale). Veränderungen der Körpergröße, der Körpermasse oder anderer morphologischer Merkmale wurden ebenfalls mit dem Klimawandel in Verbindung gebracht, zeigen aber – wie in dieser Studie bestätigt – kein systematisches Muster.
Vogelschau im Zeichen des Klimawandels
Die Forscher untersuchten die wissenschaftliche Literatur auf Hinweise und Belege, die die Klimaveränderungen im Laufe der Jahre mit möglichen Veränderungen der phänologischen und morphologischen Eigenschaften in Verbindung bringen. Basierend darauf bewerteten sie, ob beobachtete Merkmalsänderungen mit einem höheren Überleben oder einer erhöhten Anzahl von Nachkommen verbunden waren.
„Unsere Forschung konzentrierte sich auf Vögel, weil vollständige Daten über andere Tiergruppen knapp waren“, sagt die Hauptautorin Radchuk. „Wir zeigen, dass in gemäßigten Regionen die steigenden Temperaturen mit der Verschiebung des Zeitpunkts biologischer Ereignisse hin zu früheren Zeiten verbunden sind.“
Ein Wettlauf gegen die Zeit
Ein Trend, den die Forscher herausarbeiteten, war eine zunehmend frühe Brutzeit bei Vögeln. „Dies deutet darauf hin, dass Tierarten durchaus in der Lage sind, sich an Umweltveränderungen anzupassen. Solange sie sich schnell genug verändern, um den Klimawandel zu bewältigen, könnten sie daher in ihrem Lebensraum bleiben, auch wenn dieser sich erwärmt“, sagt Co-Autor Steven Beissinger von der amerikanischen University of California.
Der IZW-Forscher Courtiol fügt jedoch hinzu: „Das Entscheidende ist die Geschwindigkeit der Anpassungen und unsere Auswertung legt offen, dass selbst Tierarten, die sich an die veränderte Umwelt anpassen, dies nicht schnell genug tun, um ihr Überleben zu garantieren.“ Zu diesem Schluss kamen die Wissenschaftler, indem sie abschätzten, wie die ideale Anpassung einer Population an die gegebenen Klimaveränderungen zu erwarten gewesen wäre. Diesen Idealzustand verglichen sie dann mit den tatsächlichen Anpassungen der Tiere, die oft hinter den „Soll-Anpassungen“ zurücklagen.
:quality(80)/images.vogel.de/vogelonline/bdb/1404600/1404665/original.jpg)
Reptilien passen sich an Klimawandel an
Hitze macht Geckos nichts aus, Dürre dafür umso mehr
Seltene Arten könnten größere Probleme haben
Besonders beunruhigt die Forscher, dass die analysierten Daten überwiegend gewöhnliche und häufige Arten wie die Kohlmeise (Parus major), den Trauerschnäpper (Ficedula hypoleuca) oder die Elster (Pica pica) umfassten, von denen bekannt ist, dass sie mit dem Klimawandel relativ gut umgehen. „Vergleichbare Anpassungen bei seltenen oder gefährdeten Arten müssen noch analysiert werden. Wir befürchten, dass die Prognosen zum Überleben für solche Arten noch pessimistischer sein werden“, schließt Kramer-Schadt, die Leiterin der Abteilung für Ökologische Dynamiken des Leibniz-IZW.
Die Wissenschaftler hoffen, dass ihre Analysen und die zusammengestellten Datensätze weitere Forschung zur Widerstandsfähigkeit von Tierpopulationen im globalen Umweltwandel stimulieren und zu einem besseren Vorhersagemodell beitragen werden, um zukünftige Maßnahmen des Naturschutzmanagements zu unterstützen.
Originalpublikation: Radchuk V et. al : Adaptive responses of animals to climate change are most likely insufficient, Nature Communicationsvolume 10, Article number: 3109 (2019); DOI: 10.1038/s41467-019-10924-4
(ID:46046061)