Anpassung von Kannenpflanzen Warum aus Fliegenfallen in Borneo Kloschüsseln werden
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In der Flora von Borneo haben Forscher eine erstaunliche Entwicklung festgestellt. Dort passen Kannenpflanzen zunehmend ihre Ernährung an: Bezogen sie früher vornehmlich aus gefangenen Fliegen zusätzliche Nährstoffe, setzen sie nun mehr und mehr auf Exkremente von kleinen Säugetieren. Damit erhalten sie den Forschern zufolge einen Wettbewerbsvorteil angesichts der schwindenden Insektenzahlen.

Das Insektenschwinden macht sich nicht nur auf den Autobahnen durch weniger „Schmutz“ auf der Windschutzscheibe bemerkbar. Auch in tropischen Gebirgen nimmt die Zahl der Insekten mit zunehmender Höhe ab. Dadurch verschärft sich in Gebirgshochlagen die Konkurrenz zwischen Pflanzenarten, die sich auf den Fang von Insekten als wichtige Nährstoffquelle spezialisiert haben. Wie kreativ einige dieser „fleischfressenden Pflanzen“ mit dieser Situation umgehen, zeigt ein internationales Forschungsteam mit Prof. Dr. Gerhard Gebauer von der Universität Bayreuth in einer aktuellen Studie.
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Genom von drei fleischfressenden Pflanzen entschlüsselt
Wie Pflanzen auf den Geschmack von Fleisch kamen
Die Forscher haben in Bergregionen auf Borneo einige Arten der Kannenpflanze Nepenthes näher untersucht. Diese Pflanzen besitzen Fangfallen, die sich evolutionär zur Erbeutung von Insekten angepasst haben. Doch mittlerweile scheinen die Pflanzen ihre Ernährung umzustellen und verstärkt darauf zu optimieren, den Kot von kleinen Säugetieren aufzunehmen. Analysen im Labor für Isotopen-Biogeochemie der Universität Bayreuth haben die Entdeckung dieser erfolgreichen Strategie der Anpassung an eine verschärfte Konkurrenzsituation möglich gemacht
Pflanzen ziehen Nährstoffe aus ungewöhnlichen Quellen
Aus früheren Untersuchungen war bekannt, dass Pflanzen, die sich entweder von erbeuteten Insekten oder von tierischen Exkrementen ernähren, im Vergleich mit „vegetarisch“ lebenden Pflanzen deutlich höhere Anteile des Stickstoff-Isotops 15N enthalten. Es war jedoch unklar, welche der beiden Ernährungsstrategien vorteilhafter ist: Insektenfang oder Kotsammlung. Der Bayreuther Biologe und Isotopenforscher Gebauer und seine Masterstudentin Miriam Wickmann haben daher den Stickstoff in Kannenpflanzen-Arten analysiert, die aus Gebirgshochlagen des malaysischen Teils der Insel Borneo stammten. In diesen Regionen ist der Stickstoff-Gewinn durch Insektenfang oder tierische Exkremente ein wichtiger Konkurrenzvorteil, da die Böden extrem arm an Stickstoff sind.
Das Ergebnis der Analysen: Von einer Ausnahme abgesehen, enthielten alle untersuchten Arten in ihrem Gewebe mehr 15N als die in direkter Nachbarschaft lebenden „vegetarischen“ Pflanzenarten. Im Gewebe von Kannenpflanzen, die ihre Ernährung auf tierische Exkremente umgestellt hatten, war der 15N-Anteil sogar mehr als doppelt so hoch wie in denjenigen Kannenpflanzen, die am Insektenfang festhielten. „Ein hoher Anteil des Stickstoff-Isotops 15N im pflanzlichen Gewebe ist ein eindeutiger Indikator für eine verbesserte Versorgung mit Stickstoff und anderen wichtigen Nährstoffen. Unsere Untersuchungen zeigen deshalb klar, dass sich der Umstieg auf Kot als neue Nahrungsquelle gelohnt hat“, sagt Isotopenforscher Gebauer.
Anpassung an veränderte Lebensbedingungen
Um ihre Ernährung umzustellen, mussten die Kannenpflanzen ihre Fangfallen umfunktionieren, wie der Biologe erklärt: „Früher haben sie mit Farben und Düften Insekten angelockt und eingefangen, jetzt laden sie mit ihren zuckerabsondernden Nektarien die auf Borneo heimischen Kleinsäugetiere ein, ihre Exkremente darin abzulegen.“ Diese Funktionsänderung sei ein überraschendes Beispiel dafür, dass Pflanzen in der Lage sind, ihre Ernährung kreativ anzupassen.
Aus Fangfallen sind Kloschüsseln geworden.
Derartige Entwicklungen sollten laut Gebauer künftig noch genauer untersucht werden. „Die gewonnenen Erkenntnisse werden dazu beitragen, Pflanzen unter veränderten klimatischen und ökologischen Lebensbedingungen besser zu schützen.“, sagt der Biologe. Von solchen Schutzmaßnahmen werden nicht zuletzt auch die Kannenpflanzen profitieren: 40 Prozent ihrer Arten werden zurzeit als stark gefährdet, gefährdet oder bedroht eingestuft. (clu)
Originalveröffentlichung: Adam T. Cross et al.: Capture of mammal excreta by Nepenthes is an effective heterotrophic nutrition strategy, Annals of Botany, Volume 130, Issue 7, December 2022, Pages 927–938; DOI: 10.1093/aob/mcac134
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