Klimaeffekte Warum ein grüner Frühling schlecht fürs Klima sein kann
Grün ist die Farbe der Klimarettung. Doch wenn die Pflanzenwelt zu früh mit dem Austreiben neuer Triebe beginnt, kann dies negative Folgen nach sich ziehen, die sich bis in den Sommer hinein bemerkbar machen. Zu diesem Schluss kommt ein internationales Forscherteam, das verfrühten Blattaustrieb mit längeren Dürren auf der Nordhalbkugel in Verbindung bringt.
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Augsburg – Ein Wissenschaftlerteam der Peking-Universität in China und der Universität Augsburg hat festgestellt, dass die frühere Begrünung des Frühlings einen großen Wasserverlust durch Verdunstung verursacht. Dieser Verlust erhöht das Risiko von Bodenfeuchtigkeitsdürren und Hitzeextremen in den folgenden Sommermonaten, wie die Wissenschaftler in Kooperation mit Partnern aus Deutschland, Großbritannien, Spanien, Belgien, Frankreich, Australien und den USA herausgefunden haben.
Die Forscher entdeckten diesen Zusammenhang zwischen den Jahreszeiten mithilfe von statistischen Methoden, indem sie Satellitenbilder von steigendem Frühlingsgrün mit denen von sinkender Sommerbodenfeuchtigkeit verglichen. Sie stellten außerdem sicher, dass diese Verknüpfung in Klimamodellen repliziert werden kann.
Schneller grün, schneller trocken
Dass Bäume viel Wasser brauchen, um ihr grünes Blätterkleid im Frühling zum Sprießen zu bringen, liegt nahe. „Wie eine frühere Begrünung die Bodenfeuchtigkeit beeinflusst, ist tatsächlich komplexer als bisher angenommen“, sagt Xu Lian von der Universität Peking, der Hauptautor der Studie. „Eine frühere Begrünung führt zu schnelleren Wasserverlusten, indem mehr Wasser in die Atmosphäre gepumpt wird. Das ‚verlorene Wasser‘ verschwindet jedoch nicht, ein Teil davon kehrt später als Niederschlag über Land zurück. Wir zeigen, dass dieser Mechanismus die durch Begrünung bedingten Wasserverluste verringert, da sonst die Oberflächentrocknung wesentlich intensiver ausfallen würde.“
Der Rest des „verlorenen Wassers“ bleibe laut Lian aber tatsächlich für die Region verloren: Statt lokal als Niederschlag zurückzukehren, transportiert die Atmosphäre dieses Wasser zu verschiedenen Orten.
Mit der aktuellen Studie tragen die Forscher nach eigenen Angaben dazu bei, die Wechselwirkungen zwischen Biosphäre und Atmosphäre zu extremen Wetterereignissen wie Dürren zu quantifizieren. „Die in unserer Studie festgestellten inter-saisonalen Prozesse können teilweise für anhaltende Extreme verantwortlich sein“, sagt Mitautor Professor Wolfgang Buermann vom Geographischen Institut der Universität Augsburg „Sie dürften die sommerliche Bodenfeuchtigkeit und die terrestrischen Ökosysteme unter dem fortschreitenden Klimawandel zusätzlich unter Druck setzen.“
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Extreme Wetterereignisse besser vorhersagen
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Wechselwirkungen des Klimawandels
„Hydrologische Kompromisse wie die frühzeitige Begrünung im Frühling im Vergleich zur potenziell erhöhten Bräunung oder Dürre im Sommer sind ein weiteres Beispiel für die komplexen und oft unerwarteten Wechselwirkungen des Klimawandels mit Ökosystemen“, kommentiert Alan Knapp, Professor für Ökologie an der Colorado State University, der selbst nicht an der Studie beteiligt war.
Den Forschern zufolge deutet ihre Studie auf einen oft übersehenen, sich verstärkenden Effekt hin: Steigende Treibhausgaskonzentrationen verursachen eine zunehmende Erwärmung und lassen neues Grün im Frühling immer früher sprießen. Dies verringert die Bodenfeuchtigkeit im Sommer, was wiederum die durch globale Erwärmung verursachte extreme Sommerhitze weiter verstärkt.
Agrarflächen und Mittelsibirien als Ausnahmen
Der in der Studie identifizierte Zusammenhang von „grüneren Frühlingen verursachen trockenere Sommer“ gilt jedoch nicht immer. Eine Ausnahme stellen landwirtschaftliche Gebiete dar, in denen die intensive Bewässerung die durch die Begrünung hervorgerufenen Signale außer Kraft setzt. Eine andere auffällige Ausnahme ist Mittelsibirien, wo das Vegetationswachstum zwar auch früher einsetzt, jedoch die Böden im Sommer feuchter sind. Diese zusätzliche Bodenfeuchtigkeit wird wahrscheinlich durch die Atmosphärische Zirkulation aus Europa übertragen, wo sich durch Begrünung und erhöhte Verdunstungsraten feuchtere Luftmassen bilden.
„Diese Forschung trägt zu den Beweisen bei, dass der Klimawandel nicht einfach so ablaufen wird, das alles gleich bleibt, außer den erhöhten Hintergrundtemperaturen“, sagt Chris Huntingford vom britischen Centre for Ecology and Hydrology. Stattdessen werde der Klimawandel hochkomplexe Wechselwirkungen auf dem Planeten auslösen, die lokal zu erheblichen Veränderungen führen können.
Originalpublikation: Xu Lian, Shilong Piao, Laurent Z. X. Li, Yue Li, Chris Huntingford, Philippe Ciais, Alessandro Cescatti, Ivan A. Janssens, Josep Peñuelas, Wolfgang Buermann, Anping Chen, Xiangyi Li, Ranga B. Myneni, Xuhui Wang, Yilong Wang, Yuting Yang, Zhenzhong Zeng, Yongqiang Zhang and Tim R. McVicar: Summer soil drying exacerbated by earlier spring greening of northern vegetation, Science Advances 03 Jan 2020: Vol. 6, no. 1; DOI: 10.1126/sciadv.aax0255
(ID:46302052)