Neurowissenschaft – Chronotypen Warum nicht jeder am Morgen volle Leistung bringen kann
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Um 8 Uhr morgens heißt es für viele Menschen: Hirn anschalten, die Arbeit beginnt. Dabei ist nicht jeder in der Früh schon voll leistungsfähig, denn es gibt unterschiedliche Chronotypen, sozusagen Morgen- und Abendmenschen. Wie sehr der Chronotyp das Lernen, Erinnern und Denken sowie das Gehirn selbst beeinflusst, zeigen Forscher am Leibniz-Institut für Arbeitsforschung.

Dortmund – Ob Sommer oder Winter: Tag und Nacht wechseln sich in einem 24-Stunden-Rhythmus ab. Dieser ist auch tief in unserer Biologie verankert – man spricht von der „inneren Uhr“ oder in der Fachwelt von einem zirkadianen Rhythmus. Dies beschreibt die Fähigkeit von Organismen, physiologische Vorgänge auf etwa 24 Stunden zu synchronisieren. Das wichtigste Beispiel dafür ist der Schlaf-Wach-Rhythmus.
Doch nicht jeder Mensch ist gleich getaktet. Der zirkadiane Rhythmus unterscheidet sich zwischen Individuen. Das ist die Grundlage von Chronotypen. Die beiden Extremfälle sind die typischen Frühaufsteher oder auch „Lerchen“, die eher am Morgen aktiv sind, und die Spät-ins-Bett-Geher – die „Eulen“, die erst am Abend so richtig aufblühen. Die Einteilung in Morgen- und Abendmenschen spiegelt sich aber nicht nur im Verhalten wider, sondern auch in der Physiologie und sogar in den Genen.
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Fettgewebe
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Frühe und späte Chronotypen
Am Leibniz-Institut für Arbeitsforschung der Technischen Universität Dortmund (IfADo) untersuchen Wissenschaftler der Abteilung Psychologie und Neurowissenschaften, wie sich verschiedene Chronotypen beim Menschen äußern. Dabei betrachten sie Unterschiede in der Leistungsfähigkeit des Gehirns: etwa die Aufnahme, Verarbeitung und Speicherung von Informationen. Auch die Frage, inwieweit die physiologischen Grundlagen mit frühen und späten Chronotypen bei Menschen zusammenhängen, untersuchen die Forscher.
In einer aktuellen Studie hat die Arbeitsgruppe um Ali Salehinejad und Michael Nitsche belegt, dass „Lerchen“ wirklich am Morgen bessere Leistungen erbringen, während „Eulen“ eher am Abend performen. Genauer gesagt: Wer zu einer für den eigenen Chronotyp passenden Tageszeit Aufgaben bewältigte, war beim motorischen Lernen und kognitiven Fähigkeiten besser als zur nicht bevorzugten Zeit des eigenen Chronotyps.
Gehirne zeigen physiologische Unterschiede
Die Unterschiede waren aber nicht bloß in der Leistungsfähigkeit festzustellen. Auch in der Gehirnphysiologie fanden die Wissenschaftler die beobachteten Leistungsunterschiede widergespiegelt, etwa in der neuronalen Erregbarkeit und der Neuroplastizität, also der Fähigkeit von Hirnzellen, sich umzuordnen, um neue Eindrücke zu verarbeiten und länger zu speichern.
Individuelle tageszeitabhängige Leistungsunterschiede lassen sich somit auf den Einfluss des Chronotyps auf menschliche Gehirnfunktionen zurückführen, ziehen die Forscher als Fazit. Das beginnt bei grundlegenden physiologischen Mechanismen und geht bis hin zu Auswirkungen auf das Verhalten und die kognitiven Funktionen.
Originalpublikation: Mohammad Ali Salehinejad, Miles Wischnewski, Elham Ghanavati, Mohsen Mosayebi-Samani, Min-Fang Kuo, Michael A. Nitsche: Cognitive functions and underlying parameters of human brain physiology are associated with chronotype, Nature Communications volume 12, Article number: 4672 (2021), DOI: 10.1038/s41467-021-24885-0
* A. Rommel, Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund
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