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Kein Ei gleicht dem anderen Was Blaumeisen-Eier über Kuckuckskinder verraten

Redakteur: Christian Lüttmann

Die Eier eines Blaumeisen-Geleges sind nicht gleich. Nicht nur ihre Musterung macht sie einzigartig, sondern auch ihre Inhaltsstoffe. Wie Ornithologen nun herausfanden, beeinflussen die Weibchen auch aktiv die Zusammensetzung des Eis. Dabei spielen Legefolge, Alter des Weibchens und weiteren Faktoren eine Rolle.

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Gelege von Blaumeisen (Cyanistes caeruleus)
Gelege von Blaumeisen (Cyanistes caeruleus)
(Bild: Emmi Schlicht)

München – Blaumeisen sind kleine, sozial monogame Singvögel, die sich nur einmal im Jahr fortpflanzen. Die begatteten Weibchen legen dann täglich ein Ei, etwa ein bis zwei Wochen lang. Das Gelege ist am Ende oft schwerer als das Weibchen selbst. Eine solch anstrengende Fortpflanzung kostet viel Energie und ist nur schwer auf einem konstanten Niveau aufrechtzuerhalten. So kommt es, dass größere Gelege in der Regel aus kleineren Eiern bestehen. Je nachdem wie das Weibchen unterschiedliche Inhaltsstoffe für das Ei sammeln, bilden und einlagern kann, unterscheidet sich auch die Stoffzusammensetzung der Eier von Tier zu Tier. Doch auch die Eier desselben Geleges zeigen deutliche Unterschiede in ihrer Zusammensetzung. So können sich selbst Geschwister bei Blaumeisen deutlich voneinander unterscheiden.

Diesem Phänomen sind Forscher der Max-Planck-Institute für Ornithologie und für Biochemie sowie der Universität Hohenheim nachgegangen. Sie haben in Süddeutschland brütende Blaumeisen (Cyanistes caeruleus) untersucht und sozusagen unter die Eierschale geschaut.

In ihrer Studie haben die Wissenschaftler den Nährstoffgehalt und die Konzentration von sechs Karotinoiden und fast 300 verschiedenen Proteinen eines jeden Eis bestimmt. Karotinoide sind Antioxidantien, die sowohl für die Embryonalentwicklung als auch für das Immunsystem des Nachwuchses wichtig sind. Die Vögel können sie jedoch nicht selbst herstellen, sondern nehmen sie über ihre Nahrung auf. Wie viele Karotinoide sie im Eigelb einlagern, ist daher begrenzt auf die Verfügbarkeit von karotinoidreichen Insekten.

Kuckuckskinder – Der Vorteil des ersten Eis

„Es war spannend zu sehen, wie verschieden jedes Ei in einem Gelege sein kann, obwohl es doch vom gleichen Weibchen gelegt wurde“, sagt Cristina Valcu, Erstautorin der Studie. So nimmt die Konzentration von Karotinoiden innerhalb des Geleges vom ersten bis zum letzten gelegten Ei ab. Jungtiere, die aus später gelegten Eiern mit weniger Karotinoiden schlüpfen, könnten folglich ein schwächeres Immunsystem haben. Jedoch enthalten Eier mit einer geringeren Karotinoid-Konzentration mehr Proteine, die eine wichtige Rolle bei der Immunabwehr spielen. Vermutlich regulieren die Weibchen den Proteingehalt der Eier und kompensieren so andere Umwelteinflüsse wie einen Karotinoid-Mangel.

Blaumeise, Cyanistes caeruleus
Blaumeise, Cyanistes caeruleus
(Bild: Eurasian blue tit, Cyanistes caeruleus / Eurasian blue tit, Cyanistes caeruleus / Francis C. Franklin / CC BY-SA 3.0 / BY-SA 3.0)

Auch andere Proteinkonzentrationen wurden von der Legefolge beeinflusst. Die ersten Eier eines Geleges weisen zum Beispiel eine höhere Konzentration an Proteinen auf, die für den Stoffwechsel, Zellaufbau sowie die Bildung von Geweben oder Organen wichtig sind. Küken aus den zuerst gelegten Eiern können so möglicherweise bereits in einem weiter entwickelten Stadium schlüpfen als ihre Geschwister. „Unsere Ergebnisse könnten erklären, warum Kuckuckskinder – also Küken, die einen anderen Vater haben als den sozialen Partner des Weibchens – sich oft besser entwickeln als ihre Halbgeschwister im Nest. Sie schlüpfen nämlich typischerweise aus den ersten Eiern eines Geleges“, erklärt der Leiter der Studie Bart Kempenaers.

Alte Weibchen legen die besseren Eier

Das Alter der Weibchen hatte ebenfalls Einfluss auf die Zusammensetzung des Eigelbs: Im Gelege von älteren Weibchen fanden die Forscher eine höhere Konzentration bestimmter Proteine als in Eiern von Weibchen, die zum ersten Mal brüteten. Die erfahreneren älteren Weibchen scheinen es also besser zu schaffen, Proteine im Eigelb einzulagern. All diese Ergebnisse zeigen, dass die Vogelmütter die Eigenschaften ihres Nachwuchses unabhängig von den vererbten Genen über eine unterschiedliche Proteinzusammensetzung der Eier beeinflussen können.

Originalpublikation: Cristina-Maria Valcu, Richard A. Scheltema, Ralf M. Schweiggert, Mihai Valcu, Kim Teltscher, Dirk M. Walther, Reinhold Carle, Bart Kempenaers: Life history shapes variation in egg composition in the blue tit Cyanistes caeruleus. Communications Biology volume 2, Article number: 6, published on January 04, 2019; DOI: 10.1038/s42003-018-0247-8

(ID:45674095)