Lösungsmittelchemie Wasser-Wraps mit zartschmelzender Hülle
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Im Wasser ist kein Molekül für sich allein. Selbst wasserabweisende Moleküle werden von einer Art Mantel aus H2O-Teilchen umwickelt, der bei Erwärmung leicht „schmilzt“. Diese Wasser-Wraps haben Forscher der Ruhr-Universität Bochum nun genau untersucht und können so die Eigenschaften von gelösten Molekülen besser erklären.

Bochum – Wenn man Öl auf Wasser gießt, bleibt es als eigene Schicht an der Oberfläche, da die einzelnen Moleküle hydrophob sind. Was aber passiert, wenn die wasserabweisenden Moleküle nicht zusammen auf das Wasser gegossen werden, sondern einzeln in der wässrigen Phase vorliegen? Dies haben Wissenschaftler der Ruhr-Universität Bochum exemplarisch an dem hydrophoben Alkohol tert-Butanol untersucht.
Mithilfe von Terahertz (THz)-Spektroskopie und von Simulationen fanden sie heraus, dass wasserabweisende Moleküle im Wasser von zwei verschiedenen Schichten ummantelt sind: Die innere Lage bildet ein zweidimensionales Netzwerk. Darüber liegt eine Übergangsschicht, die stärker an das umgebende Wasser als an die innere Lage bindet. Bisher hatte man angenommen, dass in der innersten Schicht um solche wasserabweisenden Moleküle tetraedrische, eisähnliche Formationen von Wassermolekülen überwiegen. Die neuen Ergebnisse zeigen: Das Gegenteil ist der Fall.
Doppelter Wrap aus Wassermolekülen
In der Arbeit untersuchten die Forscher das Wasserstoffbrückennetzwerk rund um den hydrophoben gelösten Alkohol tert-Butanol mithilfe der THz-Spektroskopie. Dabei dringt Strahlung im Terahertz-Bereich in die Probe, wo sie teilweise absorbiert wird. Das Absorptionsmuster ist wie ein Fingerabdruck des Wassernetzwerks.
So entstand ein detailliertes Bild von den Wasserschichten um das tert-Butanol. „Wir nennen die innerste Lage ‚HB-wrap’, wobei HB für water hydrogen bond, also Wasserstoffbrückenbindung steht“, erläutert Prof. Dr. Martina Havenith, Leiterin des Bochumer Lehrstuhls für Physikalische Chemie II an der RUB. Die darüber liegende Schicht bezeichnen die Forscher als „HB-hydration2bulk“, also die Verbindung zum restlichen Wasser („bulk“). Beide Lagen des „Wasser-Wraps“ zusammen sind teilweise nur so dick wie eine einzelne Schicht Wassermoleküle. „Es kann vorkommen, dass ein Wassermolekül beiden Schichten angehört“, sagt Havenith.
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Entsalzung per Membran
Wasserfilter nach Zellvorbild
Die äußere Wasserschicht „schmilzt“ leicht
Wie fest der Wassermantel an dem hydrophoben tert-Butanol anliegt, haben die Wissenschaftler mithilfe von Wärme untersucht. Bei Temperaturerhöhung schmilzt zuerst die äußere Schicht; die innere hält sich länger um das Molekül. „Das liegt daran, dass die innere Schicht durch die wasserabweisenden Eigenschaften des umschlossenen Moleküls weniger Bewegungsfreiheit hat“, erklärt die Forscherin. „Die einzelnen Wassermoleküle müssen sich stets davon abwenden, daher bilden sie nur ein zweidimensionales, loses Netz.“ Die Moleküle darüber haben mehr Freiheiten und daher auch mehr Verbindungsmöglichkeiten untereinander, die Forscher sprechen von größerer Entropie.
Diese Art der Wechselwirkung ist unter anderem bedeutend für Faltungsprozesse von Proteinen. Sie spielt auch eine Rolle dabei, wie sich etwa ein Medikament und sein Targetmolekül biomolekular erkennen. So könnten die Ergebnisse der Forscher etwa bei der Wirkstoffentwicklung und dem Design neuer Medikamente helfen.
Originalpublikation: Valeria Conti Nibali, Simone Pezzotti, Federico Sebastiani, Daria Ruth Galimberti, Gerhard Schwaab, Matthias Heyden, Marie-Pierre Gaigeot, Martina Havenith: Wrapping up hydrophobic hydration: locality matters, J. Phys. Chem. Lett. 2020, 11, 12, 4809–4816, Publication Date:May 27, 2020, DOI: 10.1021/acs.jpclett.0c00846
* M. Drießen, Ruhr- Universität Bochum, 44801 Bochum
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