Strahlenbelastung von Wildpilzen Welche Pilze noch immer radioaktiv belastet sind
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Auch Jahrzehnte nach dem Reaktorunglück von Tschernobyl sind im Süden Deutschlands Wildpilze noch mit radioaktivem Cäsium-137 belastet. Welche Pilzsorten unbedenklich sind und welche nicht zu viel gegessen werden sollten, untersucht regelmäßig das Bundesamt für Strahlenschutz.

Salzgitter – Wildpilze können in Süddeutschland weiterhin oberhalb des Grenzwertes mit radioaktivem Cäsium belastet sein. Das zeigt der aktuelle Pilzbericht des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS), für den die Behörde jährlich wildwachsende Speisepilze auf Cäsium-137 untersucht. Das Cäsium stammt hauptsächlich aus dem Reaktorunfall von Tschernobyl im Jahr 1986. Ein geringer Anteil geht auf die oberirdischen Kernwaffentests der 1950er- und 1960er-Jahre zurück.
Grenzwerte im Handel, aber nicht im Wald
Für Pilze, die in den Handel kommen, gilt ein Grenzwert von 600 Becquerel Cäsium-137 pro Kilogramm Frischmasse. Dieser Grenzwert schützt jedoch nicht, wenn man selbst zum Sammeln in den Wald geht. „Wer Pilze für den eigenen Verzehr sammelt, kann den Pilzbericht des Bundesamtes für Strahlenschutz zur Orientierung nutzen“, sagt BfS-Präsidentin Inge Paulini.
Der Bericht zeigt, welche Speisepilzarten noch heute hohe Cäsium-Werte aufweisen können und welche Regionen Deutschlands vom Reaktorunfall von Tschernobyl besonders betroffen sind. „In diesen Gebieten – etwa dem Bayerischen Wald, dem Alpenrand und dem Donaumoos südwestlich von Ingolstadt – sollte man selbst gesammelte Pilze nur in Maßen verzehren, um eine unnötige Strahlenbelastung zu vermeiden“, rät Paulini.
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Diese Speisepilzarten sind noch strahlenbelastet
Der Pilzbericht fasst die Untersuchungsergebnisse der Jahre 2019 bis 2021 zusammen. Besonders hohe Werte bis über 4.000 Becquerel Cäsium-137 pro Kilogramm Frischmasse wiesen in diesem Zeitraum Semmelstoppelpilze und Rotbraune Semmelstoppelpilze auf.
Über 1.000 Becquerel pro Kilogramm lagen die Messwerte von folgenden Pilzen:
- verschiedene Schnecklingsarten
- Gelbstielige Trompetenpfifferlinge
- Gemeine Rotfußröhrlinge
- Maronenröhrlinge
- Mohrenkopfmilchlinge
- Ockertäublinge
- Rotbraune Scheidenstreiflinge
- Seidige Ritterlinge
- Violette Lacktrichterlinge
- Ziegenlippen
Diese Pilzarten sind unbedenklich
Es gibt auch gute Nachrichten in dem Bericht des BfS: zahlreiche Pilzarten weisen kaum noch Strahlungswerte auf. Mit weniger als zehn Becquerel pro Kilogramm sehr gering belastet waren:
- Beutelstäubling
- Birnenstäubling
- Blutender Waldchampignon
- Blutroter Filzröhrling
- Brauner Riesenscheidenstreifling
- Braunroter Ledertäubling
- Braunschuppiger Riesenchampignon
- Faltentintling
- Hasenröhrling
- Honiggelber Hallimasch
- Judasohr
- Kurzstieliger Weichritterling
- Mönchskopf, Riesenporling
- Safran-Riesenschirmling
- Schiefknolliger Anischampignon
- Schopftintling
- Schwarzblauender Röhrling
- Sternschuppiger Riesenschirmling
- Weißer Büschelrasling
- Würziger Tellerling
- Zitterzahn
- Zweifarbiger Lacktrichterling
- Zweifarbiger Scheidenstreifling
Zuchtpilze wie Champignons und Austernseitlinge wurden für den Bericht nicht untersucht. Ihr Cäsium-137-Gehalt ist typischerweise äußerst gering und mit dem anderer landwirtschaftlicher Produkte vergleichbar.
Pilze mit hohem Cäsium-Gehalt meiden
Für die Strahlenbelastung des Menschen ist neben dem Cäsium-137-Gehalt der Pilze auch die verzehrte Menge entscheidend. Wenn wildwachsende Speisepilze in üblichen Mengen konsumiert werden, ist die zusätzliche Strahlenbelastung vergleichsweise gering und typischerweise unbedenklich.
Dennoch lohnt es sich laut BfS-Expertin Paulini, besonders hoch belastete Pilzarten zu meiden, wenn man regelmäßig selbst gesammelte Pilze isst: Ein Erwachsener, der jede Woche eine Mahlzeit aus 200 Gramm Maronenröhrlingen mit 2.100 Becquerel Cäsium-137 pro Kilogramm verzehrt, erfährt eine zusätzliche jährliche Strahlendosis wie bei rund 20 Flügen von Frankfurt nach Gran Canaria. In Zahlen ausgedrückt sind das 0,27 Millisievert.* Dies ist etwas mehr als ein Zehntel der durchschnittlichen Strahlenexposition aus natürlichen Quellen in Deutschland während eines Jahres (2,1 mSv).
*Als Faustregel gilt, dass die Aufnahme von 80.000 Bq Cs-137 mit Lebensmitteln bei Erwachsenen einer Strahlenexposition von etwa 1 Millisievert (mSv) entspricht.
Literatur: Eva Kabai, Alexander Hamer, Martin Steiner: Radioaktive Kontamination von Speisepilzen, (Stand: 2022, Messwerte 2019 bis 2021), Bundesamt für Strahlenschutz (BfS), 10-Aug-2022, urn:nbn:de:0221-2022080933632
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