Ursprung unserer galaktischen Nachbarschaft Weltraum-Blasen lassen Sterne entstehen
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Unsere benachbarten Sterne sind nicht einfach irgendwo entstanden, sondern an der Oberfläche einer galaktischen Blase. Als Überrest von vergangenen Sternexplosionen bot die sich ausbreitende Blase die geeigneten Bedingungen zur Geburt neuer Sterne. Astronomen haben dieses interstellare Phänomen nun im Computermodell rekonstruiert.

Wien/Österreich – Die Erde und unser Sonnensystem befinden sich in einer so genannten „Lokalen Blase“, einem staubfreien Raum gefüllt mit heißem Gas, mit einem Durchmesser von etwa 1.000 Lichtjahren. Die Geschichte der Lokalen Blase hat nun ein internationales Team von Astronomen rekonstruiert. Sie begann den Berechnungen zufolge vor etwa 14 Millionen Jahren durch eine Serie von etwa 15 Supernovae-Explosionen: Sehr massereiche Sterne explodierten am Ende ihrer Lebenszeit, was durch ein helles Aufleuchten sichtbar wird. Diese über mehrere Millionen Jahre ablaufende Reihe von Supernovae schob das umliegende interstellare Gas nach „außen“ und erzeugte dadurch die Lokale Blase.
Das Gas, welches am Rand dieser sich ausdehnenden Blase liegt, wurde dadurch verdichtet – es bildeten sich Molekülwolken, in denen schließlich Sterne entstehen konnten. Diese sieben Molekülwolken gehören zu den am besten erforschten Sternentstehungsregionen in unserer Sonnenumgebung. Eine 3D-Rekonstruktion in Raum und Zeit zeigt all diese jungen Sternentstehungsregionen, die sich heute am Rand der Lokalen Blase befinden.
„Als die ersten Supernovae explodiert sind, welche schließlich die Lokale Blase geformt haben, war unsere Sonne noch weit entfernt von diesem Ereignis“, schildert Koautor João Alves von der Universität Wien. Erst vor etwa fünf Millionen Jahren sei die Sonne – und damit unser Sonnensystem – auf ihrem galaktischen Orbit in die Lokale Blase gelangt und habe sich immer tiefer dort hinein bewegt.
Nun sitzt die Sonne durch puren Zufall fast genau im Zentrum dieser Blase.
Die Milchstraße als Schweizer Käse
Bereits vor etwa 50 Jahren stellten Astronomen die Theorie auf, dass solche Superblasen eine wichtige Rolle in Galaxien wie unserer Milchstraße spielen würden. „Nun haben wir auch den Beweis“, sagt Astronomin Alyssa Goodman von der amerikanischen Universität Harvard. Schließlich sei die Wahrscheinlichkeit, dass die Sonne im Zentrum einer solchen Blase steht, extrem gering, wenn solche Blasen eine Ausnahme wären.
Der Umkehrschluss: Galaxien wie unsere Milchstraße enthalte zahlreiche solcher Blasen und gleichen damit einem löchrigen Schweizer Käse. Die Löcher darin, also die Blasen, wurden von vergangen Supernova-Explosionen erzeugt. So können neue Sterne am Rand der „Käselöcher“ entstehen – dort, wo das Gas von der Energie der sterbenden Sterne verdichtet wurde. Während auf der Oberfläche der Blase neue Sterne entstehen, gibt es laut den Astronomen im Inneren der Blase keine Sternentstehung.
Weitere interstellare Blasen in Reichweite untersuchen
Die Lokale Blase hat bis heute keine endgültige Form, sie ist immer noch aktiv und wächst weiterhin, wie die Forscher aus ihren Daten ableiten. Allerdings habe sie den Hauptteil ihrer Kraft und ihren Schwung bereits verloren und sich auf eine relativ konstante Ausdehnungsgeschwindigkeit eingependelt, wie die Astronomen sagen.
Die Blase dehnt sich noch immer mit einer Geschwindigkeit von etwa 6 bis 7 km/s in unserer galaktischen Nachbarschaft aus.
„Die Blase dehnt sich noch immer mit einer Geschwindigkeit von etwa 6 bis 7 km/s in unserer galaktischen Nachbarschaft aus“, beschreibt Catherine Zucker vom Space Telescope Science Institute.
Nächster Schritt für die Forscher ist es nun, alle interstellaren Blasen in Reichweite zu vermessen und so eine vollständige 3D-Visualisierung zu bekommen. Das soll es den Astronomen ermöglichen, den Einfluss von sterbenden Sternen auf die neue Sternentstehung besser zu verstehen und dadurch auch die Struktur und Evolution von Galaxien wie unserer Milchstraße genauer nachzuvollziehen.
Möglich wurde dies mithilfe von neuen Daten des Gaia Weltraumteleskops von der Europäischen Weltraumorganisation (ESA), welches die Distanzen und Eigenbewegungen von Milliarden von Sternen vermisst. „Diese Daten ermöglichen es uns, die jüngere Geschichte und Struktur der Milchstraße mit viel größerer Genauigkeit zu bestimmen als es vor Gaia möglich war“, erklärt Koautorin Josefa Großschedl von der Universität Wien.
Originalpublikation: Zucker C., Goodman A., Alves J., Großschedl J., Swiggum C., Finkbeiner D., Khimey D., Bialy S., Speagle J., Burkert A.: Star formation near the Sun is driven by expansion of the Local Bubble, Nature (2022); DOI: 10.1038/s41586-021-04286-5
* A. Frey, Universität Wien, 1010 Wien/Österreich
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