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Beschichtung für Endoprothesen Wenn die neue Hüfte sich selbst heilt…

Redakteur: Christian Lüttmann

Eine neue Hüfte kann verlorene Lebensqualität zurückbringen. Doch mitunter kommt es auf dem Weg dahin zu Komplikationen. So erschweren infektiöse Bakterien die Einbindung des künstlichen Gelenks. Hier soll in Zukunft eine intelligente Beschichtung helfen, die genau dann aktiv wird, wenn Bakterien sich auf dem Implantat ausbreiten.

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Eine „intelligente“ Beschichtung aus diamantähnlichem Kohlenstoff mit eingebetteten Zinkoxid-Nanopartikeln soll Infektionen auf Prothesen verringern (Details: s. Ergänzendes zum Thema).
Eine „intelligente“ Beschichtung aus diamantähnlichem Kohlenstoff mit eingebetteten Zinkoxid-Nanopartikeln soll Infektionen auf Prothesen verringern (Details: s. Ergänzendes zum Thema).
(Bild: AG Biophysik, Universität Augsburg / Scientific Reports)

Augsburg, Hamburg, München – Über 150.000 Erstimplantationen von künstlichen Hüftgelenken wurden 2018 allein in Deutschland durchgeführt, heißt es im Jahresbericht des Endoprothesenregisters Deutschland. Die Implantation künstlicher Hüft- oder Kniegelenke gehört damit längst zum chirurgischen Alltag. Doch trotz fortschrittlicher Technik tritt nach wie vor ein Problem häufig auf: Infektionen in der Nähe der Prothese. Sie verzögern die Einheilung und können die Stabilität der Verbindung zwischen Endoprothese und Knochen dauerhaft beeinträchtigen. Darüber hinaus erhöhen sie für den Patienten das Operationsrisiko. „Erschwerend kommt hinzu, dass immer mehr Bakterien gegen gängige Antibiotika resistent werden“, sagt Dr. Christoph Westerhausen vom Lehrstuhl für Experimentalphysik I der Universität Augsburg. „Das zwingt uns zur Suche nach Alternativen.“

Diamantähnliche Schicht für bessere Prothesen

Eine solche Alternative könnte die neuartige Beschichtung sein, die das Forscherteam aus Augsburg, Hamburg und München nun entwickelt und getestet hat. Dabei handelt es sich um einen hauchdünnen Überzug aus diamantähnlichem Kohlenstoff, kurz DLC für diamond-like carbon.

DLC-Beschichtungen sind äußerst widerstandsfähig und zeichnen sich durch eine hohe Härte aus. Sie werden daher schon seit vielen Jahren immer dann eingesetzt, wenn Verschleiß und Abrieb minimiert werden müssen. Auch bieten Oberflächen aus DLC eine ausreichende Rauigkeit, sodass Knochenzellen gut daran haften. Das macht sie für sich genommen schon zu attraktiven Kandidaten für Implantate. Der Clou der neuartigen Beschichtung liegt aber woanders: „Wir haben sie gezielt mit Zinkoxid-Partikeln dotiert“, sagt Westerhausen. Die Zinkionen sind toxisch für Mikroorganismen und haben somit eine desinfizierende Wirkung.

Leider hat das Schwermetall einen bedeutenden Nachteil: Es kann auch Körperzellen schädigen oder sogar abtöten – ein Effekt, der natürlich bei der Einheilung des Implantats unerwünscht ist. So lange das Zinkoxid in die DLC-Schicht eingebettet ist, besteht allerdings keine Gefahr. Erst wenn sich die Nanopartikel in der Gewebsflüssigkeit lösen und das Zink so zu einem frei beweglichen Ion wird, entfaltet es sein toxisches Potenzial. Besonders schnell geschieht das in sauren Umgebungen. „Und genau dieses Phänomen hat uns zum Design unserer DLC-Schichten bewogen“, sagt Westerhausen.

„Intelligente“ Beschichtung gegen Infektionen

Denn Infektionen gehen oft mit einer Verringerung des pH-Werts einher – die Wunde „wird sauer“. Die Idee der Wissenschaftler: Vielleicht führt das dazu, dass der Kohlenstoff-Überzug seinen Zink-Inhalt vor allem in Anwesenheit von Bakterien abgibt – also dann, wenn es tatsächlich nötig ist. „Wir haben daher zunächst winzige Zinkoxid-Partikel erzeugt. Jeder von ihnen war nicht einmal ein Zwanzigstel so dick wie ein Bakterium“, erklärt der Biophysiker. Dann rührten die Forscher diesen „Schwermetall-Staub“ in eine flüssige Polymerlösung ein und benetzten damit ihre Test-Implantate. Den dünnen Polymerfilm wandelten sie anschließend durch ein spezielles Verfahren, der Ionenimplantation, in DLC um.

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„Intelligente“ Beschichtung für Prothesen

„Intelligente“ Beschichtung aus diamantähnlichem Kohlenstoff
„Intelligente“ Beschichtung aus diamantähnlichem Kohlenstoff
( Bild: AG Biophysik, Universität Augsburg / Scientific Reports )

In einen hauchdünnen Überzug aus diamantähnlichem Kohlenstoff (DLC) sind Nanopartikel aus Zinkoxid eingebettet (oben). Die dargestellten Bakterien sind nicht maßstabsgerecht, sondern in Wirklichkeit rund 20 Mal größer. Wenn die Zinkoxid-Partikel in Lösung gehen, bleiben auf der Oberfläche winzige Vertiefungen zurück (unten, hier in Negativ-Darstellung – die Vertiefungen erscheinen als Berge). An ihnen können sich Knochenzellen gut anhaften. DLC ohne Zinkoxid (rechts unten) wird deutlich leichter von Bakterien besiedelt als solches mit Metall-Partikeln (rechts oben). Beide Aufnahmen sind bei einem pH-Wert entstanden, der normalerweise bei Infektionen herrscht.

Die so erhaltene „intelligente“ Beschichtung testeten sie auf ihr Verhalten bei unterschiedlichen pH-Werten. Normalerweise ist die Gewebsflüssigkeit neutral bis minimal alkalisch; bei einer Entzündung wird sie dagegen leicht sauer. Tatsächlich löste sich das Zinkoxid unter diesen Bedingungen deutlich schneller: Die Beschichtung entließ bei einer Absenkung des pHs um eine Stufe (was etwa dem typischen Wert bei einem Infekt entspricht) in der Anfangsphase der Freisetzung rund dreißig Prozent mehr Zinkionen.

In mikrobiellen Tests zeigten die Forscher zudem, dass die Beschichtung Bakterien wirksam in ihrem Wachstum hemmen kann – und zwar vor allem bei einem sauren pH-Wert. Zu den getesteten Mikroben gehörten auch solche, die gegen verschiedene Antibiotika resistent sind und die nach Operationen daher häufiger Probleme verursachen.

Keimabtötung überwiegt der Gewebeschädigung

Zwar wurden auch Gewebszellen durch die Zink-Ionen geschädigt. „Doch bei ihnen tritt die Wirkung ebenfalls vor allem bei saurem pH auf, also bei einem Infekt“, betont Westerhausen. „In einer solchen Situation überwiegt aber der Vorteil – nämlich die Abtötung der Bakterien – den Nachteil der Gewebsschädigung bei weitem.“ In weiteren Tests wollen die Wissenschaftler nun verschiedene Parameter der neuen Beschichtung variieren, etwa die Menge der hinzugefügten Zink-Ionen. Sie hoffen so, den Effekt weiter optimieren zu können. „Wir sehen in unseren DLC-Schichten schon jetzt großes Potenzial, Komplikationen bei der Einheilung von Endoprothesen deutlich zu reduzieren“, schließt Westerhausen.

Originalpublikation: Sascha Buchegger, Andrej Kamenac, Sven Fuchs, Rudolf Herrmann, Pia Houdek, Christian Gorzelanny, Andreas Obermeier, Stephan Heller, Rainer Burgkart, Bernd Stritzker, Achim Wixforth & Christoph Westerhausen: Smart antimicrobial efficacy employing pH-sensitive ZnO-doped DLC coatings, Scientific Reports volume 9, Article number: 17246 (2019); DOI: 10.1038/s41598-019-53521-7

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