Wechselwirkung auf Quantenebene Wenn Schrödingers Katze aus Licht wäre…
Gleichzeitig Licht und Materie – durch einen überlagerten Zustand haben Forscher unter Beteiligung der Ruhr-Universität Bochum ein Pendant zu dem berühmten Gedankenexperiment um Schrödingers Katze geschaffen. Die Ergebnisse könnten für die Signalweiterleitung von Quantencomputern relevant sein.
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Basel/Schweiz, Bochum, Lyon/Frankreich – In einem Quantencomputer könnten Daten in bestimmten Materiestrukturen, den so genannten Quantenpunkten gespeichert werden. Um die Information auch über gewisse Strecken zum Beispiel durch Glasfaserkabel transportieren zu können, muss sie von Materie auf Licht übertragen werden. Forscher der Universitäten Basel (Schweiz), Bochum und Lyon (Frankreich) haben nun eine solche Licht-Materie-Schnittstelle in ihrer aktuellen Arbeit untersucht. Dabei haben sie Licht und Materie auf Quantenebene miteinander verschmolzen und den Austausch einzelner Energiequanten beobachtet.
Der Quantenpunkt im Lichtgefängnis
Quantenpunkte lassen sich in Halbleitern realisieren, indem Forscher zum Beispiel ein Elektron in einem sehr begrenzten Bereich einsperren. Das Team um Dr. Arne Ludwig und Prof. Dr. Andreas Wieck vom Bochumer Lehrstuhl für Festkörperphysik ist auf die Herstellung dieser Strukturen spezialisiert. Die Informationseinheiten in einem solchen System werden als Quantenbits oder kurz Qubits bezeichnet. „Neben Materie-Qubits haben wir in unserem Experiment auch fliegende Qubits in Form von Photonen erzeugt“, sagt Ludwig. Die Wissenschaftler koppelten Licht und Materie so aneinander, dass Informationen von Materie auf Licht und zurück auf Materie übertragen werden können.
Zu diesem Zweck schlossen sie den Quantenpunkt in einen winzigen Hohlraum ein, dessen Wände Licht höchsteffizient reflektieren. Die Projektpartner an der schweizerischen Universität Basel regten die Materie im Quantenpunkt an, indem sie ein Photon mit einer bestimmten Wellenlänge einstrahlten. Dieses wird von dem Quantenpunkt absorbiert – das Photon verschwindet also, aber die Materie ist nun in einem höherenergetischen Zustand. Dieser Anregungszustand kann dann von der Materie wieder auf ein Photon im Hohlraum übertragen werden. Die Energie geht also von der Materie auf das Photon über.
Zwei auf einer Wellenlänge
Der Prozess der Energieübertragung zwischen Photon und Materie funktioniert also in beide Richtungen. „Das geschieht allerdings nicht jedes Mal, wenn ein Photon mit der richtigen Wellenlänge am Quantenpunkt vorbeikommt“, sagt Ludwig. Die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Übertragungsprozess abläuft, erhöhten die Forscher durch den Hohlraum, der den Quantenpunkt umschließt. Er hält die Photonen gefangen und wirkt als Resonator. „Die Wände des Hohlraums kann man sich wie Spiegel vorstellen, die das Photon immer wieder hin- und zurückwerfen“, vergleicht Ludwig. „Dabei kommt es immer wieder am Quantenpunkt vorbei, der es irgendwann absorbiert.“
Das Besondere: Normale Spiegel schaffen es, ein Photon etwa 100-mal hin- und herzuwerfen. Der Halbleiterspiegel, den die Bochumer Forscher erzeugt haben, schafft 100.000 Reflexionen. Den Hohlraum können sie dabei so einstellen, dass er Photonen mit exakt der Wellenlänge oszillieren lässt, die für die Kommunikation mit dem Quantenpunkt gebraucht werden. Sie stimmen sozusagen den Ton von Photon und Quantenpunkt aufeinander ab, sodass sie schließlich wortwörtlich auf einer Wellenlänge liegen.
Licht und Materie werden eins
Mit ihrer Versuchsanordnung haben die Forscher ein ungewöhnliches Ereignis untersuchen können. „Da das Licht im Hohlraum sehr lange gefangen bleibt, passiert etwas quantenmechanisch sehr Interessantes“, sagt Ludwig. „Vereinfacht gesagt wird das Photon immer wieder von der Materie absorbiert und emittiert. Realistischer ausgedrückt müssen wir aber von einer Überlagerung der Zustände sprechen: Das Photon ist gleichzeitig da und nicht da. Wir sehen also eine Verschmelzung zwischen den Zuständen Licht und Materie.“
Die Wahrscheinlichkeit für die Anwesenheit des Photons konnten die Forscher messen: Sie oszillierte mit einer bestimmten Frequenz. Die experimentell bestimmte Frequenz entsprach dabei genau der, die sich durch Berechnungen aus der Theorie der Quantenelektrodynamik (QED) ergibt. Die Messungen erbrachten somit einen Beweis dafür, dass die QED präzise Vorhersagen macht.
Analogie zu Schrödingers Katze
Die beiden Zustände „Photon da“ und „Photon weg“ – oder anders ausgedrückt die Zustände Licht und Materie – wechselten sich in dem System aber nicht einfach ab, sondern sie gingen kontinuierlich ineinander über. „Erst beim Messen stellen wir fest, dass sich das System entschieden hat, entweder Licht oder Materie zu sein“, erklärt Ludwig. „Es ist genau wie mit Schrödingers Katze aus dem etwas abstrusen Gedankenexperiment: Erst wenn man in die Box mit der Katze hineinschaut, weiß man, ob sie tot oder lebendig ist – vorher ist sie beides.“
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Quantentechnologie
20 verschränkte Katzenzustände bringen neuen Rekord
Die Ergebnisse sind nicht nur spannende Grundlagenforschung. Sie haben auch Anwendungspotenzial in Quantencomputern. „Uns ist es gelungen, die Experimente mit Photonen mit optischen Frequenzen durchzuführen, nicht wie früher mit Photonen im Mikrowellenbereich“, sagt Dr. Daniel Najer von der Universität Basel. „Das bedeutet, dass wir Quanteninformationen mittels Photonen über weite Entfernungen übertragen können und Rechenoperationen potenziell viel schneller durchführen könnten.“
Originalpublikation: Daniel Najer et al.: A gated quantum dot strongly coupled to an optical microcavity, Nature, 2019, DOI: 10.1038/s41586-019-1709-y
* Dr. J. Weiler, Ruhr-Universität Bochum, 44801 Bochum
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