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Symbiose im Korallenriff Wie Bakterien Korallen vor dem Klimatod schützen

Redakteur: Christian Lüttmann

Korallenriffe sind Trutzburgen des Lebens – tausende Tierarten finden dort einen Lebensraum. Doch verändernde Umweltbedingungen machen den Riffen zu schaffen. Wie Bakterien den Korallen beim Überleben helfen können, haben Forscher der Universität Konstanz nun näher untersucht.

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Ein flaches Korallenriff im zentralen Roten Meer
Ein flaches Korallenriff im zentralen Roten Meer
(Bild: Anna Roik)

Konstanz – Korallenriffe sind sensible Ökosysteme, die akut von menschenverursachten Einflüssen wie Klimawandel und Umweltverschmutzung betroffen sind. Selbst wenn die Erderwärmung 1,5 bis 2 Grad Celsius nicht übersteigen sollte, wie vom International Panel of Climate Change (IPCC) empfohlen, werden voraussichtlich mehr als 70 Prozent der Korallenriffökosysteme verloren gehen – eine ökonomische und ökologische Katastrophe.

Doch was kann es sein, das die übrigen 30 Prozent vor diesem Schicksal bewahrt? Wie passen sich Korallen an neue Umweltbedingungen an? Und welche Möglichkeiten gibt es zum Schutz der Riffe? Christian Voolstra, Professor für genetische Adaptation in aquatischen Systemen an der Universität Konstanz, schreibt Bakterien und anderen Mikroorganismen eine besondere Bedeutung zu. Kein Tier und keine Pflanze lebe alleine – es müsse immer das Zusammenspiel mit Bakterien betrachtet werden, betont er.

Korallen sind ihrer Umwelt ausgeliefert

Korallen assoziieren sich mit Bakterien, das heißt sie bilden eine Symbiose, von der die Koralle maßgeblich profitiert. Diese Gemeinschaft von Wirt und Bakterien wird Metaorganismus genannt. Die Besonderheit bei dem Metaorganismus Koralle ist, dass dieses Tier lebt wie eine Pflanze und an einen Ort gebunden ist. Durch diese Ortsgebundenheit ist die Koralle ihren Umweltbedingungen besonders ausgeliefert und daher enorm auf die Hilfe von Bakterien und anderen Mikroorganismen angewiesen, die beispielsweise bei der Ernährung, beim Stoffwechsel und bei der Immunabwehr eine Rolle spielen.

Verschiedene Studien haben gezeigt, dass Korallen mit diversen Bakterien assoziiert sind, die unterschiedliche Funktionen erfüllen. Doch variieren die Bakteriengemeinschaften je nach Umweltbedingungen oder bleiben sie gleich? Beide Fälle konnten beobachtet werden.

Zwei Arten, zwei Strategien

Um mehr Klarheit in diese Diskussion zu bringen, untersuchte das Team um Voolstra zwei Korallenarten, von denen sie ausgingen, dass sie sich hinsichtlich ihrer Strategie der Bakterienassoziation maßgeblich unterscheiden: Die Art Acopora hemprichii, die sich bei veränderten Bedingungen mit anderen Bakterien assoziiert und die Art Pocillopora verrucosa mit gleichbleibenden Bakterienassoziationen. Das Experiment wurde über 21 Monate in der Gegend um Jeddah in Saudi Arabien durchgeführt, wo die Ökosysteme des roten Meeres stark vom Menschen beeinflusst sind.

Die Forscher transplantierten die Korallen in Umgebungen, die unterschiedliche Abstufungen von menschenverursachten Einwirkungen auf die marine Umwelt repräsentieren, um die Veränderung der Bakteriengemeinschaften in Stresssituationen zu untersuchen. Sie nutzten dazu Korallenfragmente aus derselben Kolonie, sodass die Proben identisches Genmaterial aufwiesen und die Veränderungen ausschließlich auf die Umweltbedingungen zurückzuführen waren.

„Was wir gezeigt haben ist, dass es Korallen gibt, die flexibel auf Umweltbedingungen antworten können, indem sie sich mit bestimmten Bakterien assoziieren, und dass es andere Korallen gibt, die das nicht können“, sagt Voolstra. Die Studie zeigt somit, dass es unter den Korallen einerseits Generalisten gibt, die flexibel und vielseitig sind und andererseits Spezialisten, die in ihrer Assoziation mit Bakterien stetig sind.

Spezialisten oder Generalisten

Grundsätzlich ist Spezialisierung in der Natur nicht schlechtes, bringt sie der Art doch den Vorteil, auf eine bestimmte Umweltsituation besonders gut angepasst zu sein. Wenn sich die Umweltbedingungen jedoch zu rasch ändern, wie es mit dem Klimawandel derzeit geschieht, kommen die Spezialisten nicht mehr mit hinterher: Eine evolutive Adaption der spezialisierten Korallen würde viel zu lange dauern, als dass sie den rasanten Veränderungen durch den Klimawandel gerecht werden könnte.

Die Anpassungsfähigkeit der Generalisten macht allerdings Hoffnung. Durch Assoziationen mit neuen Bakterien können diese Korallen viel schneller reagieren ‒ die Veränderungen wurden bereits nach einigen Monaten deutlich. Außerdem stellten die Forscher bei einer Rücktransplantation in die ursprüngliche Umgebung fest, dass sich auch die Bakteriengemeinschaft zum ursprünglichen Zustand zurückentwickelt, quasi erholt.

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Bakterienimpfung für Korallen?

Das Beispiel der Pocillopora verrucosa verdeutlicht zudem, dass auch spezialisierte Korallen in ihrer Überlebensstrategie erfolgreich sind. „Wir müssen uns vor Augen führen, dass die untersuchten Arten diejenigen sind, die die massiven Veränderungen des vergangenen Jahrzehnts bereits überstanden haben ‒ ein Verlierermodell lässt sich in der Natur nicht finden“, hebt Voolstra hervor.

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Die Arbeit weist also nach, dass Korallen sich die symbiotische Beziehung mit Bakterien auf unterschiedlichen Wegen zunutze machen. Die Ergebnisse der Studie tragen zur Weiterentwicklung der „Coral Probiotics“ bei – einer Methode, bei der Korallen gezielt mit Bakterien zusammengebracht werden sollen, welche die Anpassung der Koralle an veränderte Bedingungen fördern. Diese Methode soll dabei helfen, die Korallen widerstandsfähig gegenüber den extremen und rasanten Veränderungen ihrer Lebensräume zu machen und Riffe vor dem Aussterben zu bewahren.

Originalpublikation: Maren Ziegler, Carsten G. B. Grupstra, Marcelle M. Barreto, Martin Eaton, Jaafar BaOmar, Khalid Zubier, Abdulmohsin Al-Sofyani, Adnan J. Turki, Rupert Ormond & Christian R. Voolstra : Coral bacterial community structure responds to environmental change in a host-specific manner, Nature Communications 10, article 3092; DOI: 10.1038/s41467-019-10969-5

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