English China

Selbstverdunkelndes Fensterglas Wie beschichtete Bürofenster zum Klimaschutz beitragen

Von Ines Schedwill*, Marie-Luise Righi**

Anbieter zum Thema

Im Sommer fällt die Büroarbeit besonders schwer, wirken die Glasfassaden der Gebäude mitunter wie ein Treibhaus. Klimaanlagen halten den Innenraum zwar kühl, klimafreundlich ist das angesichts des Stromverbrauchs aber nicht. Hier könnten intelligente Fensterscheiben helfen, die sich stufenlos verdunkeln und so ein Aufheizen verhindern. Fraunhofer Forscher haben die entsprechenden Beschichtungen dafür entwickelt.

Bei Gebäuden mit großen Glasfronten ermöglicht die Ausstattung mit elektro- oder thermochromen Fenstern Energieeeinsparungen von bis zu 70 Prozent bei Heizung und Kühlung.
Bei Gebäuden mit großen Glasfronten ermöglicht die Ausstattung mit elektro- oder thermochromen Fenstern Energieeeinsparungen von bis zu 70 Prozent bei Heizung und Kühlung.
(Bild: Fraunhofer)

Dresden, Würzburg – Wer sich heute in der Großstadt umsieht, muss nicht lange suchen: Die typischen Bürohochhäuser mit ihren großen Glasfassaden prägen vielerorts das Stadtbild. Das sieht zwar modern aus und wirkt durch das viele Glas weniger klobig ein klassischer Betonbau mit kleineren Fenstern, hat aber auch Nachteile.

Im Sommer heizen sich die Glasgiganten durch die Sonneneinstrahlung stark auf. Der Einsatz von schützenden Jalousien oder Vorhängen ist oftmals unerwünscht, verhindert er doch den Blick nach draußen stört den ästhetischen Gesamteindruck des Gebäudes. Deshalb kühlen meist Klimaanlagen die Temperatur in den Räumen herunter. Das benötigt viel Strom und verschlechtert die Klimabilanz des Gebäudes. Der Gebäudesektor zählt auch deshalb zu den größten Verursachern von Treibhausgas-Emissionen. Nach Angaben des Umweltbundesamts sind Gebäude in Deutschland für etwa 30 Prozent der gesamten CO2-Emissionen und 35 Prozent des Endenergieverbrauchs verantwortlich.

Eine mögliche Lösung für dieses Problem haben Forscher vom Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC in Würzburg und Fraunhofer-Institut für Organische Elektronik, Elektronenstrahl- und Plasmatechnik FEP in Dresden vorgestellt. Sie setzen auf eine transparente Beschichtung der Fenster oder Glasfassaden mit elektro- bzw. thermochromen Materialien. Diese sorgen für eine stufenlose transparente Abdunkelung der Fensterfronten und verringern damit das Aufheizen der Räume.

Verdunkeln mit Strom oder Wärme

Je nach eingebauter Beschichtung lässt sich die Verdunkelung per Knopfdruck steuern, oder sozusagen automatisiert durch die Außentemperatur regeln. „Die elektrochrome Beschichtung wird auf einer transparenten, stromleitfähigen Folie aufgebracht und ist aktiv schaltbar. Wird Spannung bzw. Strom angelegt, findet ein Ladungs- und Ionenaustausch statt, und die Beschichtung dunkelt ein, was zu einer Verschattung im Fenster führt“, erklärt Dr. Marco Schott, Gruppenleiter „Elektrochrome Systeme“ am Fraunhofer ISC. „Die thermochrome Variante hingegen arbeitet rein passiv und reflektiert ab einer bestimmten Umgebungstemperatur die Wärmestrahlung der Sonne.“

Herstellung der beschichteten Fensterscheiben

Die elektrochrome Beschichtung wird auf einem Foliensubstrat auf Polymer-Basis aufgebracht. Die thermochrome Version hingegen arbeitet mit einem Dünnglas-Substrat. Es werden nasschemische Beschichtungsverfahren sowie Vakuumbeschichtungsverfahren im Rolle-zu-Rolle-Betrieb eingesetzt.

Die Beschichtungen werden im Rolle-zu-Rolle-Verfahren hergestellt. Mit wenigen 100 µm sind sowohl die elektrochrome Folie als auch das thermochrome Dünnglas-Substrat extrem dünn.
Die Beschichtungen werden im Rolle-zu-Rolle-Verfahren hergestellt. Mit wenigen 100 µm sind sowohl die elektrochrome Folie als auch das thermochrome Dünnglas-Substrat extrem dünn.
(Bild: Fraunhofer)

Die schaltbaren Bauelemente werden anschließend im Vakuum auf ein 4 mm dickes Fensterglas laminiert. Dieses wird schließlich Teil des Verbundfensters. Das Beschichtungsverfahren ist auch im industriellen Maßstab wirtschaftlich realisierbar. Die elektro- und thermochrom-schaltbaren Elemente sind nur wenige 100 µm dick und weniger als 500 g pro Quadratmeter leicht. Sie verändern damit das Gewicht der Verbundfenster kaum, sodass diese ohne Nachbesserungen an der Gebäudekonstruktion oder Statik in Bestandsgebäuden nachgerüstet werden können.

Bei den elektrochromen Elementen könnten Sensoren Werte wie Helligkeit oder Temperatur messen und an die Steuerelektronik schicken. Diese sendet einen Strom- oder Spannungsimpuls in die leitfähige Folie und löst damit die Verschattung des Fensters aus. Gerade in südlichen Breitengraden oder bei Gebäuden mit großen Fensterflächen, die nach Süden weisen, verhindert die stufenlose Einfärbung, dass sich der Raum aufheizt und die Klimaanlage anspringen muss. Zudem dient sie als Blendschutz, wenn die Sonne in den Raum scheint. An einem bewölkten Tag oder am Abend bleiben die Fenster hell. Die wegen der Beschichtung unvermeidliche Resteinfärbung ist laut Angabe der Forscher für das Auge nicht störend.

Energiesparpotenzial der smarten Scheiben

Der Stromverbrauch der elektrochromen Elemente ist sehr gering: Zum einen benötigt die elektrochrome Folie im Idealfall nur bei Schaltvorgängen Strom, zum anderen genügen wenige Volt, um den Verdunklungsprozess anzustoßen. Ganz ohne Strom kommen die thermochromen Materialien aus, da sie rein passiv auf die durch Sonneneinstrahlung erzeugte Wärme reagieren. Diese können ein aktiv schaltbares System ergänzen oder eigenständig genutzt werden, wenn keine aktive Schaltbarkeit erforderlich ist.

Der Aufbau eines Fensters mit selbstverdunkelnder Beschichtung: Denkbar sind sowohl Varianten mit elektro- als auch mit thermochromer Beschichtung sowie eine Kombination beider Methoden in einem Fenster.
Der Aufbau eines Fensters mit selbstverdunkelnder Beschichtung: Denkbar sind sowohl Varianten mit elektro- als auch mit thermochromer Beschichtung sowie eine Kombination beider Methoden in einem Fenster.
(Bild: Fraunhofer)

Besonders große Energieeinsparungen durch niedriger gestellte oder gar nicht eingeschaltete Klimaanlagen versprechen die Spezialfenster überall da, wo hohe Außentemperaturen herrschen, also in südlichen Regionen. „In warmen Regionen Europas lässt sich so der Kühl- und Heizenergiebedarf von modernen Gebäuden um bis zu 70 Prozent reduzieren“, sagt Dr. John Fahlteich, Forschungsgruppenleiter am Fraunhofer FEP. In den kälteren Regionen des Nordens sind die Einsparungen geringer. Doch auch hier könnten die Systeme genutzt werden, um bei direkter Sonneneinstrahlung einen Blendschutz zu gewährleisten.

Jetzt Newsletter abonnieren

Verpassen Sie nicht unsere besten Inhalte

Mit Klick auf „Newsletter abonnieren“ erkläre ich mich mit der Verarbeitung und Nutzung meiner Daten gemäß Einwilligungserklärung (bitte aufklappen für Details) einverstanden und akzeptiere die Nutzungsbedingungen. Weitere Informationen finde ich in unserer Datenschutzerklärung.

Aufklappen für Details zu Ihrer Einwilligung

Zukunftsziele: bunt und geschwungen

Derzeit arbeiten die Wissenschaftler daran, die Technologie weiterzuentwickeln. So erforscht das Expertenteam, wie sich die elektro- und die thermochromen Elemente in einem Verbundfenster miteinander kombinieren lassen, um das Potenzial der Technologie noch besser auszuschöpfen. Weitere Ziele bestehen darin, die Beschichtung auf geschwungenen Glasformen aufzubringen und zu den bestehenden Farbtönen Blau und Grau weitere Farben zu ergänzen. So sollen die elektro- und thermochromen Fenster des EU-Projekts „Switch2Save“ einen wichtigen Beitrag für die Klimaneutralität leisten.

* I. Schedwill, Fraunhofer-Institut für Organische Elektronik, Elektronenstrahl- und Plasmatechnik FEP, 01109 Dresden

* *M.-L. Righi, Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC, 97082 Würzburg

(ID:47616028)