Selbstverdunkelndes Fensterglas Wie beschichtete Bürofenster zum Klimaschutz beitragen
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Im Sommer fällt die Büroarbeit besonders schwer, wirken die Glasfassaden der Gebäude mitunter wie ein Treibhaus. Klimaanlagen halten den Innenraum zwar kühl, klimafreundlich ist das angesichts des Stromverbrauchs aber nicht. Hier könnten intelligente Fensterscheiben helfen, die sich stufenlos verdunkeln und so ein Aufheizen verhindern. Fraunhofer Forscher haben die entsprechenden Beschichtungen dafür entwickelt.

Dresden, Würzburg – Wer sich heute in der Großstadt umsieht, muss nicht lange suchen: Die typischen Bürohochhäuser mit ihren großen Glasfassaden prägen vielerorts das Stadtbild. Das sieht zwar modern aus und wirkt durch das viele Glas weniger klobig ein klassischer Betonbau mit kleineren Fenstern, hat aber auch Nachteile.
Im Sommer heizen sich die Glasgiganten durch die Sonneneinstrahlung stark auf. Der Einsatz von schützenden Jalousien oder Vorhängen ist oftmals unerwünscht, verhindert er doch den Blick nach draußen stört den ästhetischen Gesamteindruck des Gebäudes. Deshalb kühlen meist Klimaanlagen die Temperatur in den Räumen herunter. Das benötigt viel Strom und verschlechtert die Klimabilanz des Gebäudes. Der Gebäudesektor zählt auch deshalb zu den größten Verursachern von Treibhausgas-Emissionen. Nach Angaben des Umweltbundesamts sind Gebäude in Deutschland für etwa 30 Prozent der gesamten CO2-Emissionen und 35 Prozent des Endenergieverbrauchs verantwortlich.
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Solarzellen in Schmetterlingsoptik
Solarzellen in Schmetterlingsoptik
Eine mögliche Lösung für dieses Problem haben Forscher vom Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC in Würzburg und Fraunhofer-Institut für Organische Elektronik, Elektronenstrahl- und Plasmatechnik FEP in Dresden vorgestellt. Sie setzen auf eine transparente Beschichtung der Fenster oder Glasfassaden mit elektro- bzw. thermochromen Materialien. Diese sorgen für eine stufenlose transparente Abdunkelung der Fensterfronten und verringern damit das Aufheizen der Räume.
Verdunkeln mit Strom oder Wärme
Je nach eingebauter Beschichtung lässt sich die Verdunkelung per Knopfdruck steuern, oder sozusagen automatisiert durch die Außentemperatur regeln. „Die elektrochrome Beschichtung wird auf einer transparenten, stromleitfähigen Folie aufgebracht und ist aktiv schaltbar. Wird Spannung bzw. Strom angelegt, findet ein Ladungs- und Ionenaustausch statt, und die Beschichtung dunkelt ein, was zu einer Verschattung im Fenster führt“, erklärt Dr. Marco Schott, Gruppenleiter „Elektrochrome Systeme“ am Fraunhofer ISC. „Die thermochrome Variante hingegen arbeitet rein passiv und reflektiert ab einer bestimmten Umgebungstemperatur die Wärmestrahlung der Sonne.“
Bei den elektrochromen Elementen könnten Sensoren Werte wie Helligkeit oder Temperatur messen und an die Steuerelektronik schicken. Diese sendet einen Strom- oder Spannungsimpuls in die leitfähige Folie und löst damit die Verschattung des Fensters aus. Gerade in südlichen Breitengraden oder bei Gebäuden mit großen Fensterflächen, die nach Süden weisen, verhindert die stufenlose Einfärbung, dass sich der Raum aufheizt und die Klimaanlage anspringen muss. Zudem dient sie als Blendschutz, wenn die Sonne in den Raum scheint. An einem bewölkten Tag oder am Abend bleiben die Fenster hell. Die wegen der Beschichtung unvermeidliche Resteinfärbung ist laut Angabe der Forscher für das Auge nicht störend.
Energiesparpotenzial der smarten Scheiben
Der Stromverbrauch der elektrochromen Elemente ist sehr gering: Zum einen benötigt die elektrochrome Folie im Idealfall nur bei Schaltvorgängen Strom, zum anderen genügen wenige Volt, um den Verdunklungsprozess anzustoßen. Ganz ohne Strom kommen die thermochromen Materialien aus, da sie rein passiv auf die durch Sonneneinstrahlung erzeugte Wärme reagieren. Diese können ein aktiv schaltbares System ergänzen oder eigenständig genutzt werden, wenn keine aktive Schaltbarkeit erforderlich ist.
Besonders große Energieeinsparungen durch niedriger gestellte oder gar nicht eingeschaltete Klimaanlagen versprechen die Spezialfenster überall da, wo hohe Außentemperaturen herrschen, also in südlichen Regionen. „In warmen Regionen Europas lässt sich so der Kühl- und Heizenergiebedarf von modernen Gebäuden um bis zu 70 Prozent reduzieren“, sagt Dr. John Fahlteich, Forschungsgruppenleiter am Fraunhofer FEP. In den kälteren Regionen des Nordens sind die Einsparungen geringer. Doch auch hier könnten die Systeme genutzt werden, um bei direkter Sonneneinstrahlung einen Blendschutz zu gewährleisten.
Zukunftsziele: bunt und geschwungen
Derzeit arbeiten die Wissenschaftler daran, die Technologie weiterzuentwickeln. So erforscht das Expertenteam, wie sich die elektro- und die thermochromen Elemente in einem Verbundfenster miteinander kombinieren lassen, um das Potenzial der Technologie noch besser auszuschöpfen. Weitere Ziele bestehen darin, die Beschichtung auf geschwungenen Glasformen aufzubringen und zu den bestehenden Farbtönen Blau und Grau weitere Farben zu ergänzen. So sollen die elektro- und thermochromen Fenster des EU-Projekts „Switch2Save“ einen wichtigen Beitrag für die Klimaneutralität leisten.
* I. Schedwill, Fraunhofer-Institut für Organische Elektronik, Elektronenstrahl- und Plasmatechnik FEP, 01109 Dresden
* *M.-L. Righi, Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC, 97082 Würzburg
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