Spiegelmoleküle verraten Trockenstress von Wäldern Wie der Wald nach Regen ruft
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Trockenheit wird ein zunehmendes Problem. Umso wichtiger ist es zu verstehen, wie Pflanzen darauf reagieren. Hierzu hat ein Forscherteam in einem künstlichen Regenwald die Emissionen untersucht, die Pflanzen bei Trockenstress abgeben. Dabei spielen offenbar auch so genannte chirale Moleküle eine Rolle.

Mainz – Weltweit geben Pflanzen etwa 100 Millionen Tonnen an so genannten Monoterpenen an die Atmosphäre ab. Zu diesen flüchtigen organischen Molekülen zählen viele Duftstoffe wie das Molekül Pinen, das für seinen frischen Kiefernduft bekannt ist. Da diese Moleküle sehr reaktiv sind und winzige Aerosolpartikel bilden können, die zu Kondensationskernen für Regentropfen anwachsen können, spielen die natürlichen Emissionen eine wichtige Rolle für unser Klima. Für Klimavorhersagen ist es daher wichtig zu wissen, wie sich Monoterpen-Emissionen bei steigenden Temperaturen verändern werden.
Wie bei Pinen kommen viele Monoterpene in zwei spiegelbildlichen Formen vor: (+)-alpha-Pinen und (-)-alpha-Pinen. Pflanzen können beide Formen dieser volatilen Moleküle direkt nach der Biosynthese oder aus Speichern in den Blättern freisetzen. Da die beiden chiralen bzw. enantiomeren Formen identische physikalische und chemische Eigenschaften haben, werden sie in Atmosphärenmodellen oft nicht separat betrachtet. In einer neuen Studie haben Forscher unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Chemie (MPIC) jedoch gezeigt, dass die beiden spiegelbildlichen Moleküle über verschiedene Prozesse in der Pflanze freigesetzt werden und dass sie unterschiedlich auf Stress reagieren, insbesondere bei Trockenheit.
Ein Regenwald im Glashaus
Die Ergebnisse stammen aus Experimenten, die in einem geschlossenen künstlichen tropischen Regenwald in Arizona durchgeführt wurden: dem Biosphäre-2-Komplex. Die Anlage wurde ursprünglich gebaut, um ein sich selbst erhaltendes Ökosystem zu schaffen. Sie ermöglichte es einem Team von Wissenschaftlern des MPIC, der Universität Freiburg und der Universität von Arizona, die chemischen und klimatischen Bedingungen des Waldes genau zu kontrollieren und seine Reaktionen zu messen. Drei Monate lang setzte das Team den Wald unter mäßigen und anschließend starken Trockenstress.
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Trockenheit im Wald
Gentest für Bäume zeigt deren Dürreresistenz
Markiertes CO2 deckt Stoffwechselwege der Pflanzen auf
Mithilfe von Gaschromatographen ermittelte Joseph Byron, Doktorand am MPIC, stündlich die Emissionen von alpha-Pinen, Camphen, Limonen, Terpinen und Isopren. Da er und seine Kollegen herausfinden wollten, wann die Pflanzen welche chirale Form verströmen, nutzten sie die Fotosynthese: Sie ließen zu bestimmten Zeiten „schweres“ Kohlendioxid (13CO2) in die Luft der Biosphäre einströmen. Das Kohlenstoffatom des Kohlendioxids enthielt ein zusätzliches Neutron, war also isotopisch markiert und gab so Aufschluss über den pflanzlichen Stoffwechsel. Mit einem an den Chromatographen gekoppelten Massenspektrometer verfolgte das Team dann, welche Monoterpene schwere Kohlenstoffatome enthielten und welche nicht.
„Zu unserem Erstaunen verhielten sich viele Spiegel-Moleküle bei Trockenstress unterschiedlich“, kommentiert Erstautor Byron. „So war (-)-alpha-Pinen markiert, (+)-alpha-Pinen, was wir gleichzeitig gemessen haben, hingegen nicht.“ Das bedeutet, dass das Ökosystem des tropischen Regenwaldes (-)-alpha-Pinen direkt nach der Synthese abgibt, während das Spiegelmolekül aus Speichern der Pflanze stammt.
Macht der Wald seinen eigenen Regen?
Außerdem stellten die Forscher fest, dass mit fortschreitender Trockenheit nicht nur mehr Monoterpene freigesetzt wurden, sondern sich auch das Maximum der Emissionen immer weiter in den Nachmittag verschob und die Pflanzen mehr Monoterpene aus Speicherpools freisetzten. „Vermutlich erhöht die spätere Freisetzung der Monoterpene die Wahrscheinlichkeit, dass sich über dem Wald Wolken bilden“, sagt Projektleiter und Atmosphärenforscher Jonathan Williams. „Denn je wärmer es im Lauf des Tages wird, umso mehr nimmt die vertikale Durchmischung der Luft zu. Dadurch gelangen die reaktiven flüchtigen Stoffe in höhere Luftschichten und haben dort eine größere Chance, zu Aerosolpartikeln und schließlich zu Wolkenkondensationskernen zu werden.“ In gewisser Weise versuchen sich also die Pflanzen als Regenmacher – oder könnten zumindest die Regenwahrscheinlichkeit leicht beeinflussen.
Um genaue Vorhersagen über die Reaktionen eines Ökosystems auf Stress treffen zu können, sollten Forscher zukünftig Emissionen von chiralen Molekülen getrennt messen und modellieren, folgert MPI-Forscher Williams aus den Biosphäre-2-Untersuchungen. Das sei besonders für den Amazonasregenwald wichtig, für den Klimamodelle mehr Dürren voraussagen. „Ich bin davon fasziniert, dass wir über die Messung der Luftzusammensetzung interne, enzymatisch angetriebene physiologische Prozesse des Waldes entschlüsseln können. Dies wird uns sicher helfen, auch Effekte aufzuklären, die wir im echten Regenwald beobachtet haben“, sagt Williams.
Originalpublikation: Joseph Byron, Juergen Kreuzwieser, Gemma Purser, Joost van Haren, S. Nemiah Ladd, Laura K. Meredith, Christiane Werner, Jonathan Williams: Chiral monoterpenes reveal forest emission mechanisms and drought responses, Nature, 609, pages 307–312 (2022); DOI: 10.1038/s41586-022-05020-5
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