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Mikropartikel aus Dispersionsfarben Wie gefährlich ist Wandfarbe für die Umwelt?

Quelle: Pressemitteilung Uni Bayreuth |

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An der Wand ist Farbe kein Problem. Doch wenn Reste beim Ausspülen der Farbrolle ins Abwasser und in die Umwelt gelangen, könnten sie Wasserorganismen schädigen. Dies belegt eine aktuelle Studie von Forschern der Uni Bayreuth. Sie haben eine neue Membran entwickelt, die solche Partikel zuverlässig aus dem Wasser entfernen kann.

Wenn Mikropartikel aus Wandfarben ins Wasser gelangen, können sie dort Organismen schädigen.
Wenn Mikropartikel aus Wandfarben ins Wasser gelangen, können sie dort Organismen schädigen.
(Bild: gemeinfrei, Theme Photos / Unsplash)

Bayreuth – Für Wand- und Deckenanstriche werden in Haushalten meistens Dispersionsfarben mit besonderen Fließ- und Tropfeigenschaften verwendet. Ein interdisziplinäres Forschungsteam der Universität Bayreuth hat jetzt zwei typische, in Haushalten häufig verwendete Dispersionsfarben auf ihre chemische Zusammensetzung hin analysiert und ihre möglichen Auswirkungen auf lebende Organismen eingeordnet. Negative Umweltauswirkungen sind vor allem durch die Freisetzung der enthaltenen Partikel denkbar, die nur wenige Mikro- oder Nanometer groß sind. Charakteristische feste Bestandteile im Mikro- oder Nanometerbereich sind Partikel aus Siliziumdioxid, Titandioxid und Kalziumkarbonat sowie Partikel aus verschiedenen Kunststoffen, vor allem Polyacrylat.

„Viele dieser winzigen Partikel gelangen zum Beispiel durch Abrieb der Farbschichten oder Verwitterung in die Umwelt“, sagt Prof. Dr. Andreas Greiner, stellvertretender Sprecher des Sonderforschungsbereichs (SFB) „Mikroplastik“ an der Universität Bayreuth. „Unsere Untersuchung zeigt nun: Wenn Pinsel, Rollen, Abstreifgitter und Eimer, die beim Anstreichen von Wänden und Decken verwendet wurden, durch Auswaschen von Farbresten gereinigt werden, können die Partikel aus den Dispersionsfarben in Abwässer und damit auch in die Umwelt gelangen.“ Dem Forscher zufolge müssen die Folgen für die Umwelt gründlich untersucht werden, was angesichts der weltweiten Verbreitung von Dispersionsfarben und ihrer vielfältigen Materialzusammensetzung umso dringender erscheint. Deshalb habe sich das Team nicht nur auf die chemische Untersuchung der Farbkomponenten beschränkt, sondern auch ihre Auswirkungen auf lebende Organismen und Zellen untersucht.

Mikropartikel verringern die Beweglichkeit von Wasserflöhen

Für ihre biologischen Untersuchungen haben die Bayreuther Wissenschaftler zwei in der Forschung bewährte Testsysteme ausgewählt: Wasserflöhe der Spezies Daphnia magna und eine Linie von Mauszellen. Maßgeblich für die Untersuchung der Wasserflöhe war ein Test nach OECD-Richtlinien für die Prüfung von Chemikalien. Bei diesem Test wird die Mobilität der Organismen betrachtet. Es stellte sich heraus, dass die Beweglichkeit der Tiere deutlich herabgesetzt war, wenn das Wasser einen hohen Anteil an gelösten und ungelösten anorganischen Nano- und Mikroplastikpartikeln enthielt. Bei den Mauszellen ließ sich eine Verringerung der Zellaktivität feststellen, die generell durch Partikel im Nanometerbereich verursacht wurde. Der Stoffwechsel in den Mauszellen wurde insbesondere durch Nanopartikel aus Titandioxid und Kunststoffen erheblich gestört, die auch in Dispersionsfarben zu finden sind.

„Unsere Forschungsarbeiten zeigen, dass die Inhaltsstoffe von Dispersionsfarben unterschiedlich starke Reaktionen in Organismen und Zellen hervorrufen können. Es lässt sich daher nicht ausschließen, dass die Inhaltsstoffe schädigend für die Umwelt sein könnten“, sagt Prof. Dr. Christian Laforsch, Sprecher des Sonderforschungsbereichs „Mikroplastik“. Weitere Untersuchungen auf diesem Gebiet seien dringend erforderlich, zumal noch viel zu wenig darüber bekannt sei, ob Wechselwirkungen zwischen Nanopartikeln aus Kunststoff und anorganischen Nanopartikeln zusätzliche Schädigungen auslösen können. Die Inhaberin des Lehrstuhls für Bioprozesstechnik an der Universität Bayreuth, Prof. Dr. Ruth Freitag, ergänzt: „Es ist ebenso eine noch weitgehend ungeklärte Frage, wie die Inhaltsstoffe von Dispersionsfarben in verschiedenen Umweltkompartimenten – beispielsweise in der Luft, im Boden oder in Flüssen – mit anderen Stoffen wechselwirken. Schon heute ist aber klar, dass Dispersionsfarben nicht achtlos in der Umwelt entsorgt werden sollten.“

Neuentwicklung: Membran mit hohen Filterleistungen

Parallel zu den Untersuchungen von Dispersionsfarben und ihren möglichen Auswirkungen haben sich Forscher unter der Leitung von SFB-Sprecher Greiner einem weiteren Vorhaben gewidmet: Sie haben ein neues Verfahren entwickelt, mit dem potenziell umwelt- und gesundheitsschädliche Partikel aus Dispersionsfarben durch Filtration aus dem Abwasser entfernt werden können. Dabei kommt eine im Elektrospinnverfahren hergestellte, aus funktionalisierten Fasern bestehende Membran zum Einsatz, die auf unterschiedliche Weisen mikro- und nanometergroße Partikel zurückhält.

Einerseits sind die Poren der Membran so fein, dass Mikropartikel nicht hindurchgelassen werden. Andererseits führen Wechselwirkungen zwischen den Membranfasern und Nanopartikeln dazu, dass diese an der Membranoberfläche hängen bleiben, obwohl sie in die Poren hineinpassen würden. In beiden Fällen ist die Filterwirkung nicht mit einer raschen und großflächigen Verstopfung der Poren verbunden. Daher kann beispielsweise Wasser problemlos die Membran durchdringen und abfließen.

Mikropartikel effektiv aus Abwasser filtern

In einer Publikation beschreiben die Bayreuther Wissenschaftler die erfolgreiche Anwendung der Membran. Getestet wurden dabei auch die beiden Dispersionsfarben, die sich in der Studie als potenziell schädlich für lebende Organismen erwiesen hatten. Wie sich herausstellte, ist die Membran in der Lage, typische Farbkomponenten mit hoher Filterleistung zurückzuhalten – insbesondere Nanopartikel aus Titandioxid und Polyacrylat und Mikropartikel aus Kalziumkarbonat. „Im Alltag gelangen alle diese Farbkomponenten gemeinsam ins Abwasser“, sagt Greiner. „Hier mischen sie sich und ändern aufgrund ihrer Wechselwirkungen in manchen Fällen sogar ihre Strukturen und Eigenschaften. Daher haben wir die Filterleistung unserer elektrogesponnenen Membran gezielt an solchen Mischungen getestet.“ Die hohen Filterwirkungen, die das Forscherteam dabei fand, stimmen Greiner zuversichtlich: „Dieses Verfahren hat ein großes Potenzial, wenn es darum geht, Wasser von Partikeln im Mikro- und Nanometerbereich zu reinigen, wie sie in weltweit handelsüblichen Farben enthalten sind.“

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Originalpublikationen:

Ann-Kathrin Müller, Julian Brehm, Matthias Völkl, Valérie Jérôme, Christian Laforsch, Ruth Freitag, Andreas Greiner: Disentangling biological effects of primary nanoplastics from dispersion paints’ additional compounds, Ecotoxicology and Environmental Safety, Volume 242, 1 September 2022; DOI: 10.1016/j.ecoenv.2022.113877

Ann-Kathrin Müller, Zhi-Kang Xu, Andreas Greiner: Filtration of Paint-Contaminated Water by Electrospun Membranes, Macromolecular Materials and Engineering (2022); DOI: 10.1002/mame.202200238

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