Isotopentrennung auf Chipoberfläche Wie man Gase mit Schallwellen und Molekülschwamm trennt
Gase kann man voneinander trennen, indem man spezielle Membranen wie Siebe einsetzt. Doch sind die Moleküle etwa gleich groß, wie bei Wasserstoff und Deuterium, braucht man andere Verfahren. An der Universität Augsburg haben Forscher nun eine Technik vorgestellt, die dazu minimale Erschütterungen und molekulare Schwämme einsetzt. Wie das funktioniert, verrät der folgende Beitrag.
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Augsburg – Wenn es laut wird, vibriert die Luft – denn Schall ist eine Welle, die über Schwingung von Gasteilchen in Ausbreitungsrichtung weitergetragen wird. Auch auf Oberflächen können sich solche Longitudinalwellen ausbreiten wie Erschütterungen bei einem Erdbeben. Dort sind sie besonders schnell und bleiben flach in der Ebene, wenn sie nicht durch Hindernisse in ihrem Weg gestreut werden.
Mit solchen Longitudinalwellen haben Forscher der Universität Augsburg schon vor längerer Zeit die „Surface Acoustic Waves“-Technologie entwickelt (SAW-Technologie). Dabei erzeugen Hochfrequenzsignale auf einem Chip Schallwellen, die sich an dessen Oberfläche ausbreiten – also quasi ein Miniatur-Erdbeben an der Chipoberfläche. Mit gezielt eingebrachten Störstellen wird das Schallsignal dann aus der Ebene herausgebrochen und kann z.B. in Form eines speziellen RFID-Sensors ausgelesen oder zur Durchflussmessung in sehr dünnen Rohrleitungen genutzt werden.
Mit dieser Technologie haben die Augsburger Forscher zusammen mit Kollegen aus dem spanischen Valencia nun einen neuartigen Sensor entwickelt, der winzigste Massen und Massenänderungen in Echtzeit nachweisen kann und sich damit zur Isotopentrennung eignet.
Molekulare Metallschwämme
Die Forscher an den Augsburger Lehrstühlen für Experimentalphysik I und für Festkörperchemie haben die Nanobeben bzw. die SAW dazu genutzt, um ultra-mikroporöse Nanokristallite dann zu wiegen, wenn sie ganz spezifisch mit Gasen beladen werden. Bei den Nanokristalliten handelte es sich um so genannte MOFs, das sind metallorganische Gerüstverbindungen (Metal Organic Frameworks). Die Oberflächenwellen registrieren bei ihrem Durchgang durch diese „Nano-Schwämmchen“ in kürzester Zeit nicht nur jegliche Massenveränderung der Kristallite, sondern auch deren Selektivität. Auf diese Weise haben die Wissenschaftler jetzt die schwierige Trennung der Isotope eines Gasgemischs aus Wasserstoff (H2) und seines natürlichen Isotops Deuterium (D2, „schwerer Wasserstoff“) realisiert und nachgewiesen.
Gastrennung per Quantensieb
Der Atomkern von Deuterium hat im Gegensatz zu Wasserstoff ein zusätzliches Neutron, die Masse von D2 entspricht deshalb etwa der doppelten von H2, allerdings ohne dass sich dabei die Größe der Atome bzw. Moleküle wesentlich ändern würde. Begibt man sich in tiefe Temperaturen, so zeigt sich, dass die MOF-Schwämmchen sich ab 64 K (bzw -209 °C) bevorzugt mit D2 vollsaugen. Die MOF agieren unter diesen extremen Bedingungen nämlich als so genanntes „Quantensieb“ und ermöglichen dank dieses Quanteneffekts eine selektive Gastrennung.
Wesentlich für das Quantensieben ist, dass sich das Diffusionsverhalten von Gasen bei sehr tiefen Temperaturen und durch Bewegung in einem regelmäßigen Gitter auf den Kopf stellt: In vollständigem Widerspruch zu unseren Alltagserfahrungen beim Sieben bzw. Filtern verteilen sich die schwereren Teilchen im Quantensieb schneller als die leichteren. Und diese Veränderung des Diffusionsverhaltens können die SAW auf dem speziell entworfenen Chip der Augsburger Forscher nicht nur schnell, sondern auch mit höchster Präzision erfassen.
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Isotope Deuterium und Tritium
Potenziale besser nutzen – Filter für schweren Wasserstoff entwickelt
Schallwellen auf Chipoberfläche
Das Zentrum des Chips bildet ein interdigitaler Transducer. Dessen fingerartige Metallstrukturen, die wie zwei ineinandergreifende Kämme angeordnet sind, erzeugt zwei akustische Wellen per Hochfrequenzsignal (mit ≈ im Bild markiert). Die eine der beiden Wellen breitet sich über einen unbedeckten, nicht sensibilisierten Teil der Chipoberfläche aus (nach rechts hinten im Bild), die andere durch das selektive MOF-Quantensieb (graue Fläche im Bild).
Beide Wellen breiten sich dabei mit einer extrem hohen Geschwindigkeit von mehreren Kilometern pro Sekunde zu den beiden Enden des Chips hin aus. Die dünne Schicht aus ultraporösem MOF agiert dabei hoch selektiv als Filterschwämmchen für Gase. Unterhalb einer bestimmten Temperatur entsteht aufgrund der oben beschriebenen Quanteneffekte die Selektivität dieses Filters für das schwerere Deuterium und trennt es daher zuverlässig vom Wasserstoff ab.
Das Resultat ist, dass die quantengesiebte bzw. gefilterte Welle einerseits und die ungefilterte Welle andererseits unterschiedlich schnell an den Enden des Chips ankommen. Dort werden sie detektiert und miteinander verglichen (x), worüber sich das Quantensieben in Echtzeit und mit bislang unerreichter Präzision nachweisen lässt.
Echzeit-Detektion von Schadstoffen und Umweltgiften
„Beflügelt von diesen hervorragenden Ergebnissen unserer gemeinsamen Experimente, insbesondere davon, dass uns mit ihnen sogar die extrem schwierige Trennung von H2 und D2 in einem Gasgemisch gelungen ist, sehen wir jetzt eine Vielzahl neuer und industriell sowie gesellschaftlich relevanter Anwendungen voraus“, sagt Prof. Dr. Dirk Volkmer, der Chemiker im Team. „Wir werden unsere neuartigen Sensoren nach ihrer Feuertaufe nun für die Echtzeit-Detektion von Schadstoffen und Umweltgiften weiterentwickeln und optimieren.“
Der Plan ist, die Sensoren mit einer Vielzahl von unterschiedlich synthetisierten und funktionalisierten MOF-Pixeln zu versehen, die mit dem Miniaturerdbeben auf dem Chip dann selektiv gewogen werden können. Volkmer: „Von solch einer präzisen MOF@SAW-Analyse von Atemluft etwa wird dann auch die medizinische Diagnostik profitieren können“, schließt Volkmer.
Originalpublikation: Benjamin Paschke, Dmytro Denysenko,Björn Bredenkötter, German Sastre, Achim Wixforth, Dirk Volkmer: Dynamic Studies on Kinetic H2/D2 Quantum Sieving in a Narrow Pore Metal–Organic Framework Grown on a Sensor Chip, Chemistry. A European Journal, 27 June 2019; DOI: 10.1002/chem.201900889
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