Energiedissipation von Wasser Wie sich Wassermoleküle warm tanzen
Anbieter zum Thema
Wie wird der Badesee im Sommer warm? Die einfache Antwort ist: durch die Sonnenstrahlung. Doch im Detail ist es deutlich komplexer. Tatsächlich war bis vor kurzem ein wesentlicher Schritt in der Umwandlung von Lichtenergie zu Wärmeenergie bei Wassermolekülen unklar. Diese Lücke hat nun ein Forscherteam des Max-Planck-Instituts für Polymerforschung geschlossen.

Mainz – Wassermoleküle sind keine starren Konstrukte. Sie zappeln und taumeln umher und wackeln mit ihren Bindungen herum. Es ist wie eine Art Molekültanz, bei dem sie sich bewegen, drehen und vibrieren, indem sie ihre Bindungen verbiegen und ausdehnen. Eine solche Bewegung wird beispielsweise durch die Absorption von Strahlung bei bestimmten Energien ausgelöst, also durch einfallendes Licht der passenden Wellenlänge.
Dabei nimmt jedes Wassermolekül einzeln die Lichtenergie auf und speichert sie durch Biegen oder Dehnen seiner chemischen Bindungen. Das bedeutet, dass sich die O- und H-Atome im Wassermolekül relativ zueinander bewegen können. Dies reicht jedoch nicht aus, um die Wassertemperatur zu erhöhen. Erst wenn die Energie so übertragen wird, dass sie die Bewegung (Translation) und Drehung (Rotation) aller Wassermoleküle beschleunigt, erwärmt sich das Wasser. Wie dieser Übergang der Energie nach der Absorption von Licht funktioniert, haben nun Forscher des Max-Planck-Instituts für Polymerforschung (MPI-P), der Universität Tokio, der Universität Osaka und der National Chiao Tung University herausgefunden.
Energieübertragung im Wasser
Die aufgenommene Strahlungsenergie bleibt nicht lange bei einem Wassermolekül allein. Da jedes Wassermolekül durch das so genannte Wasserstoffbrückennetzwerk stark mit seinen Nachbarn verbunden ist, kann es mit ihnen interagieren und sie ebenfalls zum „tanzen“ bringen. Dies gelingt, indem die Energie eines solchen durch Lichtstrahlung „gebogenen“ Wassermoleküls in eine Rotationsbewegung umgesetzt wird. Um den zugrundeliegenden Mechanismus zu verstehen, hat die Gruppe von Dr. Yuki Nagata im Arbeitskreis von Prof. Dr. Mischa Bonn am MPI-P, zusammen mit den Partnergruppen eine solche Energieübertragung im Wasser experimentell mithilfe von Laser-Spektroskopie und Molekulardynamik Simulationen untersucht.
Sie haben festgestellt, dass die Energie einer Biegebewegung eines Wassermoleküls nicht direkt dazu genutzt werden kann, ein benachbartes Wassermolekül zu biegen. Allerdings kann sich diese Energie, nachdem sie schnell in eine Rotation desselben Moleküls umgewandelt wurde, dann auf die umgebenden Wassermoleküle ausbreiten. Diese Freisetzung der gespeicherten Energie in eine Rotationsbewegung erfolgt in flüssigem Wasser besonders effizient, weil die Moleküle in einem losen Netzwerk vorliegen, das es dem Wasser ermöglicht, einen „Gruppentanz“ aufzuführen und seine Nachbarn leicht in diese Bewegung einzubeziehen. So wird die Beuge-Bewegung einzelner Wassermoleküle in eine Rotationsbewegung umgewandelt, die sich leicht auf benachbarte Moleküle im Wassernetzwerk überträgt und schließlich als Temperaturerhöhung messbar ist.
:quality(80)/images.vogel.de/vogelonline/bdb/1746700/1746748/original.jpg)
Flüssiges Wasser bei 170 Grad Celsius
Schneller heiß, als man „Dampf“ sagen kann
Besseres Verständnis der Energiedissipation
Mit ihren Ergebnissen tragen die Forscher zu einem besseren Verständnis der Energieumwandlung in Wasser bei. Dies kann helfen, chemische und physikalische Prozesse in flüssigem Wasser besser zu modellieren, etwa wenn es um die Absorption von Strahlungsenergie geht. Das hat durchaus Relevanz. Schließlich wird ein Großteil der von der Sonne kommenden Lichtenergie im Wasser der Ozeane aufgenommen. „Wasser wirkt sich daher direkt auf das Klima aus und trägt dazu bei, unseren Planeten bewohnbar zu machen“, sagt Studienleiter Nagata.
„Die Effizienz der Energiedissipation in Wärme ist sehr wichtig und hängt davon ab, wie schnell die von einem Wassermolekül absorbierte Energie an andere Wassermoleküle verteilt werden kann. Da die Energie bei der Biegebewegung von Wassermolekülen relativ gering ist, ist die Dissipation absorbierter Strahlung mit höherer Energie immer mit diesem Schritt verbunden, und unsere Studie enthüllt das fehlende Stück des Energiedissipations-Mechanismus des Wassers.“
Originalpublikation: Chun-Chieh Yu, Kuo-Yang Chiang, Masanari Okuno, Takakazu Seki, Tatsuhiko Ohto, Xiaoqing Yu, Vitaly Korepanov, Hiro-o Hamaguchi, Mischa Bonn, Johannes Hunger, and Yuki Nagata: Vibrational couplings and energy transfer pathways of water's bending mode, Nature Communications volume 11, Article number: 5977 (2020), DOI: 10.1038/s41467-020-19759-w
* Dr. G. Gonella, Max-Planck-Institut für Polymerforschung, 55128 Mainz
(ID:47035486)