Rauchen verändert Genaktivität Wie wirken Zigaretten aufs Erbgut?
Auf jeder Packung steht es geschrieben: Rauchen kann tödlich sein. Doch erst nach und nach wird klar, was genau der blaue Dunst in unserem Körper bewirkt. Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) haben nun neue molekulare Details über die Folgen des Zigarettenkonsums aufgedeckt.
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Berlin – Für die Untersuchung wertete DZHK-Wissenschaftlerin Tina Haase die Daten von 1.292 Probanden einer großen populations-basierten Studie aus. Davon waren 593 Personen Nichtraucher, 477 ehemalige Raucher und 221 Raucher. Wie sich zeigte, war bei Rauchern ein bestimmtes Gen wesentlich aktiver als bei Nichtrauchern. Die Genaktivität ging dabei stark mit der Anzahl der pro Jahr gerauchten Zigaretten einher: Je mehr jemand rauchte, desto stärker wurde das Gen abgelesen.
Bei dem betroffenen Gen handelt es sich um das Gen für den G-Protein-gekoppelten Rezeptor 15, kurz GPR15. Wie die Forscher erklären, ist GPR15 sowohl an der Neubildung von Blutgefäßen als auch an Entzündungsvorgängen beteiligt. Seine genaue Rolle bei diesen Vorgängen verstehe man aber noch nicht. „Rauchen ist einer der Hauptrisikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Zum Teil werden die Erkrankungen durch Entzündungsvorgänge verursacht. Die Regulation und Funktion von GPR15 im Herz-Kreislauf-System zu untersuchen, ist daher sehr interessant“, sagt Haase.
Wie Rauchen unsere Gene beeinflusst
Zu Beginn der Untersuchungen war bereits bekannt, dass eine chemische Veränderung an einer bestimmten Region im GPR15-Gen mit dem Rauchen verknüpft ist. Dabei handelt es sich um eine Methylierung, also das Anhängen einer Methylgruppe an bestimmte Bausteine der Erbsubstanz. Diese kleinen Veränderungen können beeinflussen, wie stark verpackt und damit wie aktiv bestimmte DNA-Abschnitte sind.
Haase und ihre Kollegen interessierten sich für das gesamte GPR15-Gen und konnten drei neue Regionen identifizieren, die bei Nichtrauchern stärker methyliert sind als bei Rauchern. Die gute Nachricht ist nach Aussage der Forscher, dass sich dieser Prozess wieder umkehren lässt. Wenn man mit dem Rauchen wieder aufhört, nimmt die Methylierung an diesen Regionen stetig zu, parallel zur sinkenden Aktivität des GPR15-Gens. Bei den ausgewerteten Daten der Ex-Raucher zeigte sich außerdem, dass die Abnahme der GPR15-Aktivität mit den Jahren seit dem Zigarettenverzicht einherging und in den ersten Jahren am stärksten abfiel. „Es ist daher gut möglich, dass Rauchen die Methylierung des GPR15-Gens senkt, wodurch das Gen verstärkt abgelesen wird“, vermutet Haase. Dies könnte einen negativen Einfluss auf Entzündungsvorgänge im Körper haben.
GPR15 als Messinstrument fürs Rauchverhalten?
Gelegenheitsraucher, reiner Party-Raucher, Stress-Kettenraucher – wieviel jemand raucht, ist gar nicht so einfach zu messen. Momentan werden dafür Fragebögen eingesetzt. Haase sieht hier eine mögliche Anwendung ihrer Ergebnisse: Da GPR15 in Abhängigkeit der Menge der gerauchten Zigaretten reguliert wird, könnte die GPR15-Genaktivität als Biomarker eingesetzt werden, um das Rauchverhalten zukünftig genauer zu erfassen. G-Protein-gekoppelte Rezeptoren lassen sich außerdem prinzipiell sehr gut medikamentös beeinflussen. „Daher ist GPR15 ein spannendes Target, gerade für die Therapie von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Aber das ist noch ferne Zukunftsmusik“, sagt die junge Wissenschaftlerin.
Originalpublikation: Haase T, Müller C, Krause J, Röthemeier C, Stenzig J, Kunze S, Waldenberger M, Münzel T, Pfeiffer N, Wild PS, Michal M, Marini F, Karakas M, Lackner KJ, Blankenberg S, Zeller T.: Novel DNA Methylation Sites Influence GPR15 Expression in Relation to Smoking. Biomolecules. 2018 Aug 20;8(3). pii: E74; DOI: 10.3390/biom8030074
* C. Vollgraf, Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK), 13316 Berlin
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