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Kommentar zu wissenschaftlichem Publizieren und Raubverlagen Wissenschaft auf Abwegen?

Autor Christian Lüttmann

Wissen ist Macht – und sollte daher verantwortungsvoll verbreitet werden. Dass dies nicht immer der Fall ist, zeigt eine im Juli 2018 veröffentlichte Reportage der Süddeutschen Zeitung und des NDR. Dort klären die Journalisten über Publikationen bei „Raubverlagen“ auf, die auch falsche Studienergebnisse ungeprüft gegen Geld veröffentlichen. Doch das Problem sind nicht die Raubverlage allein – auch der enorme Erfolgsdruck der Forscher, die Sensationsgier der Öffentlichkeit und die Verbreitung von Beiträgen durch die Medien spielen eine Rolle.

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Wissenschaft sollte eigentlich Fakten liefern. Doch man darf nicht alles glauben, was publiziert wird (Symbolbild).
Wissenschaft sollte eigentlich Fakten liefern. Doch man darf nicht alles glauben, was publiziert wird (Symbolbild).
(Bild: ©Stephen VanHorn - stock.adobe.com)

Gezielt verbreitete Falschmeldungen sind seit Menschengedenken ein bewährtes Mittel zur Stimmungsmache. In den vergangenen Jahren hat sich dafür der Begriff Fake News etabliert. Und scheinbar gibt es davon heute mehr denn je, vor allem in den sozialen Medien.

Wer nun glaubt, wenigstens auf die Seriosität der Wissenschaft sei Verlass, der wurde im Juli 2018 eines Besseren belehrt. Wie die Süddeutsche Zeitung (SZ) in Zusammenarbeit mit dem NDR in einer umfassenden Reportage berichtete, gibt es im Verlagswesen einige schwarze Schafe mit wachsendem Einfluss. Sie würden zwar einen seriösen Eindruck erwecken, prüften aber eingereichte Fachbeiträge kaum oder überhaupt nicht und ließen selbst offensichtlich unwissenschaftliche Studien gegen Bezahlung veröffentlichen, so das Urteil der Journalisten. Für solche scheinwissenschaftlichen Verlage hat sich unter Kritikern die Bezeichnung „Raubverlage“ etabliert.

Warum die Raubverlage Artikel ohne eine gründliche fachliche Kontrolle in ihren Journalen verbreiten? Es geht ihnen ums Geld: Das ungeprüfte Veröffentlichen von nahezu allen eingereichten Beiträgen bedeutet einen großen finanziellen Umsatz, schließlich lassen sich mit wenig Aufwand viele Artikel gegen eine entsprechende Gebühr herausgeben. Doch wie schaffen es Raubverlage, sich in Wissenschaft und Forschung festzusetzen? In einer Branche, in der man eigentlich nicht erwarten würde, dass jemand leicht auf Tricks hereinfällt.

Publikationen am Fließband

Die Problematik mit den Raubverlagen sollte anregen, über einige grundsätzliche Praktiken in Wissenschaftskreisen kritisch zu diskutieren. Denn auch wenn vor allem die Raubverlage und Pseudowissenschaftler selbst die Verantwortung für in die Welt gesetzte Scheinstudien tragen, ist ein Teil des Problems gewissermaßen hausgemacht und lässt sich in einem Wort zusammenfassen: Publikationsdruck.

Die Reputation von Forschern wird heute kaum an der Qualität oder Relevanz ihrer Forschung gemessen, sondern stark an der Länge ihrer Publikationsliste festgemacht. Wer nicht Veröffentlichungen wie am Fließband produziert, droht, ins wissenschaftliche Abseits zu driften. Dieser Druck treibt vor allem junge, noch unerfahrene Wissenschaftler auf die (Internet)Seiten der Raubverlage. Die seien den Recherchen von SZ und NDR zufolge oft professionell gestaltet und schwer als unseriös zu erkennen. So kann es passieren, dass gewissenhaft dokumentierte Forschungsergebnisse in zweifelhaften Journalen veröffentlicht werden. Die Autoren haben dann gleich doppelt das Nachsehen. Nicht nur, weil sie die Gebühr von umgerechnet oft mehreren Hundert Euro für die Veröffentlichung in dem vermeintlichen Fachblatt entrichten mussten. Auch weil sich die Frage stellt: Gesteht man sich und den Kollegen ein, einem Schwindel aufgesessen zu sein? Oder flüchtet man sich in Schweigen und hofft, dass anderen ebenfalls entgeht, welch schlechte Qualität das Journal tatsächlich hat?

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